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Repertorium für Kunstwissenschaft — 2.1879

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von Tschudi, Hugo: Lorenzo Lotto in den Marken
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https://doi.org/10.11588/diglit.61799#0353

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Hugo v. Tschudi: Lorenzo Lotto in den Marken.

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über ihn bis in die Gegenwart hinein gesagt wurde. Nur die Local-
historiker hatten sich seiner mit Eifer und der ganzen Einseitigkeit
eines engherzigen Winkelpatriotismus bemächtigt. Dabei tritt auch
gleich die strittige Frage seines Geburtsortes in den Vordergrund.
Tassi und Locatelli nehmen ihn für Bergamo, Federici x) für Treviso,
andere für Venedig in Anspruch. Der objectivste unter ihnen ist Ricci* 2),
der die Künstlergeschichte der Mark Ancona schrieb. Erst in neuerer
Zeit wurde das Interesse für Lotto wieder allgemeiner erweckt. In
Frankreich durch Rio 3), der allerdings von beschränkt kirchlichem
Standpunkt ausging, in Deutschland durch Burckhardt’s Cicerone, nach-
dem das erbitterte „Steiniget ihn“, das ihm Rumohr entgegengerufen,
erfolglos verhallt war.
Eine eingehendere Würdigung fand Lotto endlich von Seite Crowe’s
und Cavalcaselle’s 4), aber doch noch keine erschöpfende 5). Das gilt
namentlich für die Marken von Ancona und gerade hier sind die charak-
teristischen Beispiele seiner Stilschwankungen zu suchen. Vom befangen
fleissigen Jugendwerke an bis zum letzten müden Pinselstrich seines
Greisenalters, durch das ganze wandlungsreiche Leben bleibt er mit
dieser Provinz in Rapport. So künstlerisch unproductiv auch sonst
die Marken sind, so erfreulich ist es, bei einer Wanderung durch die-
selben stets Lotto’s vielseitigem Talente zu begegnen und aus all dem Zer-
streuten, Versteckten, Verdorbenen doch schliesslich eine klar umschrie-
bene, anziehende Künstlererscheinung sich herauskristallisiren zu sehen.
Gleich in Ancona treffen wir zwei bedeutende Altarbilder von
Lotto’s Hand. Sie stehen zeitlich weit auseinander und bezeichnen
zwei ganz verschiedene Stilphasen. In dem schüchtern zwischen hohen
Häusern eingelagerten Kirchlein S. Maria della Piazza, mit der aben-
teuerlichen romanischen Fat^ade, befindet sich das eine. Es hängt hinter
dem Hauptaltar im Chor, in schlechtester Beleuchtung. Auf einem
Podium, zu dem die Stufen schräg hinaufführen, thront Maria mit dem
Kinde. Zwei schwebende Engel halten eine Krone über ihrem Haupt.
Zu Füssen des Thrones, links und rechts, je zwei Heilige, gebeugten

Ü Tassi, Vite de Pittori, Scultori ed Architetti Bergamaschi. Bergamo 1793.
Locatelli. Illustri Bergamaschi. Bergamo 1867. Federici, Memorie trevigiane.
2) Ricci, Memorie storiche. Macerata 1834.
3) Rio, L’art chretien. Paris 1874.
4) Crowe u. Gavalcaselle, Geschichte der ital. Malerei, 6. Band.
ä) Neben Crowe und Gavalcaselle ist vor allem auch Otto Mündler, Beiträge
zu Burckhardt’s Cicerone, S. 56 ff. zu nennen. Diese treffliche Würdigung des Mei-
sters war schon vor dem Erscheinen der englischen Originalausgabe von C. u. C.
(1870, in Zahn’s Jahrbüchern bereits 1869) publicirt. — Anm. d. Red.
 
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