Franz Xaver Kraus f.
November vorigen Jahres war es, als ich von Kraus Abschied nahm
und ihm besten gesundheitlichen Erfolg wünschte für die italienische
Reise, die er anzutreten im Begriffe stand. Er hatte einen guten, ver-
hältnissmässig schmerzfreien Tag gehabt und nach langer — wer ihn
gekannt, weiss wie genussreicher — Unterhaltung ging er in seinem
Zimmer auf und ab, um sich ein wenig Bewegung zu machen. Er sprach
von weitreichenden litterarischen Plänen und war dabei so frisch, dass
ich voller Hoffnung für ihn wegging, ahnungslos, dass ich ihn nicht
wiedersehen sollte. Sein altes Leiden, eine Arthritis, die er sich 1893
in Italien geholt hatte, plagte ihn wohl sehr und es hatten sich im letzten
Jahre Magenblutungen dazugesellt. Wie gebrechlich er aber auch manch-
mal aussah, man vertraute auf seine offenbar zähe Natur und seinen
starken Willen zum Leben, wusste man doch nicht, dass ein neues, uner-
bittliches Leiden hinzugetreten war. Und so war es wie ein Blitzschlag
aus nur leicht bewölktem Himmel, als plötzlich die Kunde von seinem
Tode eintraf. Mehrere starke Magenblutungen waren nach Weihnachten
eingetreten, die letzte hat am 28. December seinem Leben ein Ende ge-
macht. Seinem Wunsche entsprechend wurde die Leiche nach Freiburg
zurückgebracht und am 6. Januar des neuen Jahres in heimathlicher Erde
bestattet.
Deutsche Wissenschaft und deutsches Geistesleben hatten einen
schweren Verlust zu beklagen. Mit F. X. Kraus ist ein Mann dahinge-
gangen, dessen Bedeutung in keine Rubrik einzuordnen ist. Auf allen
Gebieten der Wissenschaft, in denen er wirkte, hat er rasch eine der
ersten, vielfach auch die erste Stelle eingenommen. Er war Kirchen-
historiker und ein berufener Beurtheiler konnte in seinem Nachrufe ihn
mit Recht den glänzenden Namen eines Möhler, Döllinger, Hefele, Hergen-
rother anreihen und aussagen: an Grösse des Talentes steht er Döllinger
am nächsten, an Vielseitigkeit der Begabung und der wissenschaftlichen
Arbeit übertrifft er ihn. Er war christlicher Archäologe und seit de Rossi’s
Hingang wohl unbestritten der erste seines Fachs, er hat als Kunsthisto-
riker eine hochbedeutende und eigenartige Stellung eingenommen, auf die
wir näher einzugehen haben, als Epigraphiker hat er die Grundlage ge-
legt zu dem uns leider noch immer fehlenden Handbuch dieser Hülfs-
XXV
1
November vorigen Jahres war es, als ich von Kraus Abschied nahm
und ihm besten gesundheitlichen Erfolg wünschte für die italienische
Reise, die er anzutreten im Begriffe stand. Er hatte einen guten, ver-
hältnissmässig schmerzfreien Tag gehabt und nach langer — wer ihn
gekannt, weiss wie genussreicher — Unterhaltung ging er in seinem
Zimmer auf und ab, um sich ein wenig Bewegung zu machen. Er sprach
von weitreichenden litterarischen Plänen und war dabei so frisch, dass
ich voller Hoffnung für ihn wegging, ahnungslos, dass ich ihn nicht
wiedersehen sollte. Sein altes Leiden, eine Arthritis, die er sich 1893
in Italien geholt hatte, plagte ihn wohl sehr und es hatten sich im letzten
Jahre Magenblutungen dazugesellt. Wie gebrechlich er aber auch manch-
mal aussah, man vertraute auf seine offenbar zähe Natur und seinen
starken Willen zum Leben, wusste man doch nicht, dass ein neues, uner-
bittliches Leiden hinzugetreten war. Und so war es wie ein Blitzschlag
aus nur leicht bewölktem Himmel, als plötzlich die Kunde von seinem
Tode eintraf. Mehrere starke Magenblutungen waren nach Weihnachten
eingetreten, die letzte hat am 28. December seinem Leben ein Ende ge-
macht. Seinem Wunsche entsprechend wurde die Leiche nach Freiburg
zurückgebracht und am 6. Januar des neuen Jahres in heimathlicher Erde
bestattet.
Deutsche Wissenschaft und deutsches Geistesleben hatten einen
schweren Verlust zu beklagen. Mit F. X. Kraus ist ein Mann dahinge-
gangen, dessen Bedeutung in keine Rubrik einzuordnen ist. Auf allen
Gebieten der Wissenschaft, in denen er wirkte, hat er rasch eine der
ersten, vielfach auch die erste Stelle eingenommen. Er war Kirchen-
historiker und ein berufener Beurtheiler konnte in seinem Nachrufe ihn
mit Recht den glänzenden Namen eines Möhler, Döllinger, Hefele, Hergen-
rother anreihen und aussagen: an Grösse des Talentes steht er Döllinger
am nächsten, an Vielseitigkeit der Begabung und der wissenschaftlichen
Arbeit übertrifft er ihn. Er war christlicher Archäologe und seit de Rossi’s
Hingang wohl unbestritten der erste seines Fachs, er hat als Kunsthisto-
riker eine hochbedeutende und eigenartige Stellung eingenommen, auf die
wir näher einzugehen haben, als Epigraphiker hat er die Grundlage ge-
legt zu dem uns leider noch immer fehlenden Handbuch dieser Hülfs-
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