Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Repertorium für Kunstwissenschaft — 25.1902

DOI Artikel:
Simon, Karl: Die Anlage zweischiffiger Räume in Deutschland
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61695#0055

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Anlage zweischiffiger Räume in Deutschland.
Von Dr. Karl Simon.
Es giebt wenig Aeusserungen der Architektur des Mittelalters, denen
wir so fremd gegenüberstehen, wie die symmetrische Theilung eines ein-
heitlichen Raumes durch eine Reihe Stützen in zwei Schiffe. Der moderne
Mensch fühlt sich in einem solchen Raume unbehaglich. Wir sind ge-
wohnt, um einen einheitlichen Raumeindruck zu gewinnen, uns in die
Mitte des Raumes zu stellen, mag er ungetheilt oder in drei oder gar
fünf Schiffe getheilt sein. Wir müssen den Raum beherrschen können.
Von dieser Besitzergreifung schliesst uns aber eine mittlere Reihe von Stützen
aus leblosem Material aus; sie nimmt die Stelle ein, die wir zu fordern
gewohnt sind. — Bisher ist man auf diese Gestaltung eines Innenraumes
noch nicht genauer eingegangen; nur wo die Erscheinung gar zu auf-
fallend war, in der kirchlichen Architektur, hat man Einiges zusammen-
gestellt, aber mehr in der Form einer Erwähnung einer Curiosität, ohne
auf den Ursprung oder den Zusammenhang mit anderen Erscheinungen
einzugehen.
Und doch findet sich die Zweischiffigkeit an einer solchen Zahl von Ge-
bäuden bis in späte Zeit, dass eine nähere Betrachtung die Mühe wohl lohnt.
Von selbständigen grösseren Gebäuden scheinen besonders die
Pfalzen für diese Anlage in Betracht zu kommen. In der Burg Dank-
warderode zu Braunschweig (erbaut um 1166 von Heinrich dem Löwen)
wird das etwa 15 m breite Erdgeschoss durch eine Reihe von zehn stei-
nernen Pfeilern mit eingelassenen Ecksäulchen in zwei Schiffe zerlegt.
Ob sich die Theilung im Obergeschoss fortsetzte, wissen wir nicht, da
spätere Veränderungen und zuletzt ein grosser Brand die Spuren des
Ursprünglichen verwischt haben. Sicher ist diese Theilung aber im Ober-
geschoss der Kaiserpfalz in Goslar. Die Stützen selbst stammen ja be-
kanntlich aus spätgothischer Zeit, aber sie stehen mehrfach auf Basen
steinerner romanischer Säulen, so dass sie also schon in romanischer Zeit
Vorgänger gehabt haben müssen. Und ebenso ist hier im Erdgeschoss
die Theilung sicher. Zwar sind jetzt hier im Spitzbogen überwölbte
Räume vorhanden, aber nach den Ausgrabungen kann gar kein Zweifel
sein, dass sich hier eine Reihe gemauerter Bogen in der Längsrichtung
des etwa 16 m breiten Raumes erstreckte. Die Breitentheilung, auf die
 
Annotationen