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Repertorium für Kunstwissenschaft — 25.1902

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Jacobsen, Emil: Italienische Gemälde im Louvre, [2]: kritische Notizen zu den im neuesten Katalog angeführten Bildern, sowie zu den vielen neuen Erwerbungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.61695#0301

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Italienische Gemälde im Louvre.

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Kirche St. Eustorgio zu Mailand die Copie von einem wahrscheinlich
farbigen Carton mit Merkmalen eines früheren Stils. Diese Copie befindet
sich jetzt in der Universitätsgalerie zu Strassburg.69) Es könnte jedoch
sein, dass sie nicht auf eine frühere Redaction, sondern auf denselben
Carton zurückgeht, dessen Details nicht alle in das viel später gemalte
und auch nicht vollendete Gemälde überführt wurden. Auch muss der
veränderte, cinquecentistische Geschmack Lionardo’s um diese Zeit in
Betracht kommen. Das Louvrebild dürfte wenige Jahre vor dem Tode
des Meisters in dessen Atelier zu Amboise gemalt sein und ist zweifellos
identisch mit der „Madonna ed il figliolo ehe stau posti in gremmo di
Sancta Anna“, welche Cardinal Ludovico von Aragonien bei Lionardo in Am-
boise sah. Bei der hl. Anna begegnet uns der Typus der Joconda
wieder. Es sind dieselben mandelförmigen Augen ohne Augenbrauen,
dieselbe kleine Nase, derselbe lächelnde Mund. Anna ist so jung, dass
sie mehr als die Spielgenossin Maria’s, wie als ihre Mutter erscheint. Was
das Bild als ein Werk bezeichnet, welchem die Hand Lionardo’s sein end-
gültiges Gepräge gegeben hat, das sind nicht so sehr die Einzelheiten, als
vielmehr der Zauber seiner ganzen Erscheinung, sein ganzes traumleichtes
Aussehen.70) — 460. Die Madonna in der Grotte. Was dieses Werk be-
trifft, so muss ich den Leser auf meine ausführliche Erörterung in meinem
Aufsatze über die Londoner Galerie verweisen.71) — 461. Frauenportrait,
sogenannte Belle Ferroniere. Das Bildniss wurde von einigen namhaften
Kritikern als ein vorzügliches Werk Boltraffio’s bezeichnet. Es scheint
mir aber, dass es in der Distinction der Auffassung, sowie in der er-
staunlichen Präcision der zeichnenden Hand über das Können des
Schülers hinausgeht. Ich möchte es mit Venturi eher dem Meister
selbst zuschreiben. Auch bitte ich, das goldschimmernde Ziegelroth im
Rock mit dem Roth im Kleide des Engels der Felsenmadonna zu ver-
gleichen. Diese Farbe kommt identisch wieder im Gewände des Engels
in der kleinen Verkündigung Nr. 158 vor. Das viele Roth in Boltraffio’s
Altarbild ist sehr verschieden. — 462. La Joconde. — 463. Bacchus.
69) Jahrbuch der Kgl. Preuss. Kunstsammlungen 1899.
70) Für den linken Fuss Anna’s und den rechten Maria’s Zeichnungen in
Windsor. Von dem Bilde existiren mehrere mehr oder weniger modificirte
Copieen. Auf eine interessante, wahrscheinlich vlämische Version in der Coll.
Yarborough zu London macht Herbert F. Cook in seinem Aufsatze: Tresors de
l'Art italien en Angleterre. Gazette des Beaux-Arts 1897 II S. 387, aufmerk-
sam. Diese Version zeigt eben Analogie mit der Copie aus der Kirche von St.
Eustorgio.
71) In einem Artikel in der Kunstchronik vom 27. Februar 1902 hat Gustavo
Frizzoni dieselbe Ansicht über das Verhältniss zwischen dem Louvre- und
Londoner Bild wie ich schon in meinem Aufsatz Repert. 1901, S. 339. Auch er
meint, dass das Londoner Bild wahrscheinlich von Ambrogio de Predis, doch
„nicht ohne Unterstützung Lionardo’s“ geschaffen worden ist. In seinem Aufsatz
über die Londoner Galerie in seinem „Arte del Rinascimento“ (Milano 1891,
pg. 760 u. f.) hatte er sich viel ungünstiger über das Bild ausgesprochen.
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