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Repertorium für Kunstwissenschaft — 25.1902

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Schottmüller, Frida: Zwei Grabmäler der Renaissance und ihre antiken Vorbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.61695#0416

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402

Frida Schottmüller:

Ueber das Grabmal, das wahrscheinlich bald darauf in Auftrag gegeben
wurde, berichtet Vasari in der Biographie Verrocchio’s: Onde essendo
morta sopra parto in que’ giorni la moglie di Francesco Tornabuoni, il
marito ehe molto amato l’aveva, e morta voleva quanto poteva il piü
onorarla, diede a fare la sepoltura ad Andrea-, il quäle sopra una cassa
di marmo intagliö in una lapida la donna, il partorire e il passare all’
altra vita, ed appresso in tre figure fece tre virtu ehe furono tenute molto
belle, per la prima opera ehe di marmo avesse lavorato: la quäle sepol-
tura fu posta nella Minerva.2) Man nimmt an, dass die Verstorbene nicht
in Rom, sondern in der Familienkapelle der Tornabuoni in S. Maria No-
vella in Florenz beigesetzt wurde.3) Das Relief mit der Darstellung der
Todesstunde ist aus medicäischem Besitze in die Uffizien, dann in den
Bargello gelangt: die (vier) Statuetten der Tugenden befinden sich bei
Mad. Edouard Andre in Paris.
Wochenstuben waren seit Giotto als Kirchenschmuck mehr als ein-
mal gemalt worden, und die Scheidung in zwei Scenen — neben der
Pflege der Mutter die Namengebung durch den Vater, speciell bei
Johannis - Geburten — mag Verrocchio vorgeschwebt haben, als er sein
Relief entwarf. Aber stets hatte man den Vorwand einer heiligen Ge-
schichte. Hier ist zum ersten Male die concrete Darstellung einer
Familienscene aus dem zeitgenössischen Leben gewagt. Laute Klage
umtönt das Sterbelager der rechten Hälfte, links klingt sie in einer
ernsten Episode aus, dem Vater wird zugleich mit dem neugeschenkten
Kinde die Trauerbotschaft des nahen Endes gebracht. Es ist eine Com-
position von grosser, dramatischer Wirkung, voll von realistischen Einzel-
zügen, und doch hat man längst in dieser Darstellung aus dem damaligen
Leben die Anklänge an antike Kunst empfunden. Diese beschränken sich
nicht auf Einzelheiten. Das Relief ist die — freilich sehr freie — Copie
nach einem römischen Sarkophage, der auch die Geschichte einer Frau,
die der Alkestis behandelt. Der Mythus von der treuen Gattin, die, um
den Gemahl zu retten, freiwillig für ihn in den Tod geht, ist uns durch
Euripides vertraut. Er war ein beliebtes Thema für Frauen- und Mädchen-
Sarkophage. Eine Reihe von solchen mit starken Differenzen unter ein-
ander und einige Fragmente sind auf uns gekommen. Einen frühen
Typus, der sich durch Deutlichkeit der Erzählung und relativ gute Aus-
führung auszeichnet, vertritt der Sarkophag Courcel in der Villa Faustina
in Cannes.4)
-) Vasari ed. Le Monnier V. 141.
3) Ueber die Verwechslung des Vasari und die Schicksale des Denkmals
vergl. H. Mackowsky: Verrocchio, Künstler-Monographie S. 60 ff. und „Neues
über Verrocchio“. Berichte der kunsthist. Gesellschaft in Berlin 5. 1. 1900.
4) Die hier gegebene Abbildung ist nach einer mir von Herrn Professor
Petersen in Rom gütigst dafür überlassenen Photographie. Eine Umrisszeichnung
nach demselben und Litteratur s. bei C. Robert: „Die antiken Sarkophagreliefs“
III, Tfi. VI, Nr. 22 und S. 22 ff., an den ich mich in allen archäologischen An-
gaben vollständig anschliesse.
 
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