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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 9.1905

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Nr. 2
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Kisa, Anton Carel: Die Externsteine
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https://doi.org/10.11588/diglit.26234#0092

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Die Lxternsteine.

auf eine Niniatur eines italienischen Lrbauungs-
buches in der Pariser Nationalbibliothek verweisen.
Letztere zeigt Lhristus, wie er von seiner Lrden-
pilgerschast zunr Vater in den himmel zurückkehrt.
Dieser empsängt ihn segnend. Lr trägt ein langes
Gewand, seine ganze Testalt umgibt die tNandorla,
ein großer ovaler Glorienschein. Lein Nops ist
vollkommen gleich mit dem des Lohnes nnd mit
dem Nreuznimbus geschmückt. In der Hand hält
er ein Buch, wie sonst Lhristus als Lehrer der
Völker. A)ir sinden hier denselben Eedanken aus-
gedrückt, wie auf dem Relies der Lxternsteine. Ruch
auf diesem segnet der Vater den Zohn nach Voll-
bringnng des Lrlösungswerkes und trägt ein
Attribut, das sonst dem Lohne zukommt: die Auf-
erstehungssahne. Nur ist der Vorgang in der
Niniatur in ein späteres Ltadinm und in den
Himmel verlegt.

Auf der oben erwähnten Kruppe der Areu-
zigung in Wechselburg hält Sott-Vater, der am
oberen Lnde des Längsbalkens in Halbfigur in der
Kestalt Lhristi dargestellt ist und wie auf dem Relies
der Lxternsteine den Gpfertod des Aohnes segnet,
in der Linken eine Laube, als verkörperung des
hl. Keistes. Die Vermutung liegt nahe, daß auch
das Relies der Lxternsteine den dreieinigen 8ott in
allen seinen Personen schildert, daß die Aindesgestalt,
die mit ausgebreiteten Händen auf dem linken
Arme Tott-Vaters sitzt, den Geist darstellt. Zwar
bedient sich die altchristliche und mittelalterliche
Aunst der Aindesgestalt gewöhnlich zur Verkörpe-
rung der Leele von Lterbenden, namentlich Narias
und der Heiligen, aber es gibt auch Källe, — wenn
auch nur wenige —, in welchen man „iwium" die
Leele für gleichbedeutend mit „sxlritus" nahm und
den Teist Eottes als kleines Aind abbildetc. Ander-
seits wurde die Taube, namentlich in Aatakomben-
gemälden und aus altchristlichen Grabmälern, häufig
als Verkörperung der Leele angewandt. Nan
kann demnach sowohl in Wechselburg eine Gleich-
stellnng von Geist und Leele annehmen, wie auch
auf den Lxternsteinen. Dort versinnlicht die Taube
zugleich die Leele des sterbenden Lrlösers, hier
das Aind zugleich den hl. Keist, der von vater und
Lohn ausgeht.

Auch die Eruppe auf dem Zockel, unterhalb
der Lzene der Areuzabnahme, spottete lange aller
Deutungsversuche, zumal sie sehr schlecht erhalten
ist und ihrer gänzlichen Zerstörung erst seit einigen
Iahrzehnten durch ein Lchutzgitter gewehrt wird.
Man sieht in der Nitte zwei knieende Testalten, eine
nackte männliche und eine bekleidete weibliche, ein-
ander zugewandt, je eine Hand in schmerzvollem
Hlehen nach dem Lrlöser erhebend. Zwischen sie
drängt sich ein Ungeheuer mit dem Vorderleibe
eines Vogels nnd langem Halse, dessen abge-
brochener Aops ursprünglich sich in den Leib des
knieenden Mannes verbiß. Rückwärts endigt es in
zwei Zchlangen, welche das knieende paar um-
wickeln und in phantastische, nach beiden Leiten
starrende Drachenköpse endigen. Ls sind die

Ztammeltern des LNenschengeschlechts, die in der
Vorhölle nach Lrläsung schmachten, Adam und
Lva, bedrängt von dem tzöllensürsten in seiner
scheußlichsten Testalt, in der des Basilisken. —
Vie bildende Annst des Mttelalters fußt bei der
Darstellung des Teufels auf den Alorten des
Psalmisten: „Über den Aspis und den Vasilisk
wirst du schreiten und den Löwen und den Drachen
zertreten." Unter diesen vier Eestalten des Leusels
dachte man sich den Basilisken entstanden aus dem
Li, das ein alter Hahn gelegt, und gab ihm die
Sestalt eines solchen, jedoch mit einem Lchlangen-
schweise und einer Arone aus dem Haupte, denn
er ist der Aönig der Lchlangen und trägt seinen
Namen von dem griechischen Worte Basileus. Lchon
das Altertum kannte ihn, ebenso die beiden anderen
^abeltiere, zu welchen das Mittelalter noch den
Löwen hinzufügte. Dieser Tetramorphus des Bösen
findet sich als Illustration zu den Worten des
Psalmisten, aus dem Lockel der Lhristusstatue ver-
einigt, die am Portale des Domes von Amiens steht.

Neben der Griginalität in der Aufsassung sällt
das Relies durch seine Sröße aus. Ls ist die
umsangreichste plastische Arbeit der srühromanischen
Uunst nnd daher bei aller Lorgsalt in technischer
Hinsicht doch nicht frei von Unbeholfenheiten. Dem
Aünstler fehlte es eben an direkten Vorbildern, ja
selbst in der Mniaturmalerei und in der Ulein-
plastik in Llsenbein suchen wir nach einer gleich-
artigen Darstellung vergebens. Dagegen ist es
sehr wohl möglich, daß er am Rhein jene geheimnis-
vollen Heiligtümer kennen gelernt hat, welche die
Legionäre in den letzten Iahrhunderten der Römer-
herrschast dem persischcn Lonnengotte tltithras er-
richtet hatten, dessen Uultus dem Lhristentum so
lange gesährlich geworden war. Lchon Goethe
hat diese Vermutung ausgesprochen. Lr wurde
dazu veranlaßt durch die Beobachtung, daß Lonne
und Nond aus dem Relies der Lxternsteine genau
so verkörpert sind wie aus den großen Relies-
bildern der Nithrasgrotten, welche in der Haupt-
szene den Kott als Dpserer eines Ltieres dar-
stellen und von allerlei kleinen symbolischen Neben-
szenen begleitet sind. Weitere Lchlüsse, sowohl
daraus wie aus einer oberslächlichen Ahnlichkeit
der Srottenanlagen an den Lxternsteinen mit solchen
von Mthräen zu ziehen, blieb späteren ßorschern
vorbehalten. Diese erklärten auch die Srotten in
den Lxternsteinen sür römisch, sür ein ehemaliges
Nithras-Heiligtum, das Relies der Areuzabnahme
sür die später, nach der Lhristianisierung der An-
lage, erfolgte Umgestaltung eines Mthras-Reliess.
Der Hpfertod des mystischen Ltieres habe als Vor-
bild für den des göttlichen Lrlösers gedient. Neuere
Untersuchungen haben ergeben, daß diese ver-
mutungen weit über das Ziel hinausschießen.
Lonne und Nond sind genau wie an den Lxtern-
steinen auch aus anderen christlichen Darstellungen
der Areuzigung seit dem 6. Iahrhundert verkärpert.
In den Erotten ist nichts gefunden worden, was
römischen Ursprunges wäre und aus eine Benutzung

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