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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 9.1905

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Nr. 5
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Schäfer, Wilhelm: Zum Schillertag
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https://doi.org/10.11588/diglit.26234#0217

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um 5chi!lettag.

Nun da5 deutschc volk wiede,- einmal da5
flndenkcn se>ne5 licdsten stelden, de5 Vichter5
dnedrlch Zchiller, gcfciert stat — denn coeder
8i5mnrch noch vcetstouen noch Soetste oder irgend
ein stürst stestcn so In Sunst dci istm nun
mieder einmnl Inusende non deutschen Mnnnern
gcsprochcn und gcschrieden staden, warum die
wirkung diesc5 ost üdercvundenen „Moraltrom-
pcter5 oon 53ckingen" alle5 andere üderdauert -
die völkerschlacht dei 5eip/ig und dansch 5cdan
cvurdcn gleich istm gcsciert und nergingen doch
in der Srinnerung -, nun in Volk5su5gsden aller
strt cviedcr einmal da5 Sold dicse5 Mannc5 in
klcinster Münie au5gegeden cvurde: richtct sich
der sragendc stlick dercr, dic auster dem vatrioten,
weltdürger und Menschen auch den grosten l^ünst-
ler und genislen vichtcr 5chiller erkennen und
lieden, aus die 5chaudüstne seiner vramen. vern
daoon, sie mit dcm jungen Sntstusia5inu5 der
Mannsteimcr vcdc a>5 „moralische vnstslt" ru
betrachtcn - cvs5 dliede un5 üdrig, a>5 grau-
samcr 5pott und Ver/uveiflung -, fragen cvir:
cva5 für cine 5tätte stat da5 deutsche volk seinen
vramen dereitet?

stsdcn cvir stcute einc deutsche vüstnc sür
dramatische vichtung? tch deiiveifle, dast cin
ernststaftcr Kcnncr dramatischer vichtkunst stieraus
mit sa antcvorten ksnn. tch stabe noch kcinc
stusfüstrung cine5 5chiIIerschen Vrama5 gescstcn,
die mich nicht grimmig cnttäuscht stätte: und wcr
in unsercr steranwachsenden jugcnd. dcnen die
5chillcrschen vichtungen rumeist in 5chülcrc>or-
stellungen oersetzt werden, Umfrage stält nach
istrer wirkung: dcr wird eincn ^näucl komischcr
Srinnerungen, fsst niema>5 ernststaste Srgrifscn-
stcit finden. 5olche 5cheustlichkeiten, wie der
nackttstcaterarmig sich wäl/cnde Melchtstal, seine
vde an die cdle stimmel5gsbe stculend, odcr
die beiden kinder der vrmgard in stolischustcn
c>or dem klapprichtcn Saul de5 Sestler trippelnd:
sind oerbreiteier in deutschen Köpscn, a>5 die
wütendste inflcien^a. wenn wir UN5 nicht5 ver--
stcstlen, Icdt da5 5ch>Ilersche vrama im deutschcn
volk a>5 eine unendliche varodie, woru die sinn-
I05 nachgeschwatzte Snischuldigung, dast 5chiIIer
der vichter der sugend sei, noch einc dcsondere
vummsteit ist.

Und die5 slle5: die verkestrung seiner macht--
nollen palstetischen vichtung in da5 lächerliche
Segenteil must einiig der dcutschen vüstne rur
Last geschrieden werden: denn wcr mit gutcm
Srnst - und sci cr noch so adgedrüstl durch
tausend witze - ein 5chiIIcrsche5 vrama ium
vcscn in dic stand nimmt, wird immer wieder
runschst erstaunt dann stingerissen sein, durch den
5chwung dcr 5prachc und den vrang der 5/enen.
Und weil die5 Mistr>erstältni5 /wischen dem Sin-
druck de5 „tesedrama5" und dem „vüstncnstück"
nicht nur dci 5chiIIcrschcn vramen eintritt, sondern

bei jeder dramatischen vichtung, dei vaust wie
bei stamlct oder dem rcrdrochenen strug: so
müssen wir UN5 dagegen verwastren, dast - wie
gern dehauptet wird - die varodie in 5chiIIer5
vramen läge, indcm sie dic Srcnee c>om Srstadencn
eum Lächcrlichen sclder überschritten. vor dem
kammcrdiener dcstestt kein steld: und wcnn auf
dem dcutschen Isteater keinc dramatische vichtung
nor der Lächerlichkeit dewastrt ist, so müssen wir
eine solche 5chauspielkunst in die volle de5 I^ammer-
diener5 eurückwciscn: sie hat kein vecht ewischen
un5 und dem vichter eu stesten.

vnd die Sründe eu dieser Unsästigkeit der
steutigcn vüstne? 5oII ich mit stundcrtfach 6e-
sagtem beginnen: dcm Isteaterdonncr au5 vlcch:
dem wackelnden stlpenstimmel mit den 5taud-
strciscn: dem vüstnerwolk, da5 eumeist da5 5piel
s>5 eine Unterdrcchung schnoddriger Unterstal-
tungcn und neidischer I^rakeelereien c>on sich gidt
und im bestcn vall nsch dem veisall dc5 Vödel5
stcult: der vegie, sür dic ein ledcndiger stund auf
der vüstne wichtiger ist, s>5 dast ein sterl üder-
staupt nur den jämmerlichsten Instalt seiner volle
kennt, geschweige da5 5tück: dem rosten Semengsel
c>on varben und tinien >m vüstnendild, jede5 5eiscn-
puloer- oder stintertreppenroman - vitclbildchen
an jämmerlichkcit üdcrtrefsend? Wa5 stilft e5,
dic5 immer wieder eu sagen, solange ernststafte
Menschen stumpfsinnig daoor sitzcn oder gar dci
eincm dcsonder5 bengalischen Licht auf Irikot-
wadcn in wonne vcrsinken! Man must auch
stiewon die Sründe suchen: tn allen anderen
I^ünsten staden wir dcreit5 cingesestcn, dast dcr
stunst nicht5 fcrner licgt, a>5 roste jllusion - sonst
wäre da5 vanoptikum dcr destc Uildstauer - nur
in der 5chauspielkunst stslten wir den vanoptikum-
gedankcn fest. Varsu5 ergidt sich denn auch.
dast SescIIschast5stücke und vossen mit istren
schnoddcrigen veden und oerlogenen 5ituationen
da5 eineige sind, woeu unsere vüstnen au5-
rcichen.

Sinen modernen „5alon" mit modcrncn 5chau-
spielern au5eurüsten: diese jllusion liegt im ver-
mögen eine5 jcden Istealcrpächtew. 5owie e5
adcr in die Särten gcstt odcr >N5 Sewitter odcr
>N5 stistorische: dann deginnt derjllusion5schwindel.
vaeu die vnsästigkeit der Mimen, eu denken, eu
süstlen und eu sprcchcn, die im modernen 5alon
nicht ausfällt. Man sagt gcrn, der „Vcali5mu5"
der modernen 5tücke stade die 5chauspieler ocr-
dorden. Va5 ist mit verlaub eine verdächtige
Meinung. Sin an Idscn wirklich geschuller 5chau-
spieler wird ostne weitcrc5 im stistorischen vrama
grosten 5ti>5 eu gedrauchen sein, weil er gegen-
üder der sinnloseri veklamation den wert dcr
5prache wieder gelcrnt stat.

Und da din ich nun, wostin ich wollte: vich-
tung ist 5prachc, auch da5 vrama. Man stat sich
eu entscheiden ewischen dem wort und der Vu5-
stattung. sc minderwertiger da5 wort, dcsto mög-
licher der Vu5stattung5schwindc>: sowie aber im
 
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