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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 9.1905

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Nr. 5
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Schäfer, Wilhelm: Zum Schillertag
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https://doi.org/10.11588/diglit.26234#0218

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Zum 5chi'IIettgg.

wott sich eine seidständige vicsttung staut: sort mit
den 5sppen. vie sllusion Ilege In uns Zustörern.
Unsere stugen und vstren sitzen doch nicht auf
pappdeckel, wir staben die welt non vor-
stellungen und Sefüstlen Im I^opf, darauf der
vichter spielen wilt. wenn Zstakefpeare in seinen
worten den vonner rollen lastt, wa5 brauche Ich
da da5 Isteaterdlech! wenn e5 elnem ^e/Itstor
gelingt, alle dle Muationen der „6Iocke" nur
durch dle Zprache wach/urufen, follte e5 nicht
mestreren mögllch fein, belm vrsma - wo alle5
nach innen gelegt ist - die paar Zituationen an-
^udeuten? !n welche wundersellgkeiten füstrt
die Zprache de5 vaust am Zchlust de5 rweiten
Iei>5 - und daiu must man einen aldernen
vuppenstimmel ansesten.

Od gute Zchauspieler oder schlechte, solange
unsere vüstnen meinen, e5 mit wandeldekorationen
und lebendigen pferden ^u kriegen, sind sie
unberufen, eine dramatische vlchtung ru fpielen.
Mestr noch: solange diefer Kulissenberg auf den
Isteatern liegt, so lange bilden sie ein stinderni5
sür die Weiterentwicklung der dramstischen Lite-
ratur. !m vnfang war da5 wort. vie vichtung
ist die Zache und nicht da5 Isteater. steute soll
der dramatische vichter der vüstne dienen, nicht
sie istm. steute must er in drei oder fünf
vilder den gan/en I^ram auf lod und Leben
^ufammenpressen, sonst stindert er die vüstne
durch den Vekoration5wechsel. Unserer gan/en
dramatischen produktion liegt dieser Mp auf der
vrust. wenn Zstakespeare oder Zchiller oder sonst
ein vichter eine Ziene oon iwan^ig worten
drauchte, wurde sie sorglo5 geschrieben. wer darf
die5 steute? Man denke, wenn die 7wan/ig
worte irgendwo im wald spielten: für iwaniig
worte einen wald mit rwölf Kulissen und einem
stintergrund, vorn abgestauene 5tümpfe M005-
delegt! wie soll sich solcher Luxu5 rentieren oder
woster soll die Zeit kommen? wenn der gefeierte
5chiIIer steute wieder einmal su5 der Militär-
schule au5gerissen wäre und käme mit seinen
ttäubern an. wie könnte der arme süngling uon
vüstne /u vüstne wandern, b>5 istm ein „prak-
tiker" den ganren 5chmarren „düstnengerecht"
>n fünf vekorationen brächte.

Und doch tut jestt nicht5 mestr not, a>5 solche
5chlllerjünglinge, die sich den veufel um die
vüstnenmaschlnerie kümmernd istre „sesedramen"

schreiben. Vie5 gute wort isl ein 5chimpfwort
geworden. vber nur immer mestr Lesedramen,
und immer weniger Isteaterstücke, b>5 bie vüstne
istnen au5 vot folgen must. wenn wir erst ein
vutzend vichtungen non unnerkennbarer vedeu-
tung in 7Z oder 57 5renen stätten; möge die
vüstne sesten, wie sie damit fertig wird. wir
würden nielleicht ru solchen Zuständen kommen,
dast wir auch eine 5chiIIersche vuffüstrung sesten
könnten, ostne schamrot /u werden.

vann brauchte schliestlich auch ein neuer
5chi>ler sich nicht auf die Zukunft ru trösten,
wie er e5 steute must.

kin neuer 5chiller? vun, da5 ist niel, aber
e5 lebt ein sech5und^wan/igjästriger tand5mann
oon 5chiIIer, steistt ewar statt Möller gleich voll-
möller, e5 nestme einer sein vrama von ber „6räfin
vrmagnae" ^ur stand (5. Vischer5 verlag, verlin).
65 ist in versen geschrieben, also must der 5chau-
spieler die worte lernen -, e5 ist sogar in pracht-
oollen versen geschrieben, e5 klingt manchmal,
wie wenn der groste vrgelklang seine5 Land5-
manne5 dsrin auf neue weise töne! Und eine
standlung, wie er sie liebte, stoch über allem
läglichen stinweg, mitten in5 sterr der Mensch-
steit füstrend,- weniger moralisierend - e5 gibt
keinen itousseau mestr -, menschlicher, sinnlicher,
wie wenn der junge 5stakespesre nicht mit Lust-
spielen angefangen stätte: aber prachtooll, grost,
unerbittlich gefüstrt. Und wenn auch am 5chlust
die stände dem jüngling ein wenig littern, wenn
auch ^u oiel noch rauscht ststt klar /u wogen:
e5 ist ein vichter, der sich >N5 6roste wsgt.

Und die deutsche vüstne? vie vüstne 5chilier5 7
5ie must Maschinenstäuser anbauen und echte
soui5 5ei/e-5alon5 kaufen und nach der Litelkeit
berüstmter Mimen istre !7oIIen schneidern lassen.
!n Llberfeld, störst du veutschland, in eiberfeld
wagte der virektor 6regor und danach in wien
derstofburgschausp>eler6regor> >n einer wostltätig-
Keit5oorstellung den Misterfolg. Und nun ist da5
unbequeme 5tück tot - wa5 brauchen wir einen
neuen 5chiller! — wir staben den alten noch für
unsern nationalen 5tolr, und für den neuen
pstilippi und Otto krnst und auch noch viumenlstal.

Möge 5chil!erfeste feiern, wer den Mut stat:
solange wir nicht vüstnen für seine 5tücke, also
für bramatische vichtungen, staden, ist e5 ein
trauriger vetrug mit dieser seier. y). Zchäfer.
 
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