Die kxternfteine.
bildung eines allchristlichen Arcosoliums. In der
Rarwoche bettete man in den Zarkophag eine
Holzfigur Lhristi. Ungefähr in gleicher tzöhe
init den übrigen Grottenanlagen, jedoch ohne Ver-
bindung mit ihnen, befindet fich rechts noch ein
kleiner rechteckiger Raum von etwas nber j m^im
Geviert, mit einer fensterartigen, rnndbogigen Gff-
nung nach außen, welche man nur mittels einer
hohen Leiter erklimmen kann. wahrscheinlich diente
er als Lchatz- oder Vorratskammer.
An der Westwand der Sakriftei hat man ein
merkwürdiges, aus einzelnen Rohrlöchern gebildetes
Zeichen aufgefunden. Ls ist 30 cm lang und
stellt eine Rune dar, die im jüngeren nordifchen
Runenalphabet, dem jüngeren Huthork, Vr heißt
und unserem V entspricht, "ch oder /ü- Io-
lange man noch an die mystische Bedentung der
Runen glaubte, sand man in ihr Beziehungen zum
Tierkreiszeichen des Schützen nnd damit zn Tyr,
dem Todesgotte. Zo hätte man auf die fchönste
Art die Lxternsteine als eine altgermanifche Grab-
stätte in Anspruch nehmen können. Aber die Rnnen
find als simple Lautzeichen — wie alle anderen
Buchstaben — erkannt worden, die aus den
römischen hervorgegangen find und bis tief ins
Mttelalter hinein den Nönchen bekannt waren.
Ia noch in der Renaisfancezeit wurden einzelne
Runen, fowie lateinische und griechische Buchstaben
als Personalzeichen verwendet, darunter die Vr-
Rune sowohl als Lteinmetzzeichen wie als Haus-
marke, ohne daß man ihren Tharakter als Buchstabe
mehr kannte. Die Rnne der Lxternsteine ist nichts
anderes als die Urhebermarke des ausführenden
Lteinmetzen. Lie stimmt in der Größe und Aus-
führung mit anderen romanischen Lteinmetzzeichen
überein, für die eine Länge von 30 om Regel ist.
Auch an der Raiserpfalz zu Gelnhausen, die Uaiser
Hriedrich der Rotbart erbaute, kommt sie vor.
In der Hauptgrotte ist gegeuüber den beiden
Lingängen ein kreisförmiges Becken halb aus der
Naner, halb aus dem Boden herausgehauen. Nan
hielt es für ein Caufbecken, aber in dem kleinen
Heiligtume wurden niemals Taufhandlungen voll-
zogen, sondern in der Pfarrkirche zu Horn. Auch
für etwaige Waschungen der Pilger wäre es mög-
lichst wenig geeignet gewesen, solche wurden vor dem
Heiligtum und nicht innerhalb vorgenommen. Ls
ist vielmehr ein Überrest aus der heidnischen Vor-
zeit der Grotten. Diese können zwar mit keinem
antiken Rulte in Verbindung gebracht werden, aber
damit ist durchaus nicht gesagt, daß erst das
Lhristentum sie zu einer Ltätte der verehrung ge-
macht habe. Lie waren vielmehr vorher ein
Heiligtum der alten Lachsen. Neben dem Becken
im Boden stand der Vpferaltar. Das Blut der
getöteten Tiere floß von ihm in das Becken hinab,
die Vpferpriefter tauchten Zweige hinein, besprengten
damit die außen versammelte Temeinde, bestrichen
die Gpfergeräte, den Altar, die Götterbilder und
die Tempelräume von innen und außen. Die christ-
lichen Msfionare entfernten den Altar, und die
Abdinghäfer verschütteten das Vpferbecken, das für
den christlichen Gottesdienst wertlos, ja bei größerem
Andrange von Pilgern sogar hinderlich war. Bei
der Profaniernng im jk'. Iahrhundert wurde es
vom Lstrich der Hörsterwohnung bedeckt und trat
wohl in neuerer Aeit erst wieder zutage.
Die Richtigkei? dieser Lrklärung ergibt stch bei
einem Vergleiche der Lxternsteine mit einer ähn-
lichen Grottenanlage, der Gnirinus - Aapelle in
Tuxemburg. TÜe allgemeine Anlage, der am Kuße
des Helsens vorbeifließende Bach, das Vpferbecken,
die spätere Bestimmung znm hl. Grabe ist beiden
gemeinsam. Dazu kommt — neben dem vorbei-
fließenden Bache das wichtigste Rennzeichen germa-
nischer Rultusstätten — das tzeiligtum auf dem
Gipsel, an den Lxternsteinen die „obere Rapelle"
genannt. Lie liegt auf dem Nachbarfelsen, öftlich
von demjenigen, der das Relief und die Grotten
enthält, und ist gegenwärtig nur durch eine vom
Lnde des s6. Iahrhunderts stammende Treppe
vom drittletzten Helsen aus zugänglich, von dessen
Höhe eine Lrücke zu ihr führt. Ursprünglich hatte
der zweitletzte Selsen seine eigene, vielleicht hölzerne
Lreppe, die zunächst auf eine natürliche Plattform,
die sog. Nanzel, nach ihrer Bestimmung in christ-
licher Amt ^ benannt, führte. Me Uapelle ist ein
rechteckig aus dem Kelsen gehauener Raum, nach
Züd und T»st offen, ohne Decke, in ihrer jetzigen
Gestalt am Lnde des 12. Iahrhnnderts entstanden.
Diese dem christlichen Üultus ganz sremde Anlage
wird nur dann erklärlich, wenn wir fie als Lrsatz
eines srüheren heidnischen Heiligtums betrachten.
Die Abdinghöfer sind bei dessen Lhristianisierung
dem Prinzip der erften Uirchenerbauer treu ge-
blieben, die alten Rultusstätten, an die das Volk
einmal gewöhnt war, beizubehalten und der neuen
Lehre anzupassen. Bei Relten und Germanen
waren Bergeshöhen nnd Aelsgipfel die Haupt-
stätten der Götterverehrung. Nüe in Luxemburg
einst von der Höhe, wo jetzt die Drei-Inngsrauen-
Napelle steht, der priester des Oi8 ?nter und
nach ihm der Wotans ihre Gebete an die gütigen
Lichtgottheiten emporgesandt hatten, so war auch
der Helsgipfel der Lxternsteine dem Tienste der
oberirdischen Nächte geweiht. In den Grotten
dagegen wurden hier wie dort den dunklen Lrd-
göttern blutige Dpfer dargebracht.
Die gewaltigen, mitten aus dichtem Urwalde
hervorbrechenden Selsen mit ihren von der Natur
geformten Höhlen mußten auf die Phantasie eines
Naturvolkes mächtig einwirken. An einer Ltätte,
an der man sich jetzt noch, da der Wald gelichtet,
der Tuell zu einem von Booten und Lchwänen
belebten Teiche geworden ist, und die Heerstraße
nach Paderborn zwischen den Helsen hindurchführt,
nicht eines romantischen Schauers erwehren kann,
mochten unsere Vorfahren sich dem geheimnisvollen
Nalten der Gottheit besonders nahe fühlen. Me
Urkunden des Ülosters Abdinghof melden nichts
davon, daß hier einmal Götzcndienft getrieben
worden sei, und das wohl mit Absicht. Im volks-
5«
bildung eines allchristlichen Arcosoliums. In der
Rarwoche bettete man in den Zarkophag eine
Holzfigur Lhristi. Ungefähr in gleicher tzöhe
init den übrigen Grottenanlagen, jedoch ohne Ver-
bindung mit ihnen, befindet fich rechts noch ein
kleiner rechteckiger Raum von etwas nber j m^im
Geviert, mit einer fensterartigen, rnndbogigen Gff-
nung nach außen, welche man nur mittels einer
hohen Leiter erklimmen kann. wahrscheinlich diente
er als Lchatz- oder Vorratskammer.
An der Westwand der Sakriftei hat man ein
merkwürdiges, aus einzelnen Rohrlöchern gebildetes
Zeichen aufgefunden. Ls ist 30 cm lang und
stellt eine Rune dar, die im jüngeren nordifchen
Runenalphabet, dem jüngeren Huthork, Vr heißt
und unserem V entspricht, "ch oder /ü- Io-
lange man noch an die mystische Bedentung der
Runen glaubte, sand man in ihr Beziehungen zum
Tierkreiszeichen des Schützen nnd damit zn Tyr,
dem Todesgotte. Zo hätte man auf die fchönste
Art die Lxternsteine als eine altgermanifche Grab-
stätte in Anspruch nehmen können. Aber die Rnnen
find als simple Lautzeichen — wie alle anderen
Buchstaben — erkannt worden, die aus den
römischen hervorgegangen find und bis tief ins
Mttelalter hinein den Nönchen bekannt waren.
Ia noch in der Renaisfancezeit wurden einzelne
Runen, fowie lateinische und griechische Buchstaben
als Personalzeichen verwendet, darunter die Vr-
Rune sowohl als Lteinmetzzeichen wie als Haus-
marke, ohne daß man ihren Tharakter als Buchstabe
mehr kannte. Die Rnne der Lxternsteine ist nichts
anderes als die Urhebermarke des ausführenden
Lteinmetzen. Lie stimmt in der Größe und Aus-
führung mit anderen romanischen Lteinmetzzeichen
überein, für die eine Länge von 30 om Regel ist.
Auch an der Raiserpfalz zu Gelnhausen, die Uaiser
Hriedrich der Rotbart erbaute, kommt sie vor.
In der Hauptgrotte ist gegeuüber den beiden
Lingängen ein kreisförmiges Becken halb aus der
Naner, halb aus dem Boden herausgehauen. Nan
hielt es für ein Caufbecken, aber in dem kleinen
Heiligtume wurden niemals Taufhandlungen voll-
zogen, sondern in der Pfarrkirche zu Horn. Auch
für etwaige Waschungen der Pilger wäre es mög-
lichst wenig geeignet gewesen, solche wurden vor dem
Heiligtum und nicht innerhalb vorgenommen. Ls
ist vielmehr ein Überrest aus der heidnischen Vor-
zeit der Grotten. Diese können zwar mit keinem
antiken Rulte in Verbindung gebracht werden, aber
damit ist durchaus nicht gesagt, daß erst das
Lhristentum sie zu einer Ltätte der verehrung ge-
macht habe. Lie waren vielmehr vorher ein
Heiligtum der alten Lachsen. Neben dem Becken
im Boden stand der Vpferaltar. Das Blut der
getöteten Tiere floß von ihm in das Becken hinab,
die Vpferpriefter tauchten Zweige hinein, besprengten
damit die außen versammelte Temeinde, bestrichen
die Gpfergeräte, den Altar, die Götterbilder und
die Tempelräume von innen und außen. Die christ-
lichen Msfionare entfernten den Altar, und die
Abdinghäfer verschütteten das Vpferbecken, das für
den christlichen Gottesdienst wertlos, ja bei größerem
Andrange von Pilgern sogar hinderlich war. Bei
der Profaniernng im jk'. Iahrhundert wurde es
vom Lstrich der Hörsterwohnung bedeckt und trat
wohl in neuerer Aeit erst wieder zutage.
Die Richtigkei? dieser Lrklärung ergibt stch bei
einem Vergleiche der Lxternsteine mit einer ähn-
lichen Grottenanlage, der Gnirinus - Aapelle in
Tuxemburg. TÜe allgemeine Anlage, der am Kuße
des Helsens vorbeifließende Bach, das Vpferbecken,
die spätere Bestimmung znm hl. Grabe ist beiden
gemeinsam. Dazu kommt — neben dem vorbei-
fließenden Bache das wichtigste Rennzeichen germa-
nischer Rultusstätten — das tzeiligtum auf dem
Gipsel, an den Lxternsteinen die „obere Rapelle"
genannt. Lie liegt auf dem Nachbarfelsen, öftlich
von demjenigen, der das Relief und die Grotten
enthält, und ist gegenwärtig nur durch eine vom
Lnde des s6. Iahrhunderts stammende Treppe
vom drittletzten Helsen aus zugänglich, von dessen
Höhe eine Lrücke zu ihr führt. Ursprünglich hatte
der zweitletzte Selsen seine eigene, vielleicht hölzerne
Lreppe, die zunächst auf eine natürliche Plattform,
die sog. Nanzel, nach ihrer Bestimmung in christ-
licher Amt ^ benannt, führte. Me Uapelle ist ein
rechteckig aus dem Kelsen gehauener Raum, nach
Züd und T»st offen, ohne Decke, in ihrer jetzigen
Gestalt am Lnde des 12. Iahrhnnderts entstanden.
Diese dem christlichen Üultus ganz sremde Anlage
wird nur dann erklärlich, wenn wir fie als Lrsatz
eines srüheren heidnischen Heiligtums betrachten.
Die Abdinghöfer sind bei dessen Lhristianisierung
dem Prinzip der erften Uirchenerbauer treu ge-
blieben, die alten Rultusstätten, an die das Volk
einmal gewöhnt war, beizubehalten und der neuen
Lehre anzupassen. Bei Relten und Germanen
waren Bergeshöhen nnd Aelsgipfel die Haupt-
stätten der Götterverehrung. Nüe in Luxemburg
einst von der Höhe, wo jetzt die Drei-Inngsrauen-
Napelle steht, der priester des Oi8 ?nter und
nach ihm der Wotans ihre Gebete an die gütigen
Lichtgottheiten emporgesandt hatten, so war auch
der Helsgipfel der Lxternsteine dem Tienste der
oberirdischen Nächte geweiht. In den Grotten
dagegen wurden hier wie dort den dunklen Lrd-
göttern blutige Dpfer dargebracht.
Die gewaltigen, mitten aus dichtem Urwalde
hervorbrechenden Selsen mit ihren von der Natur
geformten Höhlen mußten auf die Phantasie eines
Naturvolkes mächtig einwirken. An einer Ltätte,
an der man sich jetzt noch, da der Wald gelichtet,
der Tuell zu einem von Booten und Lchwänen
belebten Teiche geworden ist, und die Heerstraße
nach Paderborn zwischen den Helsen hindurchführt,
nicht eines romantischen Schauers erwehren kann,
mochten unsere Vorfahren sich dem geheimnisvollen
Nalten der Gottheit besonders nahe fühlen. Me
Urkunden des Ülosters Abdinghof melden nichts
davon, daß hier einmal Götzcndienft getrieben
worden sei, und das wohl mit Absicht. Im volks-
5«