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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 7
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Rüttenauer, Benno: Kölner Ausstellung 1906: die Sonderausstellungen
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ÖLNER AUSSTELLUNG 1906.
DIE SONDERAUSSTELLUNGEN.
Von BennoRüttenauer.
Ich beginne, wie biilig, meine Betrachtungen
mit Meister Thoma. Seine Ausstellung ist
diesmai weniger umfangreich, ais man es sonst
von ihm gewohnt ist, um so giücklicher sind
die Biider ausgewählt. Sie stammen aus den
verschiedensten, zum Teil weit zurückiiegenden
Jahrzehnten, eines sogar aus jener frühesten
Zeit, wo Thoma, wie jeder Lernende, in ge-
wissem Sinn noch nicht er selber war, wo er
noch in der von seinen Lehrern übernommenen
trockenen, schweren, opaken, lichtiosen Maierei
sich abmühte, zwar schon mit erfreulichen
Erfolgen, wo er aber seine eigene, ieichtere,
iichtere, Hüssigere und fast möchte ich sagen,
,,impressionistische" Sprache noch nicht ge-
funden hatte, eine Malerei, die ganz sein eigen
ist, die ein absoiut Neues bedeutet, die mit
keiner äitern Maierei verwechselt werden kann,
wodurch Thoma — was auch die Modernitäts-
fexen sagen mögen — eminent modern ist im
guten Sinn des Wortes, wodurch er, ganz ab-
gesehen von aller geistigen und gemütlichen
Deutung und Bedeutung seines Gesamtwerts,
in der neueren deutschen Malerei eine so hervor-
ragende Stelle einnimmt.
Jenes früheste Werk der Ausstellung, das
Bildnis des jungen Steinhausen, verrät wohl
schon, wenigstens in der Erfassung des Gegen-
standes, eine starke persönliche Note — wie
die roten Laubranken des wilden Weines den
dunkelbraunen Raum vorn beleben, ist gewiß
ein feiner malerischer, auch koloristisch glück-
licher Gedanke —; aber gerade dieses Bild ver-
anschaulicht uns zugleich, welch ein ungeheurer
Abstand ist zwischen den malerischen Vortrags-
mitteln, wie sie Thoma vorfand, und den
spätern, die er selber sich errungen hat, welch
einen gewaltigen Schritt der Befreiung dies be-
deutet, und was für ein Stück Arbeit zu leisten
war, um zu dieser innern und äußern Befreiung
zu gelangen.
Im übrigen beweist die Auswahl der Bilder
wiederum die bemerkenswerte Tatsache: daß
Thoma, nachdem sich in ihm und zwar ver-
hältnismäßig früh jene Befreiung vollzogen
hatte, nicht mehr viel Wandlung und Ent-
wicklung durchmacht. Er stellt insofern ein
fast einzigartiges Phänomen dar. Denn er hat,
und das ist erstaunlich genug in einer so langen
Laufbahn, immer eine Fülle neuer Gedanken;
aber er sagt, was er zu sagen hat, nun immer
in derselben ihm einmal eigen gewordenen
schlichten Sprache. Dennoch wird er, und
das ist noch erstaunlicher, nie virtuos in
dieser Sprache. Sie steht ihm heut wunder-
M/;

voll zu Gebote, er sagt darin die zartesten,
tiefsten, unerhörtesten Dinge; aber im Hand-
umdrehen versagt sie ihm, er wird ungeschickt
und stottert. Fast rätselhaft ist, daß er davon
gar kein Bewußtsein zu haben scheint. Auch
das Verhältnis des Gelungenen und höchst Vor-
trefflichen zum Ungeschickten scheint durch
alle Zeit ziemlich dasselbe geblieben zu sein.
Jedenfalls aber zeigt die diesjährige Ausstel-
lung — und damit berühre ich vielleicht das
Allererstaunlichste —: daß selbst das hohe
Alter, wo der Mensch fast notwendig schwächer
wird, an diesem Verhältnis nichts geändert
hat, gewiß nicht im ungünstigen Sinn; denn
gerade was uns hier aus der allerletzten Zeit
gezeigt wird, möchte uns fast zu dem ver-
wegenen Urteil herausfordern, daß der Meister
sich darin selbst übertroffen hat.
Dies gilt besonders von dem ,,Blick ins
Lauterbrunnental", ein Bild, das Wilhelm
Schäfer, wohl nicht ohne besondere Absicht,
in den Saal der Jüngsten gehängt hat. Auch
hat er darüber, in seinem ersten Bericht von
der Ausstellung, schöne und begeisterte Worte
geschrieben, die auch mir aus der Seele ge-
sprochen waren. Wie Schäfer bin ich der
Meinung, daß ein einziges Bild gleich diesem
genügen müßte, um jedes Vorurteil zu besiegen,
wenn auch dessen glücklicher Besitzer es noch
so sehr mit verbissenen Zähnen festhält. Viele
können wohl Vieles; wir mögen es freudig an-
erkennen, wir gedenken nicht, den Einseitigen
Einseitigkeit entgegenzusetzen: wer aber ver-
möchte eine Landschaft auch nur so zu sehen,
wie diese gesehen ist, nämlich eine so viel-
fältige zerstreute Mannigfaltigkeit als geschlossene
Einheit, die innerhalb des engen Rahmens eine
Welt ausdrückt, ganz abgesehen von der spezi-
ßsch malerischen Feinheit in dem Bild, Fein-
heit in Duft- und Luftmalerei und Vereinheit-
lichung des Tons, die nur leugnen kann, wer
sie durchaus leugnen will.
Thoma macht es sich wohl manchmal leicht
und liefert dann seinen geistreichen aber nicht
immer geistig reichen Gegnern manche Ver-
anlassung zu schlechten Witzen; aber in diesem
Bild — und vielen andern — hat er gezeigt,
wie er selbst größte Schwierigkeiten spielend
zu überwinden vermag. Hier kann kein Ehr-
licher spöttisch von deutschem Gemüt reden,
hier handelt es sich um Form und Farbe, um
künstlerische Anschauung. Und nebenbei be-
merkt, ist natürlich an dem geistreichen Witz
von deutschem Gemüt nicht Thoma schuld,
sondern gewisse allerdings sehr wenig geist-
reiche und ganz und gar kunstarme Schreiber,
vielmehr Redner über ihn.
Ebenfalls eine ganz überraschende, nicht
naturalistische, nicht impressionistische, sondern
mit bewußt-gewollter Beschränkung und An-


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