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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 7
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Hamann, Richard: Der Altersstil Rembrandts, Goethes, Beethovens
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0043

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H. BiHing. Hauptgebäude der Köiner Aussteiiung. Vorhof.*

könnten gesprochen sein im Anblick der ge-
waltigsten Radierung Rembrandts aus seiner
ietzten Zeit, der drei Kreuze, wo Rembrandt
das Erdbeben begieitet sein läßt von einem
furchtbaren Lichtstrom, der aus düsterem
Himmei über die Szene sich ergießt, alles
blendend und in Bestürzung auseinanderjagend.
Der West-Östliche Divan, Wilhelm Meisters
Wanderjahre und der II. Teil des Faust sind
denn auch die Werke, aus denen wir den
Rembrandts verwandten Altersstil Goethes ab-
lesen können. Was die Lektüre der Wander-
jahre, des II. Teiles des Faust so erschwert, ist
der Mangel an durchgreifendem Zusammenhang.
Nirgends drängt das Gelesene so auf ein
Folgendes, daß die Frage, wie wird es weiter-
gehn, wie enden, zum Weiterlesen treibt. Die
Wanderjahre sind eine Rahmenerzählung für
eingestreute Novellen, und dieser Rahmen
selbst enthält mehr Betrachtungen, Schilde-
rungen bestehender Verhältnisse oder von
Lebensmöglichkeiten, als wirkliche Handlung
* Wir ergänzen unsern Bericht über die Gebäude der A
des BiHing-Baues.

und fortschreitendes Geschehen. Unter den
eingestreuten Novellen finden wir auch eine in
der typischen Form des Impressionismus, der
Wiederholung, Variation desselben Themas mit
Steigerung einer in diesem Thema enthaltenen
Spannung: „Der Verräter". Ein Jüngling, der,
mit der Tochter des Freundes seines Vaters
durch den Willen der Väter verlobt, in das
Haus dieser Familie kommt und dort seine
Liebe zu der Schwester seiner Braut entdeckt.
In lauten Selbstgesprächen äußert er jeden
Abend den Entschluß, sich irgend einem der
Hausgenossen anzuvertrauen, aber jedesmal ist
am nächsten Tag durch eine rätselhafte Fügung
der Betreffende unzugänglich. Das wiederholt
sich so und so oft, bis sich alles zum Besten
löst mit der Erklärung, daß er in seinen Selbst-
gesprächen belauscht wurde. Eine andere Er-
zählung, „Der Mann von 50 Jahren", bleibt
ergebnislos. So wenig rechnet Goethe jetzt mit
dem Bedürfnis nach einheitlichem geschlossenem
Verlauf. Dieselbe Formlosigkeit, derselbe Mangel
ellung im vorigen Heft hier noch durch einige Abbildungen
Die Red.

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