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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 7
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Hamann, Richard: Der Altersstil Rembrandts, Goethes, Beethovens
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0045

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H. Billing. Hauptgebäude der Kölner Ausstellung. Säulensteilung im Vorhof.

sie hat in einer Itnpression einen poetischen
Ausdruck gefunden:
Siehst auf und ab lichtgrüne schwanke Welien
Mit Purpursaum zurschönsten Wohnungschweüen.
Indem die Intensität solcher Sinneserfahrungen
sich mit der rhythmisch begleitenden Körper-
bewegung verband, wurde eines der iebendig-
sten, Sehen und Fühlen vereinenden Meer-
biider _L ^ :
Weich feuriges Wunder verklärt uns die Welien,
Die gegeneinander sich funkelnd zerscheiien.
So ieuchtets und schwanket und hellet hinan:
Die Körper, sie giühen auf nächtiicher Bahn.
Aile diese Bilder übten schon die Kunst,
nicht zu erhnden, sondern etwas Eriebtes, Ge-
sehenes in Worte zu übersetzen. Diese späte
Kunst Goethes ist in der Tat vom Gegenstand
unabhängig, nicht mehr auf die Geschichte, die
Gestaltung der Fabel angewiesen. Sie ist im
höchsten Sinne Wortkunst. Die Forderung,
den Gegenstand so einfach, so bekannt als mög-
lich zu wählen, und alle Kunst durch die Be-
handlung hineinzubringen, ist nirgends so sehr,
als im II. Teil des Faust erfüllt. Die Um-
setzung in Worte, in Verse, in das ein langes
Leben hindurch gehandhabte Material, das ist
jetzt der Reiz, den Goethe im Dichten hndet,
und den der Leser nachemphnden muh. Es

ist eine Kunst des Übersetzens, Übersetzens
des Lebens in Worte. Deshalb knüpft Goethe
jetzt so gern an etwas Gegebenes an, dichtet er
um wie im Divan, oder übersetzt Gemaltes in
Tönendes. Ganze Szenen des Faust, wie die
Maskenzüge, ja der II. Teil überhaupt, enthalten
nichts, als die durch ein Programm locker zu-
sammengehaltene, durch eine das Vielfältigste
zulassende Situation motivierte Übersetzung von
Erfahrungen, Erinnerung an dieses reiche,
reichste Erleben. Das ist es, was man so
leicht übersieht, wenn man nach Bedeutung
sucht. In dem Maskenzug bei Hofe ist die
ganze Gärtnerei in Verse und Worte umgesetzt.
Der Genuh an der klingenden Formel für ge-
drängte Erfahrungen, für verdichtete Schilde-
rungen einfacher Zustände sollen den Genuh
bedingen. Die Bedeutung liegt in der Kunst
dieser Formulierung, dieser Wortfügung. Diese
Kunst ist freilich einzig, unerschöpflich, und
nur ein Versuch bleibt es, den Reichtum der
Mittel annähernd zu charakterisieren.
Es ist auch da zunächst die Sinnlichkeit
der Worte, die Prägnanz, die die Verse so
reich und gesättigt werden läht. Das ist auch
die Bedeutung des Symbols, des Typus in
Goethes Denken der letzten Zeit, nicht zu ab-
strahieren, vom Einzelfall zum AHgemeinen zu

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