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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 7
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Hamann, Richard: Der Altersstil Rembrandts, Goethes, Beethovens
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0047

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H. Billing. Hauptgebäude der Kölner Ausstellung. Saal mit den Fürstenbildern von Trübner.

Wir sind gewohnt,
Wo es auch thront,
In Sonne und Mond
Hinzubeten; es lohnt.
Oder das kräftigere A-Gedicht:
Waldung, sie schwankt heran,
Felsen, sie lasten dran,
Wurzeln, sie klammern an,
Stamm, dicht an Stamm hinan.
Und so klingt der Faust aus in Versen, die
man hören muß wie Glockenklang, ebenso
tönend in voilen Kiängen, aber auch ebenso
bedeutungsvoll, erfüHt von mystischer Stimmung.
Deshalb darf man auch nicht wissen woilen,
was das Vergängliche, das Unzulängliche, das
Unbeschreibiiche denn Bestimmteres enthalten.
Gerade in der Unbestimmtheit, dem mystischen
Dunkel, wie der späten Rembrandtschen Biider,
iiegt die Stimmung, und nur, wem diese Silben
Vergängliche, Gleichnis, zu schwelienden,
nachklingenden Tönen werden, der fühlt, wie
hier ein Leben und ein Werk eingeläutet werden,
der hört den Chorus mysticus:

AHes Vergängliche
Ist nur ein Gleichnis;
Das Unzulängliche,
Hier wirds Ereignis;
Das Unbeschreibliche,
Hier ists getan:
Das ewig Weibliche
Zieht uns hinan.
Goethe, der Augenmensch, hat für Beet-
hovens Musik wenig Sinn gehabt, aber diese
Verse des Faust verbinden ihn auch mit
Beethovens letzten Werken, in denen es ebenso
auf Klang und Stimmung und auf Auflösung
der Form hinausläuft. Diese Auflösung des
strengen gleichmäßigen Zusammenhangs, das
scheinbar Willkürliche der Folge ist das, was
man zuerst an den letzten Sonaten, Quartetten
erfaßt. Nicht mehr die Architektur eines lo-
gisch gefügten Satzes herrscht, sondern eine
Freiheit, die oft ganz phantasiemäßig sich
ergeht. Bezeichnend dafür sind die Unter-
brechungen, die Episoden, die sich als kurze,
selbst wieder ganz unerwartet abbrechende
Adagios in AHegrosätze einschieben. (Sonate

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