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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 7
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Hamann, Richard: Der Altersstil Rembrandts, Goethes, Beethovens
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Rüttenauer, Benno: Weltgeschichte in Hinterwinkel, 4: aus den Denkwürdigkeiten eines schwäbischen Ziegenhirtes
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0050

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DER ALTERSSTIL REMBRANDTS, GOETHES, BEETHOVENS.

keit des Klanges erregt wird. Dieses Bedürfnis
nach dem Rauhen, Komplizierten und nervös
Unruhigen ist auch in dieser späten Musik
Beethovens der Grund des Reichtums an Dis-
harmonien, und es erfordert ein ianges Studium,
bis man bei vieien späten Werken den Ein-
druck überwunden hat, daß ein wirres Geräusch
einem um die Ohren tönt. Die kühnsten Bil-
dungen, die ungewohntesten Kiänge und Fort-
schreitungen sind verwendet, und die neuesten
Bestrebungen in dieser Richtung können sich
auf Beethoven berufen. Diese Disharmonien, die
dem Bedürfnis des Ohres so oft entgegenkiingen,
bedingen denn wieder eine Steigerung des Aus-
drucks, der die Lyrik, das Programmatische
dieser Musik so tief und erschütternd macht.
Die letzten Werke verwenden mit Voriiebe
in den Ailegrosätzen eine Art von Fugato in
der Absicht, ein Motiv von Nebenstimmen
immer reicher umranken zu lassen, die Unruhe
immer zu steigern. In den Adagios wird das
Thema mit Variationen zur Regel, und diese
Variationen bestehen fast immer darin, den
Klang der einzelnen Melodietöne zu steigern,
sei es durch Bereicherung der Akkorde, oder
aber durch jene Art von Brechung der Akkorde,
die jeden Ton in eine unmelodiöse Figur auflöst,
Triolenhguren, oder zuckende, vorschlagartige
Figuren, in Tremolos, oft mit der erregenden
Wirkung von Synkopen und der wirren Un-
ruhe verschiedenteiliger Rhythmen. Eine inter-

*VX7*ELTGESCHICHTE IN
V V HINTERWINKEL.
AUS DEN DENKWÜRDIGKEITEN EINES
SCHWÄBISCHEN ZIEGENHIRTEN.
Von Benno Rüttenauer.
VIERTES KAPITEL. (Fortsetzung.)
Zu Hause wurde mir auch nicht der erbau-
lichste Empfang. Ich mußte die bittersten Vor-
würfe hören.
Und das nach so großen Erlebnissen!
Aber ich verzieh meinen Eltern großmütig,
weil ich mir sagte, daß sie ja nicht wissen
konnten, wessen ich mich alles rühmen durfte.
Und ich wurde reichiich entschädigt.
Alle Leute wollten von mir Auskunft haben,
die Angehörigen der Soldaten vor allen. Und
man bewunderte mich. Man hatte mir nicht
so viel zugetraut. Aus einem Jungen, den man
bisher mit Spott und Mitleid betrachtet hatte,
war ich auf einmal eine angestaunte Persönlich-
keit geworden.
Sogar der Hannpeter machte sich zur Trom-
pete meines neugebackenen Heldenruhms.
Mit einer leichten Armverwundung, die er
—- Gott mag wissen, wie und wo — erhalten
hatte, war er entlassen worden und nach Hinter-

essante Stelle aus der Sonate op. go bringt
eine trillernde Begleithgur, um das Motiv in
Vibration erklingen zu lassen, sorgt aber zu-
gleich für die feine Rauhigkeit jedes Klanges,
indem die trillernde Figur dissonierend geht,
immer hs oben und gis unten, oder gis oben
und hs unten zusammentreffen. AHe diese
Mittel haben zusammengewirkt, der schlichten
Arietta der letzten Klaviersonate ein immer
reicheres, gesteigertes Leben zu verleihen.
Immer dichtere Haufen von Figuren und Tönen
werden in das Motiv hineingeführt, die Brechung
und Rauhigkeit steigert sich beständig, bis die
Melodiestimme in hoher Lage zwischen einer
tremolierenden Begleitung und einem trillernden
orgelpunktartigen zweigestrichenen G hindurch-
geht oder über dieses hinwegsteigt. Es schwirrt
und Himmert um die Ohren, daß eine Steigerung
nicht mehr möglich ist, und nichts mehr nach
AHegro oder Presto eines Schlußsatzes verlangt.
Beethoven hat sich bei dieser letzten und ge-
waltigsten Sonate mit zwei Sätzen begnügt.
Die Kunst aber, aus einem einfachen Motiv,
fast aus einem Nichts einen unermeßlichen
Reichtum hervorzuzaubern, ist hier zu einem
Grade emporgestiegen, daß Beethoven hier die
Kunst zum Vorwurf gemacht ist. Es ist aber
nichts anderes, als wenn Rembrandt ein Familien-
bild, Goethe eine Maskenszene über alle Selbst-
verständlichkeit zu dem Reichtum seltenster
künstlerischer Mysterien erheben.
winkel heimgekehrt. Er genoß sogar längere
Zeit eine kleine Pension und brauchte nicht zu
arbeiten. Es blieb ihm also Zeit genug. seine
Kriegstaten zu erzählen. In eine davon verHocht
er auch meine Persönlichkeit, und zwar auf
eine Weise, die mir im höchsten Grade
schmeicheln mußte. 1hm allerdings noch mehr.
Von zehn bis zwölf Preußen verfolgt und in
eine Sackgasse geraten, hatte er sich wohl eine
Viertelstunde lang gegen die ungeheure Über-
macht mit dem Bajonett verteidigt. Fünf von
den Feinden waren bereits seinen Stichen er-
legen. Aber dann ermüdete sein Arm. Und
er wäre verloren gewesen, wenn sich nicht
plötzlich ein kleines Pförtlein, an einem großen
Scheunentor, wie von selbst geöffnet hätte, daß
es schien, als ob sein Schutzengel in Person
gekommen wäre, ihn auf diese wunderbare
Weise zu retten. Ich wars gewesen, der Lexel.
Niemand anders als ich hatte ihn vor
schmählicher Gefangenschaft oder sicherm Tode
gerettet. Ich zeigte ihm an der Hinterwand der
Scheune ein Loch; so entschlüpfte er ins Freie
und gewann, ehe die Preußen zu folgen ver-
mochten, das andere Flußufer, wo er gerade
recht kam, um an einem erneuten Angriff
seines Regiments teilzunehmen. Mich wollten
die Preußen nun erstechen, aber ich schrie,
man sollte mir doch das Leben lassen, ich

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