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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 8
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Schur, Ernst: Die Raumkunst in Dresden 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0090

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DIE RAUMKUNST IN DRESDEN 1906.

kann. Für Dresden ist das der Barockstil, dessen
breitgeschwungene, lebhafte Formen eigentlich
unserm heutigen, einfacheren Emphnden nicht
entsprechen. Aber der Architekt hat es ver-
standen, dieses Aite nur ais Anregung zu
nehmen. Er hat es modern umgebiidet und
die übertriebenen Formen gemildert. So ist
das Brauchbare erhalten und das Neue organisch
angefügt. Die dunkelgrünen Vorhänge passen
zu dem dunkelbraunen, schweren Ton des
Hoizes. Imposant wirkt das große Bibliothek-
zimmer (Eschenhoiz) von Kreis mit den ein-
geiassenen Bücherschränken, wohi ais Lesesaal
gedacht, ganz in Holz verkieidet.
Im ganzen: Ohne daß eine verblüffende
originale Leistung geboten ist, hat das Ganze
doch in seinem einheitlichen Charakter Be-
deutung. Es ist etwas darin, das den Räumen
Wert gibt. Das ist die Kultur, die sich darin
ausspricht. Die Mäßigung, das geschmackvolle
Arrangement, das Berücksichtigen der Bedürf-
nisse, gefällt. Hier und da spürt man die feine
Hand, den sorglichen Geschmack, der Kultur-
nähe herbeizaubert, ohne das Behagliche zu
negieren. In dieser Verbindung von Schönheit
und Brauchbarkeit, Modernem und Altem, das in
natürlicher Überleitung zueinander führt, sind
die Künstler und Architekten des Sächsischen
Hauses vorbildlich. Sie stehen da auf eigenem
Boden. Sie haben Charakter.
Es ist auch wohl zu erwähnen, daß das
Sächsische Haus das einzige ist, das der bil-
denden Kunst als solcher in einer Kunstabteilung
Unterkunft gewährt. Es ist eine kleine gewählte,
internationale Sammlung moderner Kunst, die
durch feinsinnige Anordnung in rechtes Licht
gesetzt ist, obgleich der Raum an sich wohl
zu niedrig ist.
Die Sächsische Porzellanmanufaktur zeigt
in Kunst- und Gebrauchsgegenständen alte und
moderne Art ihrer Bestrebungen, wobei man
immer noch unbedingt den alten Mustern den
Vorrang gibt. Freilich soll man sie nicht nach-
ahmen. Neues ist aber noch nicht gefunden.
Van de Veldes Entwürfe unterstreichen mit
ihrem Ornament in Gold die Form, sie machen
einen organischen Eindruck und wirken vor-
nehm, doch scheint die Form zu massig für
das feine Material. Gefälliger ist Riemerschmid,
dessen leichter, blauer Schmuck am Rand des
Geschirrs das Porzellan gut zur Geltung kom-
men läßt.
Schön wirkt der Hof mit der freien Öffnung
oben, die den Himmel sehen läßt, mit der
Statue des David von Hudler -j*.
WEIMAR.
In Weimar wirkt van de Velde. Er strebt
machtvolleren Eindruck in seiner Museums-
halle an. Sie ist mit Wandmalereien von
L. von Hofmann geschmückt. Der Zusammen-
klang des Ganzen kommt aber nicht zustande.

Das Holz der unteren Wandbekleidung geht
nicht mit dem Stuck des oberen Teils zusammen.
Es ist kein Übergang da, beides steht neben-
einander. Van de Velde denkt und konstruiert
zu viel, und was ihm fehlt, das ist der Farben-
sinn. Seine Konstruktionen wollen mit der
zwingenden Logik mathematischer Berechnungen
wirken. Kommt dann ein Anderes dazu, etwa
wie hier die Wandbilder, so fällt das Ganze
auseinander. Es erscheint dann barbarisch, so
kolossale Beleuchtungskörper in leuchtendem
Messing und buntem Glas anzubringen dicht
neben den in leuchtenden Farben strahlenden
Wanddekorationen L. von Hofmanns. Wozu
diese Übertreibung, die nur das Ganze stört?
In der Behandlung des Holzes leistet sicli
van de Velde Gewaltsamkeiten, die jedem natür-
lichen Formensinn zuwiderlaufen. Die Stuck-
bekleidung wirkt nur als leere Fläche und erhält
höchstens durch eine leicht anschwellende Linie
am Rande Schmuck. Diese Bescheidung wäre
zu loben, ständen nicht diese leeren weißen
Flächen im geraden Widerspruch mit den Ge-
mälden, die in tiefen Farben gehalten sind.
Hier herrscht ein helles Grün und ein tiefes
Violett, und aus diesen Farben heraus und für
diese Farben hätte der Raum gestimmt werden
müssen. Sieht man also die eigentliche Eigen-
schaft des Raumkünstlers in dem einheitlichen
Zusammenfügen aller Teile, so schneidet van
de Velde nicht gut ab. Denn er versagt gerade
dabei. Wand und Bild gehen nicht zusammen.
Aus dem Stil der Bilder spricht eine ganz
andere Art. Und da sie hier als Hauptfaktor
wirken, hätte der Raum darauf abgestimmt
werden müssen. Tatsächlich sind nun in diesem
Raum, der etwas Gekünsteltes, Schwülstiges,
und da, wo er einfach ist, etwas GewoIItes hat,
die Bilder das Beste. Sie haben in ihren
schönen grünen und violetten Farben, in ihrer
diskreten Tönung eine fröhliche, gedämpfte
Harmonie voll Schwung und Kraft, so daß in
Farbe und Form das Inhaltliche freie Gestaltung
gewinnt, das Tanz und Spiel nackter Jünglinge
und Mädchen in Frühlingslandschaften zeigt.
Die leichte Schönheit dieser Linien tritt in
argen Widerspruch mit dem verzwickten Ge-
füge der Wandbekleidungen. In der Form be-
merkt man, daß van de Velde von seiner ge-
schwungenen Linie abkommt und sich mehr
Behrens nähert. Das Rauchzimmer mit den
Bildern von Denis wirkt schwülstig, wie über-
haupt die Möbel van de Veldes oft einen ver-
quollenen Eindruck machen. Das Speisezimmer
in Weiß mit dem Schmuck der Vierecke läßt
an wienerische Intentionen denken.
MAGDEBURG.
Magdeburg verdient eine besondere Er-
wähnung. Die Räume, die Künstler wie
A. Müller und Dobert ausstellen, beweisen ein
gesundes, architektonisches Empßnden und
 
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