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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 12
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Fischer, Karl: Die Jubiläums-Ausstellungen in Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0274

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Christian Elsässer: Liegende Ziege. (Jubiläums-Ausstellung Karlsruhe.)

Abschnitt ein Ende machen. So vielerlei
Sachen sind lustiger anzusehen ais zu be-
schreiben!
Die Kunstaussteilung litt unter der Erinne-
rung an die prachtvolie Vorführung vor vier
Jahren. Sie war im Vergleich unausgiebig,
und im gieichen Sinne eine kieine Ent-
täuschung. Doch mag auch dies durch die Hast
des Zusammenbringens verschuldet worden
sein; zum Durchbruch kam doch viel starkes
und gesundes Leben. Der Einteilung nach
Vereinigungen will ich nicht folgen, doch muß
ich die ,,WiIden" zusammen nehmen. Ihre
Führer sind Ludw. Dill, Wilh. Trübner, Friedr.
Fehr, und mit ihnen stellen unter Anderen
aus Ludw. Schmid-Reutte, Herm. Junker, Rud.
Hellwag, Alfr. Schnars. Eine Gunst hin-
sichtlich der Kunst DiHs ließ man sich ent-
gehen. Seine 9 Bilder waren zum großen Teil
in die ausgestellten Zimmer gehängt und er-
wiesen sich da als dekorativen Schmuck vor-
nehmsten Ranges. Aber es gibt wohl kaum
etwas Interessanteres und für das Sehen-
lernen Eindringlicheres, als das Lebenswerk
eines bedeutenden Künstlers in seinen ver-
schiedenen Phasen vor sich ausgebreitet zu
sehen. Wie und wann Dill sich von der
Lokalfarbe abwendet, wie sich seine Ton-
malerei entwickelt, und wie nun — nach den
neuesten Bildern zu schließen — seine Palette
wieder reicher wird, das am Vorhandenen zu
vergleichen, würde zum Besten in der Aus-
stellung gehört haben. Über Trübner und
Fehr, ebenso über Junker, Hellwag und Schnars
bietet sich nichts Neues zu sagen. Weiteren
Kreisen noch wenig bekannt dürfte dagegen
Professor Schmid-Reutte sein. AIs Lehrer hat
er sich allerdings schon seit langen Jahren

den Ruf eines Zeichners allerersten Ranges
erworben; nun tritt er auch als produktiver
Künstler heraus mit einem Studienkopf und
dem Bildnis seiner Mutter. Die breite, saftige
Malerei, die energische Silhoueite in dem
auf das Notwendigste zusammengeschnittenen
Raum haben einen Zug zum Großartigen, der
begierig macht auf das, was noch kommen
wird. Ein Mutter-Bildnis hat auch Hans
Thoma noch nachträglich eingeschickt. Es
ist im Jahre 1873 gemalt und in seiner alt-
meisterlichen Klarheit und Würde wohl so
bekannt, daß die Nennung genügen mag. In
diesem Jahre entstanden ist eine Landschaft,
eine schwere Gewitterstimmung über dem
Waldrand und dem bewegten Kornfeld. Man
spricht viel von einer „besten Zeit" Hans
Thomas, die etwa in den 70 er Jahren liegen
soll. Man wird dieses 30 Jahre später ge-
malte Bild in seiner fabelhaften Schönheit
dazu rechnen müssen! Vor seinem großen,
sechsteiligen Weihnachtsbilde sitzen die Kopf-
schüttler, und sitzen Andere, die von dem
Bilde in seiner ungesuchten Feierlichkeit bis
ins Innerste erschüttert werden. Ach. wie
gut es tut, daß nicht alle Künstler eine gut
gemalte Spargel für ebenso wichtig halten,
wie eine Madonna. Wo bliebe sonst das ge-
rade von „Jenen" so heiß ersehnte Herbei-
strömen des Volkes zur Kunst? Dieses Weih-
nachtsbild versteht jedes Kind und hat es
lieb, und vor diesem Bilde wurde ein Spott-
vogel still, weil ihm alles wieder einßel, was
er einmal in junger, recht herzlicher Ehr-
furcht empfunden hatte. Das ist volkstüm-
liche Kunst, und mit ihr wird Hans Thoma
bestehen bleiben vor aller Zukunft. Wohl der
schönste Teil sind die heiligen drei Könige,

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