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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 12
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Schäfer, Wilhelm: Ein Plagiat?
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0290

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EIN PLAGIAT?

vorwerfen. Er hätte, was dort täppisch ge-
macht war, in die Formensprache der Kunst
erhoben und zu seinem unantastbaren Eigentum
gemacht.
So ist die ehrenwörtliche Erkiärung von
Bosselt, daß er die Figur von Pudor nicht ge-
kannt habe, kaum so interessant, wie vielleicht
nun Pudor oder ein harmloser Betrachter
meint. Nachahmen kann man in der Kunst
nur die Kunst, nicht das äußeriiche Motiv
oder den Stoff: das sind Dinge der Anschauung,
die jedem gehören. (Wohigemerkt, auch wenn
Bosseit die Figur gekannt hätte, er hätte nicht
einmai seinen Stoff daher gehoit, weii sein
Motiv, seine innere Absicht, kurz die Idee
seiner Statue gar nichts mit jener zu tun hat.)
Goethe hat seinen ,,Faust" ebenso gestohien,
wie Shakespeare seine Motive stahl. Wenn
er aber dem kecken Heinrich Heine übel
nahm, daß der sich trotz und nach ihm mit
einem Faust beschäftigte, und wenig anderes
ais dies ihm zu sagen wußte, war es schweriich
die Emphndiichkeit von Pudor, der sein Motiv
piagiiert sieht, sondern der Stoiz eines Künst-

lers, der mit dem ,,Faust" ein von ihm und
seinem Wesen untrennbares Symbol zu schaffen
gegiaubt hatte, dem dieser sagenhafte Zauberer
durch seine Kunst nun für aiie Zeit verfaiien
war. Vielieicht nimmt Pudor das gieiche für
sich in Anspruch und so muß man aiien
Diiettanten eriauben, von Piagiaten so lange
zu jammern, bis sie vergessen sind. Ich aber,
wenn ich Bildhauer wäre, der seinen ,,Cham-
pion de Mons" im Jahre i8g6 gesehen hätte und
dadurch angeregt worden wäre, ein Sinnbiid aus
der Stellung eines Mannes zu machen, der die
Hände im Nacken verschränkt: ich würde mich
den Teufei um das Piagiatgejammer kümmern,
wie ich mich in den bescheidenen Kreisen
meiner eigenen Kunst nicht um die Rechte der
Nichtkönner an irgend einem von ihnen angeb-
iich erfundenen Vorgang kümmere, sondern
unbekümmert erzähie, wo etwas für mich zu er-
zähien ist. In der Kunst entscheidet die Kunst,
wer sich darin nachgeahmt sieht, wird viel-
leicht lächein, niemals schreien: Die Welt ist
vogeifrei, wer ein Ding am besten macht,
dem gehörts undkeinem andern. w. Schäfer.
 
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