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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 30.1920

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Heft 1
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Bender, Oswald: Zu den Bildwerken Hermann Hallers
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https://doi.org/10.11588/diglit.26486#0026

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Abb 4. Hermann Haller (1916). Tanzerin (Bronze, 50 eni hoch).

weit entgegen. Die lyrische Ergrisfenheit von den
großen nnd in sich selbst ruhenden Formen des mensch-
lichen Körpers spricht noch heute zu jedem sühlenden
Auge.

Es entstanden Bildwerke wie der schöne männliche
PortratkopH der stehende weibliche Dreiviertelakt, die
sitzende Frau und andere, die wir hier nicht zeigen können,
und von denen einige sagen, daß sie zu Hallers überhaupt
besten Arbeiten gehören.

Aber wie alle archaische Kunsi am Ansang einer Ent-
wicklung steht, so wird auch hier die Einsachheit nicht dem
Prozeß allmählicher Aurückführung einer Vielheit aus
die Einheit verdankt, die den Eintritt organischer Reife
ankündigt. Sondern der Künstler, der seine Jugend
dem Ansturm aus die Sinne nicht gewachsen fühlt, der
in dem ungeheueren Reichtum vielsältiger Gestalt sich
zrl verlieren fürchtet, schützt sich durch einen Akt der Not-
wehr. Er vereinfacht bewußt, sich stützend aus eine
fruchtbare Theorie odery wie in guten Kunstzeiten, auf
die überlegene Konvention. Der Wille zur Kunst ist
stärker als das Temperament und bändigt auch den
Wagemut einer sonst stürmischen Jugend. So wird der

Künstler Herr über die Sinnenwelt und von einer frühen
Reife, die süß und verführerisch ist, wie immer.

Aber es hilft nichts, sich gegen das Leben mit der
harten Schale zu panzern. Einmal muß die Sinnenwelt
passiert werden, sonst droht die Verkalkung, Erstarrung,
die Manier. Vielleicht, nachdem er im Kreis herum-
gelaufen ist, wird auch Haller, sehr viel reicher, sich wieder
seinen Anfängen nähern. Aber fürs erste muß er dicht
an die Natur heran, er muß den „Gegensiand erschöpfen".
Das Jch tritt hinter das Werk, das subjektive Erleben der
Natur, des menschlichen Körpers wird abgelöst von der
Bcnrührlng, den Reichtum an Naturform einmal in die
Erfahrung des Auges und des Gefühls aufzunehmen,
damit jede Laune des Gestaltens, jede Ergriffenheit des
Gemüts durch ein gefügiges Handwerk eingefangen
werden kann.

Der Künstler, der nicht nur durch Talent berufen,
sondern durch den Besitz einer schöpferischen Seele aus-
erwählt ist, geht diesen Weg nicht, ohne zugleich Monu-
mente des Erlebens om Wege stehen zu lassen. Mit dem
Abessynier, den weiblichen Figuren für das Aürcher
Kunsthaus, ist ein weiter Schritt getan. Aus tiefer Er-

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