Karl Albiker.
Giebelfeld für ein Konzerthaus in Karlsruhe.
Karl Alblker
ein deutscher Bildner.
llein die Gestalt lebt!" Was wir empfanden, wird
ebenso für ewig versunken sein wie die Erschei-
nung, die durch unsere Sinne einging und diese
Empfindung weckte. Nur was Gestalt wurde in dieser Welt
des Raums/vermag über den Augenblick hinaus in die Aeit
Kunde zu bringen. Weil wir im ewigen Kampf stehen mit
dem ungelösten Rätsel unseres Daseins und dem, was
unsere Sinne davon wahrnehmen,darumist unser Leben
ein einzigerDrang nach Gestalt;jederlebtindiesemDrang,
„sich zu fühlen", das heißt seiner inne zu werden, zu
wisfen um den Gedanken Gottes, der in ihm lebendig
wurde. Darum ist der Drang nach Gestalt, nach dem
sichtbar gewordenen Gedanken, der Jdee, immer am
Werk. Sei es im Leben des Einzelnen in der Liebe,
sei es in der Menschheit in der Kunst. Immer neu sieht
sich der Mensch hineingestellt in diese Welt der sinnlich
wahrnehmbaren Erscheinung, deren Wirklichkeit ihn un-
ausgesetzt bestürmt, mit der er sich immersort ausein-
andersetzen muß. Je stärker nun der Gegensatz ist zwischen
dem, was geschieht, also dem, was die Sinne uns ver-
mitteln, und dem, was die Seele davon zu erkennen
vermag, desto stärker muß der Drang sein, das Empfundene
zu fassen, zu formen. Aeiten, in denen dieser Gegensatz
gering oder sast ausgehoben ist (es kann dies eine glück-
liche Beschasfenheit der Daseinsbedingungen sein, wie
es zeitweise bei den Griechen war), werden diesen Drang
zur Form fast in Einklang bringen können mit sich selbst.
Sie werden sich selbst so einig sinden mit dem, was ihre
Sinne ihnen vermitteln, daß sie nichts auszudrücken
wünschen als die Lust an ihrer sinnlichen Eristenz,
vielleicht geadelt, geläutert, aber durch keinen Aweisel
an der Wohlbeschaffenheit ihres Seins ins Übersinnliche
gedrängt. Notwendig muß eine Aeit, wie die unsere,
deren Wirklichkeit über die Maßen erschüttert ist, die uns
hinauswirft aus aller Einigkeit mit uns selbst, daß wir
qualvoller denn unsere Väter vor uns nach dem Sinn
derGeschehnissesuchen,notwendigmuß einesolcheAeitden
Drang zur Form starker aufweisen als andere. Es ist nicht
nur scheinbar, daß die Frage der Kunst dringlicher gestellt
ist; nicht der Wunsch, sich in eine Welt der Romantik
zu flüchten ist es, der heute die O.ual der Gegensatze in
eine Form gebunden zu sehen verlangt. Alle Aeiten haben
einzig in der Form, in der Gestalt, sagen wir nun in der
Kunst, die sie schufen, den Ausdruck gesucht für den
Willen, der darin lebendig war. So ist die Geschichte
der Kunst eine einzige Geschichte der Leidenschaft, des
Willens zumAusdruck. Wiedie Wellenbewegungendieser
Geschichte hin und her schwingen zwischen der kindhaften
Einigkert des mct seinen Sinnen in Einklang lebenden
Ieitalters und der zerrissenen O.ual anderer Aeiten, die
Giebelfeld für ein Konzerthaus in Karlsruhe.
Karl Alblker
ein deutscher Bildner.
llein die Gestalt lebt!" Was wir empfanden, wird
ebenso für ewig versunken sein wie die Erschei-
nung, die durch unsere Sinne einging und diese
Empfindung weckte. Nur was Gestalt wurde in dieser Welt
des Raums/vermag über den Augenblick hinaus in die Aeit
Kunde zu bringen. Weil wir im ewigen Kampf stehen mit
dem ungelösten Rätsel unseres Daseins und dem, was
unsere Sinne davon wahrnehmen,darumist unser Leben
ein einzigerDrang nach Gestalt;jederlebtindiesemDrang,
„sich zu fühlen", das heißt seiner inne zu werden, zu
wisfen um den Gedanken Gottes, der in ihm lebendig
wurde. Darum ist der Drang nach Gestalt, nach dem
sichtbar gewordenen Gedanken, der Jdee, immer am
Werk. Sei es im Leben des Einzelnen in der Liebe,
sei es in der Menschheit in der Kunst. Immer neu sieht
sich der Mensch hineingestellt in diese Welt der sinnlich
wahrnehmbaren Erscheinung, deren Wirklichkeit ihn un-
ausgesetzt bestürmt, mit der er sich immersort ausein-
andersetzen muß. Je stärker nun der Gegensatz ist zwischen
dem, was geschieht, also dem, was die Sinne uns ver-
mitteln, und dem, was die Seele davon zu erkennen
vermag, desto stärker muß der Drang sein, das Empfundene
zu fassen, zu formen. Aeiten, in denen dieser Gegensatz
gering oder sast ausgehoben ist (es kann dies eine glück-
liche Beschasfenheit der Daseinsbedingungen sein, wie
es zeitweise bei den Griechen war), werden diesen Drang
zur Form fast in Einklang bringen können mit sich selbst.
Sie werden sich selbst so einig sinden mit dem, was ihre
Sinne ihnen vermitteln, daß sie nichts auszudrücken
wünschen als die Lust an ihrer sinnlichen Eristenz,
vielleicht geadelt, geläutert, aber durch keinen Aweisel
an der Wohlbeschaffenheit ihres Seins ins Übersinnliche
gedrängt. Notwendig muß eine Aeit, wie die unsere,
deren Wirklichkeit über die Maßen erschüttert ist, die uns
hinauswirft aus aller Einigkeit mit uns selbst, daß wir
qualvoller denn unsere Väter vor uns nach dem Sinn
derGeschehnissesuchen,notwendigmuß einesolcheAeitden
Drang zur Form starker aufweisen als andere. Es ist nicht
nur scheinbar, daß die Frage der Kunst dringlicher gestellt
ist; nicht der Wunsch, sich in eine Welt der Romantik
zu flüchten ist es, der heute die O.ual der Gegensatze in
eine Form gebunden zu sehen verlangt. Alle Aeiten haben
einzig in der Form, in der Gestalt, sagen wir nun in der
Kunst, die sie schufen, den Ausdruck gesucht für den
Willen, der darin lebendig war. So ist die Geschichte
der Kunst eine einzige Geschichte der Leidenschaft, des
Willens zumAusdruck. Wiedie Wellenbewegungendieser
Geschichte hin und her schwingen zwischen der kindhaften
Einigkert des mct seinen Sinnen in Einklang lebenden
Ieitalters und der zerrissenen O.ual anderer Aeiten, die