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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 30.1920

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Heft 1
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Schäfer, Wilhelm: Das Schulbuch der Götter: aus der Geschichte der deutschen Seele
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Schäfer, Wilhelm: Die alten Meister: aus der Geschichte der deutschen Seele
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https://doi.org/10.11588/diglit.26486#0047

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Die allen Meisker.

Dann steht er allein auf der Walstatt der Götter,
Surtur der Sieger aus Süden, und zückt mit der zischen-
den Glut seines Schwertes den Brand aus der Wvh-
nung der Vanenbezwinger.

Bis an die höchsten Rander der Welt züngeln Muspils
gierige Flammen; die aus Urgebraus kam, aus dem
rauschenden Naß durch die Scheidung der Mächte: die
Welt der s'chuldvollen Götter brennt hin in der letzten
Entscheidung.

Wiederkunft.

Einmal wird die Lohe verlöschen; aus dem gestillten
Meer hebt die Erde von neuem ihr Antlitz gegen den
Himmel.

Die Flut wird kühl und verrinnt; im grünen Kleid
wie zuvor prangen die Täler und Berge; auch blühen
die Blumen im Gras.

Denn die Sonne steht wieder im Blau; ungesät
wachsen Halme und Ahren; im Holz des Welteschen-
baums haben sich Leben und Leblust gerettet, die Ahnen
künftiger Menschheit.

Baldur ist heimgekehrt aus dem Verhängnis der
Hel, und Hoenir kam wieder, die Geisel der Götter:
Vanen und Asenkinder vereint spielen im Gras mit den
goldenen Tafeln, wie vormalö die Väter.

Schuld und Schicksal beschatten nicht mehr die ruhe-
los drängenden Tage; nach ewigem Gleichmaß schreiten
die Stunden im Glanz der neuen Gestirne.

Der im Anfang war und ewig sein wird, der Starke,
kam wieder von oben: in unverrückbarer Schwebe hält
Er dem Dasein das Recht über dem ewigen Abgrund.

ie alten Meister.

Aus der Geschichte der deutschen Seele.
Von Wilhelm Schafer.

Die Schilderzunft.

Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleich-
nis machen, sprach das Gebot; aber die Heiligen standen
in Stein an den Pforten, und am Hochaltar hing,
holzern ans Kreuz geschnitzt, der Erlöser.

Auch waren Gewölbe und Wände bemalt mit den
Bildern der kirchlichen Gnade; die heiligen Gestalten
gingen in farbig getönten Gewändern, rmd die tröst-
lichen Aeichen der Hinrmelsverheißung schmücktcn die
Felder der Vierung.

Tief aber glühten die Tafeln mit goldenen Gründen,
darauf im Troß ihrer englischen Knaben die Himmels-
königin selber das bunte Farbenkleid trug.

Sie Hielt das Kind anf dem Schoß und war ihm die
lächelnde Mutter, wie sie der sündigen Menschheit die
huldreiche Fürsprecherin war.

Ein Schild hießen sie solch eine Tafel, künstlich anf
Goldgrund gemalt, und alle Schilder der Ritter waren
im bunten Wappen gewirkt nicht so schön wie der Schild
mit dem Bild der holdseligen Iungfrau.

Die kölnischen Meister der Schilderzunft kannten
zuerst das köstliche Wunder, einem Spiegelbild gleich die
süße Erscheinung zu malen, mit sauberem Pinsel auf eine
Tafel von Holz; aber der Augenstern stand leibhaftig
darin und lächelnd der liebreiche Mund.

Sie lockten das himmlische Wunder hinein in den
staunenden Tag, Wirklichkeit wurde, was in den Worten
der Priester und im Prunk ihrer Gesänge die gläubigen
Herzen ahnend erfüllte.

Kunstreiche Meister und ihre Gesellen hoben das
Werk ihrer Hande hoch in dcn Ruhm; die Schilderzunft
kam ins Glück, als sie dem Himmel die Farben und
seinem ewigen Glanz einen Schimmer zu stehlen ver-
mochte.

Der Genter Altar.

Aber die Wirklichkeit wollte den Tag, und der ewige
Sinn sank im ewigen Wandel der Sinne.

Die himmlische Ferne verschwand in der irdischen
Nähe, und irdische Augen begannen sie warni und froh
zu betrachten.

Gott saß im Hincmel und hörte die englischen Heer-
scharen singen, aber der Mensch ging im Menschengewand,
die Erde blühte mit irdischen Blumen, und wo eine
Stadt war, füllte das Tagwerk die Gassen.

Ein Bürger zu Gent wollte der Kirche Sankt Bavo
einen Schilderschrein stiften und Hubert van Eyck kam
aus Brügge, die Tafeln zu malen:

Gott Vater thronte als König des Himmels in ein-
samer Stille, nur das Lamm bot sich der gläubigen
Anbetung dar, darüber die Taube des Heiligen Geistes
die ewige Glorie strahlte.

So dachte Hubert van Eyck den Altar zu malen,
er hatte die Tafeln mit sehnsüchtiger Andacht gestellt,
da ließ ihm das Siechtum den Geist und die Hände er-
matten.

Jan aber, sein jüngerer Bruder und Helfer, malte
den Bilderschrein fertig; er kannte das Werkstattgeheim-
nis, mit zarten Lasuren die Gründe leuchtend zu machen,
daß sie in gläserner Helle und frischer Farbigkeit standen.

Aber er liebte den Tag und die Wirklichkcit, und wo
seinen Bruder die Sehnsucht der Ferne verzehrte, stand
er getrost in der Nähe und sah das Einzelne gern.

Er malte die Wiesen mit blühenden Blnmen und
inalte den Himmel im zärtlichen Blau, er malte die
Falten im Felsgestein und malte das Laub an den
Baumen.

Er malte den Reitern reiche Gewänder und die Rosse
stolzierten im Schmuck der Schabracken; er malte den
singenden Engeln schwellende Lippen und gab dem
Notenpult köstlichen Aierat.

Er malte Gott Vater im Prunkgelvand seines Welt-
königtums; und daß seinen Tafeln die Herkunft des
Fleisches nicht fehle, stellte er Adam und Eva hinein
in gänzlicher Nacktheit.

Alles war naheste Wirklichkeit, mit fröhlichem Eifer
betrachtet; alles war irdisches Glück, mit frohen Augen
genossen; alles >var sinnlicher Glanz, aus köstlichen
Farben geflossen.

So zog das himmlischc Dasein in Gent ein lvelt-
liches Bürgerkleid an; so fand sich die Kunst in den Tag,
als Jan van Eyck in Sankt Bavo den frommen Altar
seines Brnders zum fröhlichen Bilderschrein malte.

Der Spiegel der Wirklichkelt.

Was in Sankt Bavo geschah, wurde Saat allerorten:
überall waren Bürger aus Wohlstand in Reichtum ge-
raten und wollten Gotr und sich selber zu Ehren den

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