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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 30.1920

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Heft 4
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Schäfer, Wilhelm: Heinrich Altherr
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https://doi.org/10.11588/diglit.26486#0167

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Heinrich Altherr. Jesus im Kahn.

Heinrich Altherr.

enn die Könige bauen, haben die Kärrner
zu tun! Nirgend sonst scheint das Wort
eine so unheimliche Geltung zu haben
wie in der bildenden Kunst. Jeder von uns, der
die letzten Jahrzehnte der modernen Malerei offenen
Auges mit ansah, konnte zwei peinliche Beispiele
dafür erleben. Iuerst kam der Jmpressionismus und
wurde wie ein neues Evangelium der Kunst gepredigt:
aber was er bringen sollte, war von den Franzosen langst
gebracht, als die hitzigen Iünger in Deutschland die Bot-
schaft verkündigten. Manet und Monet, Degas und
Renoir waren seine Könige und Propheten gewesen, und
der einzige in Deutschland, der an ihren Rang heran-
reichte, Mar Liebermann, stand deutlich genug als ihr
Nachfolger da. Das gleiche Scherzspiel wiederholte sich
mit dem sogenannten Erpressionismus; wenn rnan nach
den Gebarden seiner Jrurger gehen rvcllte, hatten sie ihn
selber erfunden; in Wirklichkeit aber stellt alles, was sie
wollen, doch nur einen Abguß dessen dar, was van Gogh,
Gauguin, Cezanne, Picasso rnrd vielleicht noch Matisse
vor ihnen machten.

Mit dieser Bemerkung soll das, was sich als Mittel,
Anschauung und Iiel der 'Malerei in beiden Bewegungen
entwickelte, keineswegs herabgesetzt oder gar geleugnet
werden. Sie waren keine Spielereien, sondern Notwen-
digkeiten, durch welche die nroderne Malerei überhaupt
erst wieder ihr Daseinsrecht neben der alten gewann;


und diese Notwendigkeit soll nicht nrrr den Königen zu-
geschrieben werden, sondern auch den Kärrnern, die durch
die emsige Arbeit ihrer Nachahmrrng die Könige erst
populär machten. Nur das Geschrei der also Beschäftig-
ten nruß auf seinen wirklichen Wert zurückgeführt werden;
und zwar darrrnr, weil dieses Geschrei die Arbeit jener
verdunkelt, die sich — wie es jene Großen taten — auf
eigene Farrst bemühten, zur großen Kunst vorzudringen.
Wenn wir Deutschen etwa an die Namen Marees und
Böcklin, Leibl und Menzel, Thoma rrrrd Trübner,
Hodler urrd Buri denken, so wissen wir genarr, was
damit gemeint ist. Keirrer von ihnen hat so viel Schule
gemacht, d. h. keiner hat derr Kärrnern so viel zu tun
gegeberr, wie die genannten Franzosen; aber damit ist
noch lange nicht bewiesen — wie das Geschrei der Kärrner
scheinen macht — daß sie keine Könige gewesen seien.
Es gibt auch im Reich der Kunst ungekrönte Könige; als
Dichter war etwa Hölderlirr ein solcher, der durch die
Kärrner der Romantik verscholl, um über all ihr Geschrei
hinaus irr unseren Tagen unheimlich lebendig zu werden.

Um nur den letzten Großerr, Ferdinand Hodler, als
Beispiel zu nehmen, so sieht man schon heute in der
Schweiz — wo er doch zuerst Schule gerrug machte —,
wie sich die Iugend über ihn hinwegsetzen möchte; bei
uns in Deutschland ist er ja kaum zur Wirkung gelangt.
Letzten Grundes nur, weil er in das Feldgeschrei der
Kärrner nicht paßt; denn wer will behaupten, daß durch

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