Heinrich Altherr.
irgendeine ihrer sogenannten Errungenschaften sein Wert
herabgesetzt sei! Gerade er zeigt aber auch, welcher Art
die Könige sind: was sie machen, war vorher nicht in der
Welt und letzten Grundes auch nachher nicht. Das
stimint für Hodler nicht anders als für Cozanne, van Gogh
und Renoir auch. Irgendwo beginnen diese Manner, von
der Tradition ausgehend, ihr einen Weg zu suchen, und
zivar den, den ihnen ihr Jnstinkt vorschreibt. Sie kommen
durchaus nicht firfertig zum AieI sie suchen und tasten,
bis sie eines Tages — um mit Hodler zu sprechen —
ihren eigenwilligen
Kopf durch die Wand
gedrückt haben, die
zwischen ihnen und
der Natur stand.
Dann freilich zeigt
sich, daß sie durchaus
nicht eigen-, sondern
gesamtwillig >varen,
daß ein Jnstinkt der
Entwicklung sie lei-
tete, der als Prinzip
allgemein gültig sein
wilst und dies bei den
Kärrnern auch wer-
den kann, nur nicht
bei den Königen,
>veil ihnen immer
wieder das Geschick
auferlegt wird, ior
eigenes Königreich
zu erwerben.
Es mag anmaßend
scheinen, wenn für
einen noch so imRin-
gen steckenden Künst-
ler wie Heinrich Alt-
herr, den gegenwar-
tigen Direktor der
Stuttgarter Akade-
mie, einsolcherMaß-
stab der Schätzung
herangeholt wird. Er
sollaberauchgarnicht
damit gemessen,son-
dern tiur gegen das
Geschrei der Kärrner
geschützt werden, die
es mit ihrer Arbeit
natürlich bequemer
haben als er, der niit unendlicher Bemühung sein eige-
nes Königtum sucht. Jn Stuttgart war eine Ieitlang
Hoelzel der Mann, der den K'ärrnern zu tun gab, ob-
wohl er selber mehr Prophet als König war. Der sich
selber einen Erperimentator und Wegbereiter nannte,
wird ja nun endlich auch als Künstler geschätzt, aber seine
wirkliche Figur gewann er durch seine Lehrleidenschaft.
Vielleicht nie hat die deutsche Kunst einen so leben-
digen Lehrer gesehen: das hat der Residenz Stuttgart
— sehr gegen den Willen ihres Hofes — eine künst-
lerische Iugend gebracht, die eine Ieitlang nicht ihres-
gleichen in Deutschland hatte. (Nun hat die Revolu-
tion freilich diesen weißhaarigen Jüngling in Pension
geschickt, was für ihn nicht nur den Verlust seines
Amtes, sondern auch seines Ateliers mit sich brachte,
sodaß einer der verdientesten Künstler Deutschlands sicb
mit bedeutenden Plänen in eine Stube gesperrt sieht.)
Unter dieser Jugend malt und lehrt nun Heinrich Alt-
herr, der in der Lebensluft Thomas, Trübners und Dills
aufwuchs und diese Herkunft auch bis heute nicht ver-
leugnet, zwar so, daß er sich der Anregung Hoelzels
nicht verscbloß und
also als Lehrender
ein Lernender blieb
— wie es immer
sein sollte — aber
nicht einen Augen-
blick bereit war, sei-
nenWegzuverlassen,
wie ibn der Instinkt
ihni vorschrieb.
Heinrich Altherr
hat sich früh zur
Monumentalmalerei
gewandt, wie seine
BilderinderPaulus-
kirchezuBasel,seiner
Heimatstadt, dartun.
Jn dieser Absicbt war
er — wie beispiels-
weise der junge
Hodler aucb — durch
malerische Begabung
gehindert. Ein Bild
wie„JesusimKahn"
(Abb. 1) ist gewiß
vortrefflich kompo-
niert, aber malerisch
empfunden; seine
Hauptwirkung liegt
in der tonscbönen
Farbigkeit. Von hier
aus hat Altherr den
Weg zur monumen-
talen Größe zunächst
in einer Verein-
fachung, sowohl der
Farben wie der For-
men gesucht, wie sie
seine Skizze „Der
barmherzige Sama-
riter" aufweist (Tafel I). Auch in der schwarzweißen
Abbildung wird deutlich genug, wie die Farbigkeit in
ein silbergraues Licht zurückgesunken ist. Ein größerer
Vorzug freilich liegt in der Bildform selbst; wäbrend sie
bei dem erstgenannten Bild allzusehr am Rahnien klebt,
hat sie sich bier gewissermaßen auf sich selbst besonnen,
im richtigen Gefühl, daß die Begrenzung durch den
Rahmen nur das aussprechen kann, >vas in der Bild-
form liegt. Diese selbst — drastisch gesprochen — muß
ihren Rahmen gegen die Umwelt ziehen, um so dem
Gefübl cindringlich darzutun, daß sie kein Ausschnitt,
Heinrich Altherr. «Linsiedler.
158
irgendeine ihrer sogenannten Errungenschaften sein Wert
herabgesetzt sei! Gerade er zeigt aber auch, welcher Art
die Könige sind: was sie machen, war vorher nicht in der
Welt und letzten Grundes auch nachher nicht. Das
stimint für Hodler nicht anders als für Cozanne, van Gogh
und Renoir auch. Irgendwo beginnen diese Manner, von
der Tradition ausgehend, ihr einen Weg zu suchen, und
zivar den, den ihnen ihr Jnstinkt vorschreibt. Sie kommen
durchaus nicht firfertig zum AieI sie suchen und tasten,
bis sie eines Tages — um mit Hodler zu sprechen —
ihren eigenwilligen
Kopf durch die Wand
gedrückt haben, die
zwischen ihnen und
der Natur stand.
Dann freilich zeigt
sich, daß sie durchaus
nicht eigen-, sondern
gesamtwillig >varen,
daß ein Jnstinkt der
Entwicklung sie lei-
tete, der als Prinzip
allgemein gültig sein
wilst und dies bei den
Kärrnern auch wer-
den kann, nur nicht
bei den Königen,
>veil ihnen immer
wieder das Geschick
auferlegt wird, ior
eigenes Königreich
zu erwerben.
Es mag anmaßend
scheinen, wenn für
einen noch so imRin-
gen steckenden Künst-
ler wie Heinrich Alt-
herr, den gegenwar-
tigen Direktor der
Stuttgarter Akade-
mie, einsolcherMaß-
stab der Schätzung
herangeholt wird. Er
sollaberauchgarnicht
damit gemessen,son-
dern tiur gegen das
Geschrei der Kärrner
geschützt werden, die
es mit ihrer Arbeit
natürlich bequemer
haben als er, der niit unendlicher Bemühung sein eige-
nes Königtum sucht. Jn Stuttgart war eine Ieitlang
Hoelzel der Mann, der den K'ärrnern zu tun gab, ob-
wohl er selber mehr Prophet als König war. Der sich
selber einen Erperimentator und Wegbereiter nannte,
wird ja nun endlich auch als Künstler geschätzt, aber seine
wirkliche Figur gewann er durch seine Lehrleidenschaft.
Vielleicht nie hat die deutsche Kunst einen so leben-
digen Lehrer gesehen: das hat der Residenz Stuttgart
— sehr gegen den Willen ihres Hofes — eine künst-
lerische Iugend gebracht, die eine Ieitlang nicht ihres-
gleichen in Deutschland hatte. (Nun hat die Revolu-
tion freilich diesen weißhaarigen Jüngling in Pension
geschickt, was für ihn nicht nur den Verlust seines
Amtes, sondern auch seines Ateliers mit sich brachte,
sodaß einer der verdientesten Künstler Deutschlands sicb
mit bedeutenden Plänen in eine Stube gesperrt sieht.)
Unter dieser Jugend malt und lehrt nun Heinrich Alt-
herr, der in der Lebensluft Thomas, Trübners und Dills
aufwuchs und diese Herkunft auch bis heute nicht ver-
leugnet, zwar so, daß er sich der Anregung Hoelzels
nicht verscbloß und
also als Lehrender
ein Lernender blieb
— wie es immer
sein sollte — aber
nicht einen Augen-
blick bereit war, sei-
nenWegzuverlassen,
wie ibn der Instinkt
ihni vorschrieb.
Heinrich Altherr
hat sich früh zur
Monumentalmalerei
gewandt, wie seine
BilderinderPaulus-
kirchezuBasel,seiner
Heimatstadt, dartun.
Jn dieser Absicbt war
er — wie beispiels-
weise der junge
Hodler aucb — durch
malerische Begabung
gehindert. Ein Bild
wie„JesusimKahn"
(Abb. 1) ist gewiß
vortrefflich kompo-
niert, aber malerisch
empfunden; seine
Hauptwirkung liegt
in der tonscbönen
Farbigkeit. Von hier
aus hat Altherr den
Weg zur monumen-
talen Größe zunächst
in einer Verein-
fachung, sowohl der
Farben wie der For-
men gesucht, wie sie
seine Skizze „Der
barmherzige Sama-
riter" aufweist (Tafel I). Auch in der schwarzweißen
Abbildung wird deutlich genug, wie die Farbigkeit in
ein silbergraues Licht zurückgesunken ist. Ein größerer
Vorzug freilich liegt in der Bildform selbst; wäbrend sie
bei dem erstgenannten Bild allzusehr am Rahnien klebt,
hat sie sich bier gewissermaßen auf sich selbst besonnen,
im richtigen Gefühl, daß die Begrenzung durch den
Rahmen nur das aussprechen kann, >vas in der Bild-
form liegt. Diese selbst — drastisch gesprochen — muß
ihren Rahmen gegen die Umwelt ziehen, um so dem
Gefübl cindringlich darzutun, daß sie kein Ausschnitt,
Heinrich Altherr. «Linsiedler.
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