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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 30.1920

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Heft 2
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Enders, Carl: Wilhelm Schmidtbonn
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Schmidtbonn, Wilhelm [Transl.]: Die Passion
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https://doi.org/10.11588/diglit.26486#0096

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Wilhelm Schmidtbonn.

dich sonst in Händen bciltend wie einen Spielball und jeHt klein
vor dir, ein Menschlein, verloren, winzig Stirn und Kinn.
Der ich dich früher umwachte mit Augen schlafloser Liebe, und
immer war mein Atem köstlich schühend um dich her:
schütz du mich jetzt, mit den Fingern scharre ich mir ein Grab in
dir, krieche in dich hinein wie zurück in den Schoß der Mutter,
wohlig und lautlos sehr.

Grcif, Crde, mit tausend Wurzeln in nücb, überschütte rnich mit
Kühle, zehre mich auf, mahle zu Sand mein Gebein und
Gesicht,

daß ich du bin, mit dir atmend, mit dir Gras näbrend, und aus
meinem Herzschlag wachst der Baum, stumm, wehrlos ins
Licht.

Jhr Engel, seligen Brüder, dic ihr strahlt durchsichtig, daß man
die Sonne des Herzens in eurer Brust sieht und daß meine
Menschenaugen daran versengen müßten,
laßt einen Hall eures Liedes herunterwehen, daß Gefühl des
Himmlischen in mich schlägt, Gift der Furcht in mir Wegfressend
mit Atem aus unirdischen Brüsten.

Hande, Hals, Stirn, Augen — seid nicht mehr ich, nicht mehr
Mensch, fallt ab von mir, Staub, daß mein Herz körperlos
schwebe über den Baumen und steige zu den fernen Sonnen-
gerüsten.

Übcr die originale Technik und Sprache des Drama-
tikers Schmidtbonn babe ich vor Jahren schon an anderer
Stelle geschrieben. Über seine Sprache und seinen
künstlcrischen Stil möchtchich mich wohl einmal besonders
äußern, wenn cs den Lcsern dieser Aeitschrift will-
kommcn ivarc.

Bekenntnisdicbtung im tiefsten und wcitesten Sinne
ist das gcsamtc Werk dieses wcit aus den begrenzenden
Bedingungen scincr Hcimat herausgewachsenen starken
Menschen und Dichters. Er gehört zu den Urnaturen, die
allcs aus dem Kern ihres Wcsens heraus entwickeln und
in ringender Selbstbefreiung ibre eigenen nur aus ibrem
Wesen ilnd Werden erklärlichcn Kunstmittel sich schaffen.
Es gibt wenig so originalc Erschcinungen unter dcn
heutigcn, wie ibn. Und cr gchört zu dencn, die nicbt
ruhen können, nie befriedigt sein könncn, bis sie ibr
Wescn ins Ewigc, Uncndliche poteirziert habcn, bis sie
dcn Anschluß gefundcn habcn an die Urkräftc der Welt
und des Göttlichen, die ihn: vernvandt sind. Er ist keine
intellektualistischc Natur, sondcrn cin Seber und cin
Opferer, der sich selbst darbringt, sich sclbst und die
Menschenbrüder, nein, dic Brüder in allen Elcmenten,
zu erlösen zu sich selbst.

Erlösungsgesange von dcn Fesseln und drückenden
Gcwalten des Lebens zu den Herrlichkeiten dcs Lebcns
sind denn auch scinc lyrischen Rhapsodien: „Lobgcsang
des Lebcns". Als solche begrüßt sie Berthold Litzmann
1911 im Litcrarischen Ecbo, ihren Rbytbmus als den
Lcbensrhytbnrus des 20. Jahrhundcrts charakterisierend.
Auch andere begabte Rhcinländer haben ihn inzwischcn,
von großcn Anregcrn wic Dchmel becinflußt, un-
gcbärdigcr, ungebändigtcr gcbört und gcbildct, wie Joscf
Winckler. Keiner abcr hat so die Gnadc der Vefreiung
gestaltet, ivie er, der seinc Gcsängc anbcbt mit dem
Lied des Drpheuö:

In dcin Boot, Tod, spring ich!

Platz, ihr Toten,
dcm Blumenbekränztcn!

Freude bringe ich euch,
ibr Toten!

Denn ich habe Kraft zur Freude in mir.

Aus meinen Augen,
aus meiner Stimme,
aus meinen Händen
entwächst Freude mir immer,
mich selber erstaunend.

Freude euch,

solange mein Lied laut ist!

Uns unglücklichen Deutschen von 1920 will es manch-
mal scheinen, als seien auch wir ins Totenreich zurück-
gesunken. Wir müsscn unser wahres Leben in uns wieder-
finden. Dazu brauchen wir auch dein Lied, du Seelen-
künder. Carl Enders.

ie Passion.

Das Mysterienspiel der Brüder
Arnoul und Simon Grebau.

Aus dem Französischen des Jahres 1452 frei übertragen
von Wilhelm Schmidtbonn*).

Daö zweite Bild.

(Die Bühne zeigt rechtä den Hof des Hauses Urions, links- eine
Quelle. Petrus komint mit Johannes und Iakobus, hinterher
Iudas.)

1.

Petrus

IohanneS, unser Meister hat gesagt:

„Mit neuem Sonnenglanz das Osterfest ist da,
wir wollen mit den Menschen kindlich feiern.

Geh, Petrus, mit Johannes und Jakobus heut
auf diesem Pfad, der durch den dichten Wein sich schlägt.
Jhr werdet bald da sehen einen Mann,
der auf der Schulter einen Krug mit Wasser trägt."
Iohannes

„Dcm folgt und trctet mit ihm in sein HauS
und dcm crstauntcn Hausherrn sagt ihr dies:

,Wir bittcn dich iin Namen unsres Herrn,
ivcis' einen großen Platz unü an,
ivo unscr Herr mit seinen Jüngern, andern Menschen
fern,

ein unbekümmert Osterfest begeben kann/

Dann ladct er euch ein zu Bank und Tisch."

(Hier kommt Piragmou mit einem Krug aus dem Hause und geh^
zum Bruuneu.)

Piragmon

Mcin Brunnen morgenrcin,

wie Knab aus Bett springst du aus Stein.

Was lacht aus meiner Hand dich an?

Ein Vrot, das Müde tanzen machen kann.

Das dunkle Brot, das Wasser klar —
ich mache euch zum Hochzeitspaar.

Mcin Lied wird von euch hell,
das ich dem Mädchen sing' zur Nacht,
dcm ich den Krug ins Haus gebracht.

(Er geht wieder ins Haus)

Petrus

Das ist der Mann, von dem der Meister sprach.

Jhm nach.

*) Verlag Egon Fleischcl L Co., Berlin.

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