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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 30.1920

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Heft 4
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Reinacher, Eduard: Alexia: ein Spiel zur Orgel
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https://doi.org/10.11588/diglit.26486#0203

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Ein Spiel zur Orgel.

Von Eduard Reinacher.

Ein Jnselstrand. Herdhütte am Meer. Wohnhütte weiter
im Land. Dahinter Wald. Jorinde und Matlns beim Herd
gelagert, Weinschalen eben abstellend. Mondschein.

Jorinde:

Bist du wach, Lieber? Bist du da?

O sieh mich an! O gib mir deine Hand!

Jch hatte deine Haare gern im Schoß,

Jch hätte deine Lippen gern am Ohr.

Mathis:

Flüstre scharf und laß mich schweigen!

Jorinde:

Mathis! Denn ich hab erkannt,

Daß du mich mit Flügeln fassest
Und bist weit und also reich,

Uberspannst noch meine Fülle . . .

Mathis:

Du gehst tief im Reichtum hin!

Jorinde:

Laß uns trinken! Da ist Wein
Aus einem Garten Mein-nnd-Dein,

Wein, daß wir ein Feuer machen
Und verbrennen einen Teil
Uberflüssiger Herzhabe!

Mathis:

Nimm und tinkr! Es duftet fein!

Jorinde:

O die läutige Blume!

Das ist mein Wein — das ist dein Wein —

Das ist dein Stahl zu meinem Stein,

Das ist mein Brand zu deiner Glut,

Das ist dein Ufer meiner Flut, ach!

Jch muß deine Arme auf mir haben,

Ach, dir geben freie Gaben!

Ach, nimm all! Ach, greif in mich!

Jch bin meerig! Sturm,

Mein Sturm, erwühle mich!

Mathis:

Wind und Sturm aus allen Erden,

Sing dich selbst, mein Traum und Werden!

Jorinde: -

Weißt du, was eine Ähre ist?

Weißt du, was heißt, Beeren quellen?

Was Leben auf der breiten Fähre ist.

Wankend schweben auf Wellen?

Weißt du meines Herzens Raum?

Meines Endlands Saum?

Weißt, ach, meine Sonnen?

Meine Körblein sind angefüllt,

Es laufen meine Bronnen,

Es wird in mich alles eingehüllt,

Cmpfangen und gewonnen!

Mathis:

(heimlich)

Welt in Seele, fein versponnen!

So spricht das Weib Empfängniswonnen —
Blume, hast dich gar erkannt?

Jorinde:

O Land, du bist dahier mein Land!
O Meer, gespült an diesen Strand,
Bist mein hier wie am fernen Sand,
Denn ich trag dich ohn Verlangen
Als in meiner Hand!

O Sand, du bist mein Sand,

O du Wald, ja du mein eigen,

Und ihr Steine, meine Steine,

Berg' und Häuser, mir entwachsen,
Welt aus meiner Jngestalt!

Mathis:

Jorinde!

Jorinde:

Jch bin weich, ich bin weit,

Meine Wurzeln allenthalben,

Daß ich trinken kann!

Labung, Labung! O mein Mann,

O du mußt auf mir bleiben,

Daß mein Hunger mich nicht vergißt!
Nach sanften Dingen dürste ich,
Tragen, Schwingen, Treiben, Weben,
Weiches Jneinanderleben,

Da ich offen bin!

Was ist, das ich nicht empfange!

Ha! Hier gießt euch all' in mich!

O Mond, mein Strahl,

Sanfte, helle Erde überall,

Rosenrotes Lager!

Meine Augen sind zugetan.

Denkst du dessen, Lieber?

Jch hab zur Mondnacht hell an dich
Gedacht, du nimmst mein Leben an.

Mathis:

Singe, Leben, sacht und froh,
Sehnsucht, hier und irgendwo!

Jorinde:

Alles ist bei uns, nichts ist im Weiten,

Es muß sich wie auf einem Mantel breiten,
Der Wald ist fern, Orion nah,

Hören und Schauen, Greifen: All und da!
Hör mich! Nun sind wir im Fernen,

Bei Nacht am Meere bei den Siebensternen,
Wir träumen an ein fernes Land,

Als wär ein Schiff zerbrochen,

Als lägen wir am Jnselstrand,

Dem tiefen Meer entbrochen
Jm Mondensaale.

Wir tränken Wein von Palmen

Und wären gar allein

Iusammen, Lippen voller Liebesmale,

Unf flüsterten wie scheuer Wind auf Halmen:
Sind wir weit fort oder, ach, daheim?

Mathis:

O daheim! O Land! O Schweigen!

Jorinde:

Willst du klagen? Bist du nicht daheim?

Heißt das daheim, ein Haus am Strande haben
Am Strande, nah der grauen Stadt?
 
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