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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 30.1920

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Heft 1
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Schäfer, Wilhelm: Die alten Meister: aus der Geschichte der deutschen Seele
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https://doi.org/10.11588/diglit.26486#0048

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Die allen Meifter.

Kirchenschmllck mehren; überatl hatle die Schilderzunft
fröhlich zu schaffen.

Einen Altar zu stiften, wurde der Ehrgeiz des Bürgers,
und seine Tafeln zu malen, das Meisterstück in der Aunft.

Wohl gab die Kirche allein die Legende, aber die
Bilderkraft sprang aus der Schau und dem fröhlichen
Tun des täglichen Lebens: die heiligen Manner und
Frauen des Morgenlandes mußten die Kleider und die
Sitten des Abendlandes tragen.

So wl>rde die Herkunft der Christenlegende zum
andernmal tapfer ins Deutsche versenkt: die Wälder und
Wiesen der Heimat sahen die Jüngerschar schreiten, und
die Burg des Hcrodes stand bei dem Münster der
gotischen Stadt.

Aber so wurde die Heilige Schrift auch der Spiegel,
in bunten Bildern das Leben der Bürger zu fassen, so
wurden die kostbaren Schreine der Kirchen die treuesten
Hüter der eigenen Wirklichkeit.

Da ritt der heilige Georg im blinkenden Panzer des
Ritters, da stand das Bett der Maria behäbig an der ge-
täfelten Wand, da wurde Lazarus wach auf dem Kirchhof
der Kreuze, da stand die Krippe im Stall, nach heimischer
Sitte aris Balken gefügt.

Wohl wuchsen auch Palmen, und Löwen waren den
Heiligen treu, aber sie blieben fremd und verscheucht,
indessen das heimische Gewächs und Getier sich unbe-
sorgt breit machte.

, Bäuerlich fränkische Häuser und städtische Gassen
und Stuben boten denr Bauer und Bürger den Vor-
rvand des heiligen Lebens, unbekümmert und selbst-
gefällig ins Bilderdasein zu treten.

Sie waren linkisch, dem kirchlichen Schauspiel zu
dienen, die Glieder fanden nur selten die rechten Ge-
bärden, und die Gesichter wurden der heiligen Hand-
lung nicht froh: aber sie taten ihr Werk mit Eifer, und wo
sie das Marterzeug brauchten, verstanden sie seinen Ge-
brauch.

Nicht einer der Aunft hatte die fröhliche Meisterhand
wieder, die den Altar von Sankt Bavo zum Spiegel
irdischer Glückseligkeit machte; es war ein linkisch ver-
stiegenes Dasein, grausam und vielmals verzerrt, und
mehr eine Fratze als ein schönes Abbild der Welt.

Aber es war in die glühende Pracht gläserner Farben
gegossen, und seine bunte Vielfältigkeit stand stark und
verzückt im Licht der gläubigen Einfalt.

Der Attar von Jsenheim.

Der Bilderschrein hatte den Bürger ins Schaubild
gestellt, die Wirklichkeit >var das Gewand der heiligen
Handlung geworden: da hob sich im Aorn eine Aauberer-
hand, dem Himmel das Seine zu geben.

Matthias Grünewald hieß der mächtige Meister,
Hofmaler des Bischofs von Mainz und ein Franke vom
Roten Main, der im Kloster zu Jsenheim, droben im
Elsaß, den Hochaltar malte.

Dem heiligen Vater der Mönche und Schutzherrn
der Tiere, Antonius, sollte der Altar geweiht s^in; aber
der Meister wollte den Urgrund aufreißen und im Mi-
rakel die Quellen der brünstigen Heiligkeit zeigen:

Gott war in Schmerzen geboren und war gekreuzigt
als Mensch, um aus der Nacht des irdischen Todes arch-
zuerstehn und strahlend zurück in den Himmel zu fahren.

Da waren die Tafeln zu klein, zu kläglich die Kleider
der Wirklichkeit, da mußten die Brunnen der Tiefe
aufbrechen mit feuriger Fülle, da mußte das ewige
Sein den glasigen Schein der irdischen Dinge durch-
leuchten.

Und so ivar die dreifache Tiefe des Altars gebaut:
gramvolles Dunkel lag auf der Welt, nur Golgatha stand
in beinerner Helle, als ob ein Blitz den Himmel durch-
bräche, den gekreuzigten Gott zu beleuchten.

Aber kein göttlicher Dulder hing an dem Holz, ein
gemarterter Leib und ein blutrünstiger Leib der Ver-
wesung; ein Schrei ging aus von den Frauen und ver-
zagte im Abgrund; nur Johannes der Täufer stand da
mit dem Lamm, der sündigen Menschheit das göttliche
Opfer zu weisen.

Gewaltig war so der Deckel des Buches gebildet,
der mitten wie Torflügel aufging, der schluchzenden Seele
die Herrlichkeit Gottes und das Wunder seiner Geburt
offenbarend:

Vier Tafeln standen wie eine im Morgenrot glühende
Wand vor den Augen der gläubigcn Christen; Orgel-
gewalt und Gesang der Mönche schwanden hin in der
Fülle farbiger Stimmen, wie ein Menschenruf übers
Meer klingt.

Der Tempel der himmlischen Mutter stand in der
Mitte aus Licht und Farbe gebaut und Lobgesang schwoll
aus den englischen Räumen; die Jungfrau saß selig vvr-
sunken davor mit dem Kind in der blühenden Land-
schaft, darüber Gott Vater im Himmel die Augen der
Liebe aufmachte.

Iur Linken wurde der Jungfrau das Wunder der
Gnade verkündigt, zur Rechten fuhr hell aus dem Kerker
des Grabes der Heiland: ein glühender Ball brach in die
Sterne der Nacht, darin die Lichtgestalt des Erlösers von
allen Feuern des Himmels beglänzt war.

So übermächtig war der Glanz und das Glück der
im Morgenrot glühenden Flachen, daß danach die Farbe
nichts mehr vermochte: wenn sich die inneren Flügel
auftaten, sianden die Heiligen stumm als gcschnitzte
Figuren inmitten der grellen Erscheinung.

Nur auf den inneren Flächen der letzten Torflügel
hatte der Meister das Glück und das Grauen der Welt-
entsagung gemalt: wie das Getier dem heiligen Antonius
diente, und wie das Höllengezücht ihn versuchte.

Erde und Hölle sprachen ihr Worl nach dem Himmel:
die Erde lockte mit üppiger Landschaft; die Hölle schrie
das grelle Getön ihrer scheußlichen Leiber; aber der
Himmel stand hinter den Flügeln mit seinem ewigen
Glück.

So war der Altar des Meisters gebaut, darin der
himmlische Iorn den Lllltag verscheuchte: die Tiefe der
brünstigen Seele brach auf und war kein schönes Abbild
der irdischen Glückhaftigkeit mehr, weil das ewige Wunder
nicht mehr den eitlen Traum der Wirklichkeit weckte.

Albrecht Dürer.

Als Wohlgemut Meister der Nürnberger Schilder-
zunft war, brachte ein Goldschmied seinen Knaben zu
ihm in die Werkstatt, weil der mit Eifer und Tränen zur
Malerei wollte.

Albrecht Dürer war er genannt, hiett fleißig die
Lehre, obwohl die wilden Gesellen des Meisters den

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