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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 30.1920

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Heft 3
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Schäfer, Lisbeth: Karl Albiker: ein deutscher Bildner
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https://doi.org/10.11588/diglit.26486#0128

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Karl Albiker. Entwurf zu einem Deukmal der Freiheitskämpfer in Freiburg i. Br.

an der Wirklichkeit ihrer sinnlichen Eristenz fast zerbrachen
nnd in die Ekstase ausschwingen mußten, das lehrt das
Ctudiuni dieser Geschichte. So lvenig aber der einzelne
Mensch frei ist, außerhalb seiner Aeit zu handeln,. wir
mögen an dieser Kette zerren so viel wir wollew so wenig
vermag der Künstler, der formgestaltende Mensch,
anderes zu bilden, aks das Problem seiner Acit von ihm
fordert. Wenn daher die Kunst unserer Tage für viele
von uns eine Schrift ist, die sich nur schwer entziffern läßt
weil geradezu ein tragischer Widerspruch zu bestehen
scheint zwischen dieser Kunst, die fast zu Runenzeichen
wurde, und der ungeheuren sinnlichen Wirklichkeit, die
wir sehen: so kann hier allein Wachsamkeit und Ebrfurcht
helfen, d:e Grenze zu erkennen, wo der leidenschaftliche
Wille zur Gestalt den Weg verlaßt, auf dem Jdee und
Gestalt einander zu finden vermögen. Denn, als Men-
schen bleiben wir gebunden an die Bedingtheit unserer
Sinne, diese einzigen Tore unserer Seele, auf deren arme
Aeichensprache sie angewiesen ist. Wo also der Künstler
dicsen Weg zu verlassen sucht, verirrt er sich,und seine
Gebärde bleibt stumm, seine Gestalt lebt nicht. Mithin
wären Worte zum Kunstwerk überflüssig, zum mindesten
können sie nichts hinzutun, wenn immer die Gestalt
Ausdruck der Jdee geworden ist. Höchstens der Künstler
vermöchte noch etwas dazu zu sagen, obwohl er damit
zugäbe, daß es ihm nicht gelungen sei, mit dem Mittel
seiner Kunst der Jdee zum restlosen Ausdruck zu verhelfen.
Trotzdem wird uns das Wort des Künstlers immer Wesent-
liches vom Kunstwerk sagen können. Damit fiele der
Wert und fast die Berechtigung jeglicher Schriftstellerei
über Kunst hin; und sicher ist, daß in der Übertragung
Scbopenhauers Wort, das er über alle Universitätstore
gesetzt wissen wollte: „Alles von, nichts über Kant zu
lesen", auch über alle Ausstellungen und Museen zu
schreiben wäre. Wenn nicht noch eine andere Aufgabe
bliebe, nicht durch Erklärung, Erläuterung, aber durch
Verkündigung die Vermittlung herzustellen zwischen
denen, die ferne stehen, sei es rein räumlich, sei es im
weiteren Sinn die Entfernung der Ungeübten, Fremden.

Nie können wir denen, die taub und blind sind, Augen
und Ohren geben; wer taub in diesen Dingen ist, wird
ewig taub bleiben,aber ivas wir vermögen,ist, die Augen,
die sehen können, hinzulenken auf das Sehenswerte
und dieses wiederum dorthin zu stellen, wo es von vielen
gesehen werden kann. Dies aus dem Geist zu tun, der
zündet, ohne den Eifer, der blind macht, das dürfte die
Aufgabe derer sein, die über Kunst zu schreiben oder zu
sprechen vermögen.

Wenn zu einer Wiedergabe von bildhauerischen
Werken des badischen Künsilers Karl Albiker diese Vorrede
nötig scheint, so ist damit gesagt, daß nur in diesem
Sinne etwas dazu geschrieben werden soll. Gerade Albiker
ist ein Bildner, dessen Werk spricht. Vermag der davor-
steht zu hören, das heißt, zu sehen, so wird er inne
werden, was es verkündet. Er macht nicht die Bekannt-
schaft eines interessanten Menschen, der von sich redet,
obwohl auch dies mehr sein kann als eine bloße Begeg-
nung, zum Erlebnis werden kann. Jch erinnere hier
an Klinger, der nur von dieser Seite zugänglich scheint.
Aber bei Karl Albiker wird es mehr, wird es etwas
anderes; es tut sich für einen Augenblick ein Spalt auf
und wir sehen ein Stückchen von der Herrlichkeit Gottes,
von Gottes Gedanken. Wie es immer da ist, wo Jdee
und Mittel einander erreichen, wo die Gestalt da ist.

Wer vermöchte vor seine „Trauernde" im Krema-
torium zu Hagen i. W. hinzutreten und ein Wort zu
finden, das mehr sagte als diese vom Gefühl im Schmerz
emporgeworfenen Arme, die durch die Erkenntnis von
der Unabänderlichkeit des Schicksals doch leicht belastet
scheinen! Einmal gesehen und empfunden, muß dies
Frauenbild unvergeßlich werden. Nie durch Worte zu
erklären, weil der Bildner den beinahe letzten Ausdruck
fand für die Erkenntnis seiner Seele; nicht wie die An-
tike durch eine Allegorie die Deutung einer Erscheinung
ist, sondern als geformte Gestalt für das Muß, für einen
Willen, den er darin erkannte. Vielleicht ist dies die
Eigenschaft, weshalb ich Karl Albiker einen deutschen
Bildner heiße. Obwohl Geltung und Lesbarkeit der

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