Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 30.1920

DOI issue:
Heft 1
DOI article:
Bender, Oswald: Zu den Bildwerken Hermann Hallers
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26486#0030

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Zu den Bildwerken Hermann Hallers.

sind jene 15 bis 40 crn langen Terrakottapüppchen, von
denen wir einige hier abbilden. Überraschend schnell,
manchmal in wenig mehr als einer Stunde, gelingt es
ihm, sie in allen großen Verhältnissen und bis in die
notwendigen Einzelheiten klar zur Fixierung der Jdee
zusammenzubauen. Sie gehören zu dem reizvollsten
Jnventar seines Ateliers.

Kein Wunder, daß ihm niemals bessere Porträts
gelungen sind, als gerade jetzt. Diese Köpfe sind beredt,
sie sagen alles Wesentliche, was man von dem Menschen
wissen soll, aber auch nicht mehr als dieses. Sie bewahren
ihre Haltung und zwingen den Beschauer zur Distanz.

So ist dieser Künstler, anders als die Mehrzahl
seiner Aeitgenossen, über die Abstraktion zur Sinnlich-
keit, zu einem Realismus gelangt, dessen letzte Möglich-
keiten immer noch nicht erschöpft scheinen. Auf einer
mittleren Linie wird er sich eines Tages mit den Besten
der heute Lebenden wüeder zusancmenfinden, dann

nämlich, wenn die andern aus ihrer Abstraktion wieder
zur Sinnlichkeit zurückgekehrt sein werden. Es bedeutete
geringes Vertrauen auf den „inneren Hausknecht",
wollte man bei Haller von einer eigentlichen Gefahr
sprechen. Aber manchmal geht er bis dicht an jene
Grenze, wo Naturnähe ein Werk bedroht. Eine Figur,
die man in Wochen entstehen sieht, ist, kurz bevor die
Hand zum letztenmal über den Ton streicht, einer Kata-
strophe am nächsten. Aber sein Kunstverstand ist so über-
legen, daß er im letzten Moment die Situation noch
rettet.

Jn diesem Augenblick ist Haller in die entscheidende
Epoche seiner Entwicklung und zugleich als ein Vierziger
in das beste Jahrzehnt des Mannes eingetreten. Und
eben schreibt er mir, daß er sich noch sehr als „unreife
Gurke" vorkomme. Dieses schöne Wort ist immerhin
ein Versprechen und überdies ein ganz echter Haller.

Dr. Ewald Bender.

Abb. 8.

Hermann Haller (1920). Blldnis (lebensgroß).
 
Annotationen