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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 30.1920

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Heft 1
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Schmid, Heinrich Alfred: Konrad Witz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26486#0034

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Konrad Wiß. Begegmmg von Ioachim und Anna (Basel).

der Farbe, die Prager durch Verständnis der Form aus,
aber ein sehr verwandtes Schönheitsideal wie bei den
Böhmen findet sich auch bei den Nürnbergern, am Mittel-
rhein, bei Gentile da Fabriano ilnd bei den nieder-
landischen Miniaturmalern Paul von Limburg und
seinen Brüdern, in der schwäbischen, bayrischen und
tirolischen Plastik. Ganz auffallend ist auch die allcn
gemeinsame Freude an schöngeschwungenen Gewand-
falten und Gewandsäumen im Norden wie im Süden.
Der Ausammenhang der Kunst Ghibertis mit der eines
Kolner Plastikers und Goldschmiedes, der in Jtalien
tätig und vielleicht sein Lehrer war, ist ja auch durch
Ghibertis eigene Scbrift bezeugt, rrnd etwas von seinem
Schönheitsgefühl findet sich auch im Norden.

Das alles wird anders mit den Altersgenossen von
Konrad Witz. Tausendfach scheiden sich die Gesichter,
jede Schule erhält ihr Gepräge; die Form wird nicht

nur plastischer und naturwahrer,
sondern auch individueller. Es
wächst mit dem Willen zur Wahr-
heit wie so oft die Freude am
Markigen,Derben,am Aufälligen,
an Ausnahmebildungen, am Gro-
tesken und selbst am Rohen. Die
Brüder van Eyck selber bekunden
sich freilich noch deutlich genug als
Maler des Hofes und der höchsten
Gesellschaft. Ein so ausgeprägter
Sinn für gediegenen Prunk wie
bei ihnen kommt vielleicht über-
haupt sonst gar nie mehr vor,
auchbeiHofmalern anderer Aeiten
nicht. Aber die Menschen werden
schon von ihnen nicht mehr ins
Aarte und Feinrassige umstilisiert,
selbst beim Weibe wird mitunter
eine gewisse Derbheit mit vollem
Bewußtsein bevorzugt. Mit dem
neuen Darstellungsvermögen ver-
breitet sich nun diese Auffassung
über die abendländische Welt.
Die Kölner behalten freilich auch
in der neuen Generation etwas
von ihrer Vorliebe für das Iarte
und Jnnige, nicht so die Ober-
deutschen, und auch Konrad Witz
ist derber als seine Vorgänger.

Seine erhaltenen Werke geben
nrin eine Vorstellung, >vie die
Neuerungen der Niederlander bei
den Begabtesten anderer Gebiete
eingeschlagen haben. Wie er
anfing, wissen wir allerdings nicht,
und in seinen empfänglichsten
Jugendjahren könnte er nur die
Vorstufen des Genter Altars,
die uns leider verloren sind,
gesehen haben, aber wir können
doch beobachten, wie er sich die
neuen Errungenschaften allmäh-
lich ganz zu eigen machte.
Datiert ist freilich nur ein Werk, und dies ist drei Jahre
vor seinem Tode entstanden; aber es sind zwei von ihm
gemalte Verkündigungsengel, es sind zwei recht kom-
plizierte Jnnenräume von ihm erhalten, und dies gibt uns
Anhaltspunkte über das Weiterschreiten des Künstlers.
Die Bilder niit stärkerer plastischer Wirkung, klarerer
raumlicher Erscheinung und besserer perspektivischer Aeich-
nung nähern sich im Stile und Geschmack mehr dem, was
in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts üblich war. Sie
sind also nicht nur zufällig dre besseren, sondern dre
späteren. Sein Stil wird also noch innerhalb der Lebens-
epoche, aus der wir Bilder besitzen, reifer.

Eins der frühesten Bilder, vielleicht sogar das früheste,
das uns erhalten ist, muß danach das Gemälde in Neapel
sein. Hier sitzt die heilige Familie mit der heil. Katharina
und Barbara vorne im Hauptschiff einer romanischen
Kathedrale mit gotischem Chor und gotischem Lettncr.

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