Die Ähnlichkeit mit dem Basler
Münster ist trotz aller Freiheit,
die der Maler sich erlaubt hat,
so groß, daß ohne Aweifel das
Bild vom Basler Münster inspi-
riert ist. Eine Eigentümlichkeit,
die Empore des Chorumganges
mit runden Fenstern, kommt
nur in diesem Bau vor. Dies
macht es nun wahrscheinlich, daß
das Bild um 1434 entstanden ist,
der Aeit, da er sich in Basel
niederließ. Ein Jugendwerk im
engeren Sinne wäre es dann
nicht mehr. Es stammte dann
auch erst aus der Spätzeit des
Jan van Eyck. Aber es könnte
immerhin noch erheblich früher
als die meisten übrigen Bilder
sein. Daß es bereits von den
Niederländern angeregt ist, kann
nicht bezweifelt werden. Die
Brüder van Eyck haben Szenen,
die wir uns in kleinen oder doch
intimen Räumen vorstellen und
die auch von der religiösen Kunst
meistens so wiedergegeben wur-
den, in den Hauptschiffen großer
Kirchen dargestellt. So befindet
sich in Petersburg eine Ver-
kündigung, wo die Maria im
Mittelschiffeinerspätromanischen
Kathedrale an ihrem Betpult
vom Engel überrascht wird, in
Berlin eine stillende Madonna,
die überlebensgroß im Haupt-
schiff einer großen gotischen
Kirche steht. Man sieht, die
ersten Menschen, die überhaupt
den Raum, das Licht und die
Finsternis darstellen konnten,
zogen jede Gelegenheit heran, Konrad Witz.
um der Kirchen feierliche Nacht,
um jene weihevollen Räume
darzustellen,die die Kunst der eben abgelaufenen Periode
geschaffen hat. Aber wie so oft, hat der Nachahmer
den Kern der Sache nicht verstanden; es interessierte
Witz wohl das Spiel des Lichtes in den Gewölben, das
Funkeln des Goldgrundes in den Altargemälden des
Hintergrundes, aber er erzielt noch nicht jene feier-
liche Gesamtwirkung, die für die Vorbilder so charakte-
ristisch ist. Das Bild in Neapel verrät auch noch Be-
fangenheiten, wie sie bei den van Eyck nicht mehr
vorkommen; so weist u. a. die Aeichnung der verkürzten
Bögen Fehler auf, die für den Anfänger im perspek-
tivischen Zeichnen heute noch typisch sind. Die Gesichts-
bildung hat etwas Maniertes, Unwahres, wovon man
in anderen Bildern nur noch Spuren sieht. Man möchte
fast vermuten, daß das Gemälde einem früheren Besuche
in Basel seine Eristenz verdankt.
Die Kreuzigung in Berlin steht in mancher Hinsicht
Heilige Katharina und Magdalena (Stcaßburg).
diesem Gemälde am nächsten. Einen sichtlichen Fortschritt
aber bedeutet ein umfangreichesAltarwerk, von dem die
meisten Tafeln aus altem Basler Besitz in das dortige Mu-
seum gelangt sind. Es dürfte unter den Eindrücken und
Anregtlngen entstanden sein, die Witz in seiner neuen
Heimatfand.Eine Kirchenversammlung bedeutete damals
für einen Maler etwas ganz anderes als etwa heutzutage
ein Kongreß; denn die höhere weltliche wie kirch-
liche Gesellschaft kleidete sich noch in Stoffe, die einen
Künstler anregen mußten und die ja auch jetzt so gut wie
die Gemälde jener Ieit von Liebhabern und Museen ge-
sammelt werden. Au den Anregungen, die die Straße
und die kirchlichen Zeremonien boten, kamen noch die
durch auswärtige Künstler. Ein Hauptwerk des sogenann-
ten Meisters von Flomalle, das sich in Madrid befindet,
ist für einen Teilnehmer des Konzils in der Konzilszeit
geschaffen worden. Eine der Tafeln des Basler Altars,
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Münster ist trotz aller Freiheit,
die der Maler sich erlaubt hat,
so groß, daß ohne Aweifel das
Bild vom Basler Münster inspi-
riert ist. Eine Eigentümlichkeit,
die Empore des Chorumganges
mit runden Fenstern, kommt
nur in diesem Bau vor. Dies
macht es nun wahrscheinlich, daß
das Bild um 1434 entstanden ist,
der Aeit, da er sich in Basel
niederließ. Ein Jugendwerk im
engeren Sinne wäre es dann
nicht mehr. Es stammte dann
auch erst aus der Spätzeit des
Jan van Eyck. Aber es könnte
immerhin noch erheblich früher
als die meisten übrigen Bilder
sein. Daß es bereits von den
Niederländern angeregt ist, kann
nicht bezweifelt werden. Die
Brüder van Eyck haben Szenen,
die wir uns in kleinen oder doch
intimen Räumen vorstellen und
die auch von der religiösen Kunst
meistens so wiedergegeben wur-
den, in den Hauptschiffen großer
Kirchen dargestellt. So befindet
sich in Petersburg eine Ver-
kündigung, wo die Maria im
Mittelschiffeinerspätromanischen
Kathedrale an ihrem Betpult
vom Engel überrascht wird, in
Berlin eine stillende Madonna,
die überlebensgroß im Haupt-
schiff einer großen gotischen
Kirche steht. Man sieht, die
ersten Menschen, die überhaupt
den Raum, das Licht und die
Finsternis darstellen konnten,
zogen jede Gelegenheit heran, Konrad Witz.
um der Kirchen feierliche Nacht,
um jene weihevollen Räume
darzustellen,die die Kunst der eben abgelaufenen Periode
geschaffen hat. Aber wie so oft, hat der Nachahmer
den Kern der Sache nicht verstanden; es interessierte
Witz wohl das Spiel des Lichtes in den Gewölben, das
Funkeln des Goldgrundes in den Altargemälden des
Hintergrundes, aber er erzielt noch nicht jene feier-
liche Gesamtwirkung, die für die Vorbilder so charakte-
ristisch ist. Das Bild in Neapel verrät auch noch Be-
fangenheiten, wie sie bei den van Eyck nicht mehr
vorkommen; so weist u. a. die Aeichnung der verkürzten
Bögen Fehler auf, die für den Anfänger im perspek-
tivischen Zeichnen heute noch typisch sind. Die Gesichts-
bildung hat etwas Maniertes, Unwahres, wovon man
in anderen Bildern nur noch Spuren sieht. Man möchte
fast vermuten, daß das Gemälde einem früheren Besuche
in Basel seine Eristenz verdankt.
Die Kreuzigung in Berlin steht in mancher Hinsicht
Heilige Katharina und Magdalena (Stcaßburg).
diesem Gemälde am nächsten. Einen sichtlichen Fortschritt
aber bedeutet ein umfangreichesAltarwerk, von dem die
meisten Tafeln aus altem Basler Besitz in das dortige Mu-
seum gelangt sind. Es dürfte unter den Eindrücken und
Anregtlngen entstanden sein, die Witz in seiner neuen
Heimatfand.Eine Kirchenversammlung bedeutete damals
für einen Maler etwas ganz anderes als etwa heutzutage
ein Kongreß; denn die höhere weltliche wie kirch-
liche Gesellschaft kleidete sich noch in Stoffe, die einen
Künstler anregen mußten und die ja auch jetzt so gut wie
die Gemälde jener Ieit von Liebhabern und Museen ge-
sammelt werden. Au den Anregungen, die die Straße
und die kirchlichen Zeremonien boten, kamen noch die
durch auswärtige Künstler. Ein Hauptwerk des sogenann-
ten Meisters von Flomalle, das sich in Madrid befindet,
ist für einen Teilnehmer des Konzils in der Konzilszeit
geschaffen worden. Eine der Tafeln des Basler Altars,
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