Von Frerndwörtern.
Oens 6's.rine und das Wort noch gar durch unterscheidende
Schrift aus der Umgebung heraushebe, so habe ich zwar
ein Fremdwort, aber etwas durchaus Reinliches geschrie-
ben. Wenn ich schreibe Schandarm (und ich bin dafür,
daß man so schreibt), so ist das kein Fremdwort mehr,
es ist ein zwar in sich sinnloses, wurzelloses, ethymo-
logieloses, kurz ein pöbelhaftes, aber ein deutsches Wort.
Es mag mein Gefühl anrühren wie eine Unsauberkeit,
aber was kann ich machen, so lang der Herr Polizei-
minister dafür ist.
Es gibt so noch eine Reihe von Wörtern. Schreibt
inan sie mit französischer Orthographie, so bleibt das für
immer ein feiges Augestandnis an das Fremde, schreibt
man sie phonetisch nach deutscher Aussprache, wirken
sie leicht pöbelhaft. Dennoch halte ich dies für das Rich-
tige. Denn ob ein Wort pöbelhaft wirke, liegt zuletzt
nicht am Wort an sich, sondern im Brauch. Noch einem
Goethe wollte das Wort „Franzose" nicht aus der
Feder, er schrieb „Franken" oder „Franzen", und Klop-
stock (ich meine, Klopstok war's) macht es (komischer-
weise) den Franzosen zum Vorwurf, daß ihr Name
(im Dcutschen eben) in edle Rede (er mcint dje metrische
Rede) nicht passe; wir aber empfinden, glaub ich, durch-
aus nicht mehr so, und ganz deutsch empfindet unser
Ohr die Wörter: Franzbrot, Franzbranntwein, Franz-
band, Halbfranzband. So viel als Andeutung übeb dcn
Weg, auf dem wir auch ohne Übersetzung, die oft schwer-
fällig, oft ganz unmöglich ist, das Fremde bewältigen
und überwinden könnten; wenigstens konnte man es
früher. Denn gelten muß als
Sechster Scch: Das assimilierte Wort ist höchstens
noch ein halbes Fremdwort, gegen das wir also auch nur
eine halbe Feindschaft haben sollen. Es wird notwendig
nnt der Zeit irnmer deutscher.
Sicbenter Satz: Außer den oben als häßlich bezeich-
neten Wörtern gibt es einige Frcnidwörter mit ausge-
sprochenem Fremdcharakter, die auch offensichtliche
Zeugen gennsser kultureller Abhängigkeiten sind, die wir
aber ebenfalls doch nicbt entbehren können, weil es eben
tatsächlich keine deutschen Wörter dafür gibt; wir sollen
sie aber(so rveit es möglich ist) immer deutsch aussprechen
nnd nicht durch Betätigung des Gegenteils (hicr sündigt
der Norddeutscbe besonders) mit abgerutschten Schul-
bänken protzen wollen.
Die Wörter, die ich in: Sinn habe, aufzuzählen,
vermeide ich, icb möchte nicht in Streit geraden nrit
Leuten, die es mir vielleicht verbieten möchten, von
cinem „eleganten" Frauenkleid oder „ungalanten"
Manieren zu sprechen. Solche Leute verkennen die
furchtbare Wahrheit, daß die Macht der Tatsachen, be-
sonders historisch gewordcner Tatsachen, stärker ist als
die stärkste Einzelperson. Verboten soll es natürlick
niemand sein, an solchen mißfalligen Tatsachen nach
Kräftcn zc: rütteln. Sicher ist dies sogar verdienst-
lich. Nur verkennen oder leugnen soll man die Tat-
sache nicht.
Achter Satz: Au einem sollten wir uns wirklich be-
guemen; wir sollten die Vornamen (Taufnamen) aus-
ländischer Personen in deutscher Form schreiben; denn
so tun alle andern; wir allein waren hier bis jetzt die
Affen der andern.
Gegen diesen Satz werden nur die Gegenfüßler der
vorigen Widcrsacher protestieren. Ich kenne ihre Gründe;
diese laufen aber alle zuletzt auf nichts hinaus, als auf
die — „liebe Gewohnheit".
Neunter Satz: Solche Fremdwörter, die in der
sogenannten vornehmen Gesellschaft oder gar in der
Zeitung (der Unterschied ist sprachlich nicht so groß, als
man glauben sollte) gerade Modewörter sind und die
vom Snob besonders gehätschelt werden: wird ein selbst-
bewußter Schriftsteller vielleicht im oben angedeuteten
Sinn gelegentlich gebrauchen müssen, aber er wird sie
sich selber nie zu eigen machen. Er wird sie noch mehr
hassen als gemeine Pöbelwörter.
Aehnter Satz: Ein anständiger Schriftsteller gebraucht
nie cin Fremdwort unbewußt (wie übrigens auch kein
anderes) und nie ohne strenge Prüfung des Für und
Wider.
Elfter Satz: Wörter sind zwar nur der Leib der
Sprache; aber denjenigen, die diesen Satz allzu einseitig
betonen, ist zu sagen, daß ein verwahrloster oder gar
verkrüppelter Leib auf die Dauer nicht ohne verhängnis-
volle Rückwirkung ist auf die Seele.
-Zwölfter Satz: Die weitaus schlimmsten und veracht-
lichstcn Fremdwörter müssen für uns diejenigcn sein,
mit denen man eine Sache zu adeln, eine Sache vor-
nehmer zu machen meinte oder meint.
An diesem Punkt hat sich das deutsche National-
bewußtsein cine seiner erbarmlichsten Blößen gegeben,
da aber die Sache im letzten Grund bereits historisch ist
(nicht ganz vielleicht), kann man immerhin davon reden.
Fast immer, wo die Franzosen der deutschen Sprache
ein Wort entliehen haben, um es statt eines französischen
zu gebrauchen, geschah es, um einen Begriff zu degra-
dieren, ihm einen niedrigen, gemeinen, verächtlichen
Sinn, einen schlechten Geruch und üblen Beigeschmacl
zil geben: ües lunckes sind schlechte, wüste Ländereien,
une ist eine Sudelküche niedrigsten Nanges,
une ro8ss bedeutet einen haßtichen Klepper, eine Schind-
mähre, uu reitre den Mann dazu, mit uu lustic bezeich-
net man einen sckleckt erzogenen, manierenlosen Lärrn-
inacher.
Gerade umgekehrt ist es irn Deutschen. Wir bedienen
uns des französischen Fremdworts, in neuerer Ieit
aucb nock des englischen, um damit eine Sache vornehm
zu macherr. Doch haben lvir das gröbste, wie oben an-
gedeutet, mit der Aeit doch allmahlich überwunden,
und ist diese Sckmach wenigstens bis zu einem gewissen
Grad bereits eine historische, wie der Rheinbund und der
dreißigjährige Krieg. Die Anreden Nuüg.me und Nuüs-
luoisslle in mündlicher und schriftlicher Sprache sind ver-
schwunden. Doch die Dame haben wir noch. Jch ivill
daran nicht rühren, es wäre „ungalant". Und wenigstens
hat das Wort eine deutsche Aussprache. Aber statt des
Überwundenen lädt die Frau Mode noch immer wieder
neuen Unrat, der veredeln und vornehm machen soll,
bei uns ab, wie ich schon erwähnt habe, daß feine Leute
in letzter Aeit ihre Kleidungsstücke nur noch englisch be-
nannten, um sich damit vom gemeinen Volke abzuheben.
Das ist schlimm, und doch schlimmer als solche hoffentlich
vorübergehende Narretei ist das übrig gebliebene Alte
und Festgewurzelte. Noch immer ist ein Gasthof bei uns
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Oens 6's.rine und das Wort noch gar durch unterscheidende
Schrift aus der Umgebung heraushebe, so habe ich zwar
ein Fremdwort, aber etwas durchaus Reinliches geschrie-
ben. Wenn ich schreibe Schandarm (und ich bin dafür,
daß man so schreibt), so ist das kein Fremdwort mehr,
es ist ein zwar in sich sinnloses, wurzelloses, ethymo-
logieloses, kurz ein pöbelhaftes, aber ein deutsches Wort.
Es mag mein Gefühl anrühren wie eine Unsauberkeit,
aber was kann ich machen, so lang der Herr Polizei-
minister dafür ist.
Es gibt so noch eine Reihe von Wörtern. Schreibt
inan sie mit französischer Orthographie, so bleibt das für
immer ein feiges Augestandnis an das Fremde, schreibt
man sie phonetisch nach deutscher Aussprache, wirken
sie leicht pöbelhaft. Dennoch halte ich dies für das Rich-
tige. Denn ob ein Wort pöbelhaft wirke, liegt zuletzt
nicht am Wort an sich, sondern im Brauch. Noch einem
Goethe wollte das Wort „Franzose" nicht aus der
Feder, er schrieb „Franken" oder „Franzen", und Klop-
stock (ich meine, Klopstok war's) macht es (komischer-
weise) den Franzosen zum Vorwurf, daß ihr Name
(im Dcutschen eben) in edle Rede (er mcint dje metrische
Rede) nicht passe; wir aber empfinden, glaub ich, durch-
aus nicht mehr so, und ganz deutsch empfindet unser
Ohr die Wörter: Franzbrot, Franzbranntwein, Franz-
band, Halbfranzband. So viel als Andeutung übeb dcn
Weg, auf dem wir auch ohne Übersetzung, die oft schwer-
fällig, oft ganz unmöglich ist, das Fremde bewältigen
und überwinden könnten; wenigstens konnte man es
früher. Denn gelten muß als
Sechster Scch: Das assimilierte Wort ist höchstens
noch ein halbes Fremdwort, gegen das wir also auch nur
eine halbe Feindschaft haben sollen. Es wird notwendig
nnt der Zeit irnmer deutscher.
Sicbenter Satz: Außer den oben als häßlich bezeich-
neten Wörtern gibt es einige Frcnidwörter mit ausge-
sprochenem Fremdcharakter, die auch offensichtliche
Zeugen gennsser kultureller Abhängigkeiten sind, die wir
aber ebenfalls doch nicbt entbehren können, weil es eben
tatsächlich keine deutschen Wörter dafür gibt; wir sollen
sie aber(so rveit es möglich ist) immer deutsch aussprechen
nnd nicht durch Betätigung des Gegenteils (hicr sündigt
der Norddeutscbe besonders) mit abgerutschten Schul-
bänken protzen wollen.
Die Wörter, die ich in: Sinn habe, aufzuzählen,
vermeide ich, icb möchte nicht in Streit geraden nrit
Leuten, die es mir vielleicht verbieten möchten, von
cinem „eleganten" Frauenkleid oder „ungalanten"
Manieren zu sprechen. Solche Leute verkennen die
furchtbare Wahrheit, daß die Macht der Tatsachen, be-
sonders historisch gewordcner Tatsachen, stärker ist als
die stärkste Einzelperson. Verboten soll es natürlick
niemand sein, an solchen mißfalligen Tatsachen nach
Kräftcn zc: rütteln. Sicher ist dies sogar verdienst-
lich. Nur verkennen oder leugnen soll man die Tat-
sache nicht.
Achter Satz: Au einem sollten wir uns wirklich be-
guemen; wir sollten die Vornamen (Taufnamen) aus-
ländischer Personen in deutscher Form schreiben; denn
so tun alle andern; wir allein waren hier bis jetzt die
Affen der andern.
Gegen diesen Satz werden nur die Gegenfüßler der
vorigen Widcrsacher protestieren. Ich kenne ihre Gründe;
diese laufen aber alle zuletzt auf nichts hinaus, als auf
die — „liebe Gewohnheit".
Neunter Satz: Solche Fremdwörter, die in der
sogenannten vornehmen Gesellschaft oder gar in der
Zeitung (der Unterschied ist sprachlich nicht so groß, als
man glauben sollte) gerade Modewörter sind und die
vom Snob besonders gehätschelt werden: wird ein selbst-
bewußter Schriftsteller vielleicht im oben angedeuteten
Sinn gelegentlich gebrauchen müssen, aber er wird sie
sich selber nie zu eigen machen. Er wird sie noch mehr
hassen als gemeine Pöbelwörter.
Aehnter Satz: Ein anständiger Schriftsteller gebraucht
nie cin Fremdwort unbewußt (wie übrigens auch kein
anderes) und nie ohne strenge Prüfung des Für und
Wider.
Elfter Satz: Wörter sind zwar nur der Leib der
Sprache; aber denjenigen, die diesen Satz allzu einseitig
betonen, ist zu sagen, daß ein verwahrloster oder gar
verkrüppelter Leib auf die Dauer nicht ohne verhängnis-
volle Rückwirkung ist auf die Seele.
-Zwölfter Satz: Die weitaus schlimmsten und veracht-
lichstcn Fremdwörter müssen für uns diejenigcn sein,
mit denen man eine Sache zu adeln, eine Sache vor-
nehmer zu machen meinte oder meint.
An diesem Punkt hat sich das deutsche National-
bewußtsein cine seiner erbarmlichsten Blößen gegeben,
da aber die Sache im letzten Grund bereits historisch ist
(nicht ganz vielleicht), kann man immerhin davon reden.
Fast immer, wo die Franzosen der deutschen Sprache
ein Wort entliehen haben, um es statt eines französischen
zu gebrauchen, geschah es, um einen Begriff zu degra-
dieren, ihm einen niedrigen, gemeinen, verächtlichen
Sinn, einen schlechten Geruch und üblen Beigeschmacl
zil geben: ües lunckes sind schlechte, wüste Ländereien,
une ist eine Sudelküche niedrigsten Nanges,
une ro8ss bedeutet einen haßtichen Klepper, eine Schind-
mähre, uu reitre den Mann dazu, mit uu lustic bezeich-
net man einen sckleckt erzogenen, manierenlosen Lärrn-
inacher.
Gerade umgekehrt ist es irn Deutschen. Wir bedienen
uns des französischen Fremdworts, in neuerer Ieit
aucb nock des englischen, um damit eine Sache vornehm
zu macherr. Doch haben lvir das gröbste, wie oben an-
gedeutet, mit der Aeit doch allmahlich überwunden,
und ist diese Sckmach wenigstens bis zu einem gewissen
Grad bereits eine historische, wie der Rheinbund und der
dreißigjährige Krieg. Die Anreden Nuüg.me und Nuüs-
luoisslle in mündlicher und schriftlicher Sprache sind ver-
schwunden. Doch die Dame haben wir noch. Jch ivill
daran nicht rühren, es wäre „ungalant". Und wenigstens
hat das Wort eine deutsche Aussprache. Aber statt des
Überwundenen lädt die Frau Mode noch immer wieder
neuen Unrat, der veredeln und vornehm machen soll,
bei uns ab, wie ich schon erwähnt habe, daß feine Leute
in letzter Aeit ihre Kleidungsstücke nur noch englisch be-
nannten, um sich damit vom gemeinen Volke abzuheben.
Das ist schlimm, und doch schlimmer als solche hoffentlich
vorübergehende Narretei ist das übrig gebliebene Alte
und Festgewurzelte. Noch immer ist ein Gasthof bei uns
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