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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 30.1920

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Heft 2
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Schäfer, Wilhelm: Julius Bretz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26486#0065

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Iulius Bretz.

Seefeld (1919).

nicht mehr; denn manches, was er in seinem Eifer zum
alten Eisen wirft, stand darin hoch, nur daß es die Will-
kür einer Spekulation nicht mitmachte, daß es an die
Sinnlichkeit gebunden blieb.

Solche Darlegungen wie diese sind nötig, wenn man
in unsern Tagen einem Maler wie Julius Bretz gerecht
werden will. Er gehört zu jener Leidensschar von Künst-
lern, die in der Entwicklung zunächst seitab zu stehen
scheinen. Er hat heute mit dem Erpressionismus so wenig
zu tun wie gestern mit dem Jmpressionismus, und es
wird ihm auch in der Entwicklung von morgen nicht besser
gehen. Es sollte aber ihm wie Künstlern seiner Art nie
die Lehre vergessen werden, die uns Deutschen seinerzeit
die sogenannte Jahrhundert-Ausstellung in Berlin ge-
geben hat. Was dort gegeben wurde, war im Ganzen
nicht mehr oder weniger als eine Übersicht der Maler,
die in ihrer Aeit daneben standen. Es wäre eine ober-
flächliche Art, daran zu denken, der Malbetrieb des neun-
zehnten Jahrhunderts habe sich in einem einzigen
akademischen Trott vollzogen. Er ist vielmehr von Cor-
nelius bis zu Marses ein Wechsel der künstlerischen Über-
zeugungen gewesen; und wer etwa meinen wollte,
Cornelius z. B. habe die Geister der Aeit nicht ebenso
ergriffen, wie heute der Erpressionismus, würde falsch
meinen. Das gemeinsame Eigentümliche der Maler in
jener Jahrhundertschau war aber eben, daß sie neben der
Aeit, d. h. neben deren Überzeugungen, Richtungen und
Moden standen. Alles, was in der Kunst Masse wird,
ist auch in derGefahr,Modezu sein — wer wird die Mode-
erscheinungen am Erpressionismus leugnen wollen —
ibre eigentliche Tradition ist stiller und ihre eigent-
liche Entwicklung auf eine viel mühfamere persönliche

Arbeit gestellt, als es sich die mutigen Schwimmer der
Bewegung träumen lassen.

Das Bild, mit dem Julius Bretz eigentlich zur Gel-
tung kam, war ein blühender Kastanienzweig, der nicht
als Stilleben, sondern den blauen Himmel kühn durch-
schneidend als Lebendigkeit gemalt war. Überlegte man
die Wirkung dieses Bildes, so erkannte man als erstesseine
überzeugende Sinnlichkeit: der Kastanienzweig blühte
wirklich an einem Baum und er stand wirklich in der
blauen Sonnenluft. Alles was der Jmpressionismus
verlangte — der in der Ieit dieses Bildes noch die
herrschende Kunstrichtung war — erfüllte es: ein Natur-
eindruck von seltener Frische und einer rührenden Treue
stand auf die Leinwand gebannt; und doch war kein
Mittel des Impressionismus verwertet, wenn man
nicht die reine Helligkeit der Farben als ein solches
nehmen wollte. Peinlich genau schienen den an ver-
wischte Umrisse gewöhnten Augen Aweig, Blatt und
Blüte gezeichnet. Nicht so auffällig war die Überlegung
der Bildeinteilung; was die Maler jener Aeit einen guten
Naturausschnitt nannten, das war hier auf dem ent-
gegengesetzten Weg geleistet: die Bildfläche hatte durch
den Aweig eine Aufteilung erfahren, an der das Auge sich
gern beruhigte. Diese Aufteilung in Verbindung mitdem
sicher umschriebenen Detail gab dem Bild eine monu-
mentale Haltung, und weil diese Haltung weder im Aeit-
geschnwck noch vom Gegenstand erwartet wurde,verblüffte
es zuerst, um danach Bewunderung zu erregen. Wollte
man dann für diese Bewunderung einen Ausdruck prägen,
so drängtesich dasWortStilauf,undzwarin keinemNeben-
sinn von Manier, sondern in der wahrhaften Prägung, daß
hier eine Bildabsicht ihre vollendete Lösung erfahren habe.
 
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