Julius Bretz.
Blühende Sinnlichkeit und streng formende Künstler-
schaft waren in eine Einheit aufgegangen; keine Skizze,
sondern ein Bild hing an der Wand. Daß solche Sinn-
lichkeit eine Errungenschaft des Impressionismus war,
wurde schon gesagt, ebenso, daß die unverrückbare Ge-
staltung eines Bildes die entgegenstehende Absicht des
Erpressionismus ist; trotzdem könnte das Bild heute
weder der einen noch der andern Richtung zugesprochen
werden, es ist Vergangenheit und Aukunft in einem,
und sein drittes ist Tradition. Das Gefühl, dergleichen
trotz aller neuen Gestaltung unter wirkliche alte Meister
hängen zu können, war vielleicht das Starkste daran.
Es ist manches Jahr vergangen und Julius Bretz
hat vielerlei Bilder seitdem gemalt; wer es nicht weiß,
dem sei es gesagt, daß die Lebenssorge dem Künstler
unterdessen manchmal bitter nahe kam. Da seine Kunst
keinen Mäzen fand — sie war gleichzeitig zu altmodisch
und neuartig dazu —, war er für sein äußeres Dasein
auf jene Kunsthändler angewiesen, die in Kunststädten
wie Düsseldorf ihr unterirdisches Geschäft betreiben:
Name des Künstlers, Sofaformat und billiger Preis
sind ihro Grundbedingungen. Daß eine solche Kund-
fchaft einen Künstler nicht anregt, braucht wohl kaum
gesagt zu werden; es sind Bilder von L^retz an den Tag
gekommen, denen man die Verdrießlichkeit ansieht. Aber
er bat die Leidenszeit hartnackig überstanden, und wenn
die kritische Betrachtung der Düsseldorfer Kunst heute
die Summe zieht, zähtt er immer noch in der ersten Reibe,
trotzdem er heute an der Schwelle des Alters stebt.
Blühende Sinnlichkeit und streng formende Künstler-
schaft sind bei ihm in guter Gemeinfchaft geblieben; ja,
er hat seit dem Kastanienzweig noch ein drittes dazil
gewonnen: Freiheit. Eine gewstse Sprödigkeit seiner
Farbe, die bei feinen früheren Bildern von fern an
Segantini erinnerte, hat sich in einen Schmelz gelöst,
der manche seiner Bilder wie Chorfenster leuchten läßt.
Sein Blick aufs Siebengebirge (inr Besitz von Dr. Paul
Seligmann, Köln) ist ein starker Beweis dafür, wie es
auch neben guten Franzosen hängend die deutsche Eigen-
heit des Künstlers aufs schönste dartut. Und wer Augen
hat zu sehen, möge an einzelnen unserer Abbildungen
erkennen, daß der Künstler für eine Ieit nach Ober-
bayern ins Eril gegangen ist: wie er sich da mit einer
anderen als der spröden niederrheinischen und bergischen
Landschaft herumschlagt, wie er eine vollblütige Saftig-
keit gewinnt, die den Münchenern mit der Schollen-
manier ins Dekorative umschlug, das ist reizvollgenug.
Freilich, wer solch ein wahrhaftig Bild wie die Wein-
berge (Tafel 1) malte, kann dabei wohl eher verlieren
als gewinnen. S.
Iulius Bretz. Aggertal (1902).
Sämtliche Abbildungen sind mit Erlaubnis der Galerie Flechtheim, Düsseldorst reproduziert.
Blühende Sinnlichkeit und streng formende Künstler-
schaft waren in eine Einheit aufgegangen; keine Skizze,
sondern ein Bild hing an der Wand. Daß solche Sinn-
lichkeit eine Errungenschaft des Impressionismus war,
wurde schon gesagt, ebenso, daß die unverrückbare Ge-
staltung eines Bildes die entgegenstehende Absicht des
Erpressionismus ist; trotzdem könnte das Bild heute
weder der einen noch der andern Richtung zugesprochen
werden, es ist Vergangenheit und Aukunft in einem,
und sein drittes ist Tradition. Das Gefühl, dergleichen
trotz aller neuen Gestaltung unter wirkliche alte Meister
hängen zu können, war vielleicht das Starkste daran.
Es ist manches Jahr vergangen und Julius Bretz
hat vielerlei Bilder seitdem gemalt; wer es nicht weiß,
dem sei es gesagt, daß die Lebenssorge dem Künstler
unterdessen manchmal bitter nahe kam. Da seine Kunst
keinen Mäzen fand — sie war gleichzeitig zu altmodisch
und neuartig dazu —, war er für sein äußeres Dasein
auf jene Kunsthändler angewiesen, die in Kunststädten
wie Düsseldorf ihr unterirdisches Geschäft betreiben:
Name des Künstlers, Sofaformat und billiger Preis
sind ihro Grundbedingungen. Daß eine solche Kund-
fchaft einen Künstler nicht anregt, braucht wohl kaum
gesagt zu werden; es sind Bilder von L^retz an den Tag
gekommen, denen man die Verdrießlichkeit ansieht. Aber
er bat die Leidenszeit hartnackig überstanden, und wenn
die kritische Betrachtung der Düsseldorfer Kunst heute
die Summe zieht, zähtt er immer noch in der ersten Reibe,
trotzdem er heute an der Schwelle des Alters stebt.
Blühende Sinnlichkeit und streng formende Künstler-
schaft sind bei ihm in guter Gemeinfchaft geblieben; ja,
er hat seit dem Kastanienzweig noch ein drittes dazil
gewonnen: Freiheit. Eine gewstse Sprödigkeit seiner
Farbe, die bei feinen früheren Bildern von fern an
Segantini erinnerte, hat sich in einen Schmelz gelöst,
der manche seiner Bilder wie Chorfenster leuchten läßt.
Sein Blick aufs Siebengebirge (inr Besitz von Dr. Paul
Seligmann, Köln) ist ein starker Beweis dafür, wie es
auch neben guten Franzosen hängend die deutsche Eigen-
heit des Künstlers aufs schönste dartut. Und wer Augen
hat zu sehen, möge an einzelnen unserer Abbildungen
erkennen, daß der Künstler für eine Ieit nach Ober-
bayern ins Eril gegangen ist: wie er sich da mit einer
anderen als der spröden niederrheinischen und bergischen
Landschaft herumschlagt, wie er eine vollblütige Saftig-
keit gewinnt, die den Münchenern mit der Schollen-
manier ins Dekorative umschlug, das ist reizvollgenug.
Freilich, wer solch ein wahrhaftig Bild wie die Wein-
berge (Tafel 1) malte, kann dabei wohl eher verlieren
als gewinnen. S.
Iulius Bretz. Aggertal (1902).
Sämtliche Abbildungen sind mit Erlaubnis der Galerie Flechtheim, Düsseldorst reproduziert.