Von den Anfängen der altkölnischen Malerei.
offenbar. Jn diesen Aeiten tiefster Finsternis kann man
schwer nnr sich in jene Aeiten reinsten Menschentums
znrückversetzen. Welche Freudigkeit muß die damaligen
Künstler ersüllt habenFn dem Bewußtsein,mit der Sonne
selbst malen zu können.
Das durchsichtige Email schimmerte jetzt von hel-
lem Grunde wider. Jm bunten Glase sand man ein
Material, das im Lichte der Sonne der Wirkung der
Edelsteine gleichkam, in der Rose der Fenster sie noch
übertras. Niemals wieder erstand das Licht in solcher
Herrlichkeit.
Jm Kranze der Kapellen, den farbigen Rosen der
Fenster seines Chores war der Kölner Dom in sich voll-
endet. Jahrhundertedurch schloß eine hohe Scheidewand
das Heiligtum des Lichtes vom Schiff der Menge, von
den Türmen ab, die, unvollendet, erst in späten Aeiten
mit der Stadt, der lichten Ferne, mit dem Himmel sich
verketten sollten. Der große Lichtgedanke war und blieb
nur Wenigen verständlich. Die Scheidewand war Ab-
wehr von der Menge, der des Heiligtumes letzter Sinn
verschlossen blieb.
Der große Grundgedanke aber rang und ringt noch
immer nach Vollendung. Ein weiter Weg führte vom
Chore des Kölner Domes in weitem Kreise zur Voll-
endung seines Riesenwerkes,von der Baukunst zur Malerei
und wieder zur letzten Eroberung des unendlichen Rau-
mes zurück. Wie ein junger Baum roiche Blüten und
Früchte spendet und erst in späten Iahren des alten
Stammes Krone den Himmel sich erobert, so stieg
der schöpserische Geist von der Höhe herab, mischte sich
unter die Menschen, entzündete ihre Herzen, machte
letzte Dinge verständlich, um dann mit ihrer Hi^e das
Werk zu Ende zu führen.
Hier liegt die Bedeutung der altkölnischen Maler-
schule. Aus den Wandmalereien der Chorschranken, dem
Clarenaltare des Kölner Domes, sprießt der farbige
Reichtum der Tafelwerke der Kölner Malerschule, er-
läutert, wie in einer Bibel der Armen im Geiste, die
letzten Dinge in einer gemeinhin verständlichen Sprache,
bis nach Jahrhunderten im Aeitalter der Romantik Im-
puls und Begeisterung zur Wiederaufnahme der Ar-
beiten am Kölner Dome, mit veranlaßt durch die Wir-
kung der altkölnischen Malerei, einsetzten und bis zur
Vollendung nachhaltig blieben.
Aber der letzte große Gedanke der Baukunst und
Malerei ist auch damals völlig nicht begriffen worden.
Die Romantiker fühlten selbst deutlich, daß sie „den
tiefen Sinn und die eigentliche Bedeutung der Denk-
mäler gotischer Baukunst nocb gar nicht verstanden
hatten". Das gleiche gilt von den Werken der Malerei.
Nur zwei Männer bringen Licht in die dunkle Ver-
worrenheit: Görres und der bayrische Galeriedirektor
von Dillis, der Begutachter der Boissereschen Samm-
lung für den König Ludwig. Görres nennt den Dom das
bewunderungswürdige Erzeugnis eines der größten
Geister, die je über die Erde wandelnd, die leuchtende
Spur ihres Daseins auf ihr zurückgelassen. Er spricbt
vom geistigen Vermögen seines Schöpfers, das bis zum
innersten Grunde der Dinge dringt von einer Anschau-
ung, die wie der Blitz das Verschlossenste durchdringt und
mit ihrem Licht das Dunkelste zur Durchsichtigkeit erhellt.
Jn der Malerei der alten Kölner erkennt von Dillis vor
allem die leuchtende Farbe. „Aber die Farbe muß
leuchten, ich sage nicht umsonst: leuchten; dies Geheimnis
hat nur die Niederländische Schule begriffen; ein Strahl
dieses Lichtes ist durch Antonello da Messina auf die
venezianische Schule gefallen, ich sage ein Strahl, denn
das Ganze hat sie nie begriffen und ist gleich darauf
wieder in Finsternis verfallen, ich sage Finsternis, denn
ihre Farbe lebt nicht mehr,sie ist erstorben wie die Pflanze,
die der Luft und des Lichtes entbehrt."
Diese leuchtende Farbe wuchs aus der Goldschmiede-
kunst, dem Email und der Glasmalerei heraus. Die Farbe
von innen zum Leuchten zu bringen, sie klar und durch-
sichtig wie Email aufzutragen, sie mit Licht als ihrem
eigentlichen Lebenselemente zu durcbdringen, war das
Geheimnis der Malerei, die den lichtdurchstrahlten
Fenstern des Domes zum Spiegelbilde wurde.
Der Clarenaltar aus dem gleichnamigen Kolner
Frauenkloster mutet wie eine der goldenen Altartafeln
des Mittelalters an. Der architektonische Aufbau ist im
Stile gotischer Glasfenster gehalten. Der punzierteGold-
grund trägt die Gestalten aus dern Leben Iesu, die in-
haltlich das große Geheimnis deutlich machen sollten.
Aber nur wenige empfanden, was Gold und Farbe dem
Menschenauge darboten. Im goldenen Glanze fließen
hier die Dinge in ihren Urquell zurück. Mit Worten
Meister Eckharts könnte man sagen: im goldenen Glanze
werden alle Dinge geadelt, in ihm verlieren sie ihre
eigne Natur und gelangen in den Ursprung zurück, denn
im Geisteswerke fließt der Geist in seinen Urquell zurück.
Jn den frühen Werken der altkölnischen Maler ge-
staltet sich deutlich alles physische Sehen zu einem inner-
lichen, göttlichen Schauen. Aber nur aus goldglänzen-
dem Hintergrunde heraus kann die frühe Malerei be-
griffen werden. Der Goldgrund der Tafeln umfaßt die
Welt inneren visionären Schauens. Auf goldenem
Grunde leuchten die Farben von innen heraus im Glanze
des Lichtes.
Die größte Kostbarkeit dieser rein visionären
Ieit ist der kleine Kalvarienberg des Meisters der
Veronika. Uber dem dunklen Chaos der Erde schwebt
der goldene Grund mit dem Kreuze des Erlösers. Kleine
Engel, die der Wesenheit Gottes om nächsten sind, um-
flattern das Kreuz. Schwarz und dunkelbraun ist die
Farbe der Erde. Ein brennendes Rot leuchtet hervor
neben dunklem Blau, der Farbe der Ferne. Gelb, Grün
und Grau vermitteln zwischen den starken Kontrasten
von Hell und Dunkel, von Licht und Finsternis.
Jn diesem Widerspiel der Farben vollzieht sich die
Erlösung der Natur, aller Lebewesen jeglichen Wachs-
tums.
Alles Diesseitige reift goldener Ernte entgegen. Über-
all leuchtet Gold und Goldgelb hervor, in den Gewän-
dern und Heiligenscheinen, dem edelsteingeschmückten
-Zaclmzeug der Pferde. Wie Flammen schlagen die
Gestalten dunkelblau und rot empor, bis zu hellem,
lichtem Glanze. Aus rein künstlerischem Erlebnis wächst
der Gehalt der Darstellung heraus. Die Gruppe der
heiligen Frauen leuchtet aus gemeinem Volke, den
würfelnden Knechten hervor, Heiligkeit überstrahlt rohe
gewöhnliche Gesichter. Diese kleine Kreuzigung steht
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offenbar. Jn diesen Aeiten tiefster Finsternis kann man
schwer nnr sich in jene Aeiten reinsten Menschentums
znrückversetzen. Welche Freudigkeit muß die damaligen
Künstler ersüllt habenFn dem Bewußtsein,mit der Sonne
selbst malen zu können.
Das durchsichtige Email schimmerte jetzt von hel-
lem Grunde wider. Jm bunten Glase sand man ein
Material, das im Lichte der Sonne der Wirkung der
Edelsteine gleichkam, in der Rose der Fenster sie noch
übertras. Niemals wieder erstand das Licht in solcher
Herrlichkeit.
Jm Kranze der Kapellen, den farbigen Rosen der
Fenster seines Chores war der Kölner Dom in sich voll-
endet. Jahrhundertedurch schloß eine hohe Scheidewand
das Heiligtum des Lichtes vom Schiff der Menge, von
den Türmen ab, die, unvollendet, erst in späten Aeiten
mit der Stadt, der lichten Ferne, mit dem Himmel sich
verketten sollten. Der große Lichtgedanke war und blieb
nur Wenigen verständlich. Die Scheidewand war Ab-
wehr von der Menge, der des Heiligtumes letzter Sinn
verschlossen blieb.
Der große Grundgedanke aber rang und ringt noch
immer nach Vollendung. Ein weiter Weg führte vom
Chore des Kölner Domes in weitem Kreise zur Voll-
endung seines Riesenwerkes,von der Baukunst zur Malerei
und wieder zur letzten Eroberung des unendlichen Rau-
mes zurück. Wie ein junger Baum roiche Blüten und
Früchte spendet und erst in späten Iahren des alten
Stammes Krone den Himmel sich erobert, so stieg
der schöpserische Geist von der Höhe herab, mischte sich
unter die Menschen, entzündete ihre Herzen, machte
letzte Dinge verständlich, um dann mit ihrer Hi^e das
Werk zu Ende zu führen.
Hier liegt die Bedeutung der altkölnischen Maler-
schule. Aus den Wandmalereien der Chorschranken, dem
Clarenaltare des Kölner Domes, sprießt der farbige
Reichtum der Tafelwerke der Kölner Malerschule, er-
läutert, wie in einer Bibel der Armen im Geiste, die
letzten Dinge in einer gemeinhin verständlichen Sprache,
bis nach Jahrhunderten im Aeitalter der Romantik Im-
puls und Begeisterung zur Wiederaufnahme der Ar-
beiten am Kölner Dome, mit veranlaßt durch die Wir-
kung der altkölnischen Malerei, einsetzten und bis zur
Vollendung nachhaltig blieben.
Aber der letzte große Gedanke der Baukunst und
Malerei ist auch damals völlig nicht begriffen worden.
Die Romantiker fühlten selbst deutlich, daß sie „den
tiefen Sinn und die eigentliche Bedeutung der Denk-
mäler gotischer Baukunst nocb gar nicht verstanden
hatten". Das gleiche gilt von den Werken der Malerei.
Nur zwei Männer bringen Licht in die dunkle Ver-
worrenheit: Görres und der bayrische Galeriedirektor
von Dillis, der Begutachter der Boissereschen Samm-
lung für den König Ludwig. Görres nennt den Dom das
bewunderungswürdige Erzeugnis eines der größten
Geister, die je über die Erde wandelnd, die leuchtende
Spur ihres Daseins auf ihr zurückgelassen. Er spricbt
vom geistigen Vermögen seines Schöpfers, das bis zum
innersten Grunde der Dinge dringt von einer Anschau-
ung, die wie der Blitz das Verschlossenste durchdringt und
mit ihrem Licht das Dunkelste zur Durchsichtigkeit erhellt.
Jn der Malerei der alten Kölner erkennt von Dillis vor
allem die leuchtende Farbe. „Aber die Farbe muß
leuchten, ich sage nicht umsonst: leuchten; dies Geheimnis
hat nur die Niederländische Schule begriffen; ein Strahl
dieses Lichtes ist durch Antonello da Messina auf die
venezianische Schule gefallen, ich sage ein Strahl, denn
das Ganze hat sie nie begriffen und ist gleich darauf
wieder in Finsternis verfallen, ich sage Finsternis, denn
ihre Farbe lebt nicht mehr,sie ist erstorben wie die Pflanze,
die der Luft und des Lichtes entbehrt."
Diese leuchtende Farbe wuchs aus der Goldschmiede-
kunst, dem Email und der Glasmalerei heraus. Die Farbe
von innen zum Leuchten zu bringen, sie klar und durch-
sichtig wie Email aufzutragen, sie mit Licht als ihrem
eigentlichen Lebenselemente zu durcbdringen, war das
Geheimnis der Malerei, die den lichtdurchstrahlten
Fenstern des Domes zum Spiegelbilde wurde.
Der Clarenaltar aus dem gleichnamigen Kolner
Frauenkloster mutet wie eine der goldenen Altartafeln
des Mittelalters an. Der architektonische Aufbau ist im
Stile gotischer Glasfenster gehalten. Der punzierteGold-
grund trägt die Gestalten aus dern Leben Iesu, die in-
haltlich das große Geheimnis deutlich machen sollten.
Aber nur wenige empfanden, was Gold und Farbe dem
Menschenauge darboten. Im goldenen Glanze fließen
hier die Dinge in ihren Urquell zurück. Mit Worten
Meister Eckharts könnte man sagen: im goldenen Glanze
werden alle Dinge geadelt, in ihm verlieren sie ihre
eigne Natur und gelangen in den Ursprung zurück, denn
im Geisteswerke fließt der Geist in seinen Urquell zurück.
Jn den frühen Werken der altkölnischen Maler ge-
staltet sich deutlich alles physische Sehen zu einem inner-
lichen, göttlichen Schauen. Aber nur aus goldglänzen-
dem Hintergrunde heraus kann die frühe Malerei be-
griffen werden. Der Goldgrund der Tafeln umfaßt die
Welt inneren visionären Schauens. Auf goldenem
Grunde leuchten die Farben von innen heraus im Glanze
des Lichtes.
Die größte Kostbarkeit dieser rein visionären
Ieit ist der kleine Kalvarienberg des Meisters der
Veronika. Uber dem dunklen Chaos der Erde schwebt
der goldene Grund mit dem Kreuze des Erlösers. Kleine
Engel, die der Wesenheit Gottes om nächsten sind, um-
flattern das Kreuz. Schwarz und dunkelbraun ist die
Farbe der Erde. Ein brennendes Rot leuchtet hervor
neben dunklem Blau, der Farbe der Ferne. Gelb, Grün
und Grau vermitteln zwischen den starken Kontrasten
von Hell und Dunkel, von Licht und Finsternis.
Jn diesem Widerspiel der Farben vollzieht sich die
Erlösung der Natur, aller Lebewesen jeglichen Wachs-
tums.
Alles Diesseitige reift goldener Ernte entgegen. Über-
all leuchtet Gold und Goldgelb hervor, in den Gewän-
dern und Heiligenscheinen, dem edelsteingeschmückten
-Zaclmzeug der Pferde. Wie Flammen schlagen die
Gestalten dunkelblau und rot empor, bis zu hellem,
lichtem Glanze. Aus rein künstlerischem Erlebnis wächst
der Gehalt der Darstellung heraus. Die Gruppe der
heiligen Frauen leuchtet aus gemeinem Volke, den
würfelnden Knechten hervor, Heiligkeit überstrahlt rohe
gewöhnliche Gesichter. Diese kleine Kreuzigung steht
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