Bonatz u, Scholer. Der Sluttga.ter Hauptbalmbos, Ansickt oon der
Königsstcaße.
gelten zll lassen, erhebt sich dics neue Architekturwahr-
zeichen. Es ist der Turm des neuen Stuttgarter Bahnhofs.
Wir seben aber gleicbfalls schon aus der Höhe und
Ferne, daß dieser Turm nicht nur, dank seiner isolierten
Stellring, sich dem ganzen Stadtbild berrschend und docb
nicbt erdrückend einsügt, sondern daß er auch auf dem
Bariorganisnrus, zu denr er gehört, ilicht als hnpertrc-
pbisches Glied lastet, daß er vielmebr dessen Cbarakter
und Fornrsprache nrir folgerichtig weitersübrt und ener-
gisch betont. Denn diese Forrnspracbe erscheint durchaus
bestimmt drrrch das kubische Element, das in denr nrit
flachem Dach abgeschlossenen Turrn ringebrochen zunr
Ausdruck komnrt. Kern scbrages Dach, das in der Sil-
houette mitspräche, kern Giebel, keine Bogenstellrmg;
nur eirr gewaltiges Fenster irr der Hauptfassade, die der
TurnH hinter ihr seitlich zurücktretend, überragch ist oberr
inr Halbkreis geschlossen, der aber drirch dre steirrernen
Stabe, die das Ferrster vertikal aufteilen, ebenfalls der
Vertikale gleichsanr unterworfen ist. — So ninrmt das
Arige dieserr nrachtigen nerien Bestandteil willig in das
altgewohnte Stadtbild auf; aber immerhin nrag der
kritiscbe Verstand fragerr, ob gerade ein Babnhof sachlich
das Recht beansprrichen dürfe, rn solcher Werse aus dem
architektoniscben Garrzen einer Stadt hervor- und her-
auszutreten.
Arich diese Frage werden wir bejaben nrüssen,
rind zwar in doppeltem Sinn. Aunachft: der Bahn-
hof einer nrodernen Großstadt ist an und sür sich
ein so wichtiges Organ für den Säftekreislauf des
heritigen Verkehrslebens, daß er schcn darunr ein
Recbt auf großzügige, auf monumentale Arisgestal-
tung bat. Die Sache liegt hier ganz anders, wie
etwa ber gar rrranchen Bankgebauden der letzten
JahrzebnteWie nur darrinr ihre Fassaden so prrink-
voll entfalteten, die Jnnerrrarinre so lrirririös durch-
bildeten, rveil „das Geld kerne Rolle spielte" urrd
weil die Leute das auch recht deutlicb seherr sollterr;
solche Baugesirrnring kann nuraußerlich schinrnrernde,
innen angefarilte Früchte tragen und wird durcb
das schlechte BeispieH das sie gibt, nrir zu ost
gescbmackverwüsterrd wirken, ivie ihre Werke ein
ganzes vornehmes altes Straßenbild zerstören
können. Sie helferr dann den Jrrglauben ivecken
rind nahren, Eirrfachheit könrre nicht nrcnrinrental
sein, Monrimentalitat sich nrir in üppiger Verwen-
durrg rirrd Haufung aller denkbarerr Schmucknrittel
und dekorativen Effekte bekrinden. — Denr ent-
gegen könnte urrd sollte gerade eine doch über-
wiegerrd praktischen Awecken dienende Arifgabe,
wie eben ein Bahrrhossbari, die Einsicht fördern,
daß sachliche Schlichtbeit und Klarheit sich sehr wohl
mit der formalen Würde rind Größe vertragt, cbrre
die es keine echte Monunrerrtalitat gibt.
Ja, gerade der Großbahnhofsbari kanrr cine
ivirklich befriedigende künstlerische Lösung nur aus
sachlich monrinrentalenr Sinne heraus finden. Aricb
hier treffen wir, wie so oft in Arcbitekturfragen, auf
ernen Parallelismus der synrboliscben Bederitring
und der praktischen Forderring. Wenn die Wich-
tigkeit des Bahnhofes für das moderne Leben
seine großzügrg-künstlerrsche Gestaltring gedanklich recht-
fertigt, so ist diese aucb sacblrcb notwendig, wenn
die Vielseitigkeit der Aivecke, die Vielgliedrigkeit
der Gesamtanlage, nicht ein ästhetiscb zerrissenes
und dadurch auch praktisch rinübersichtliches, also
unzweckmäßiges Ganzes zrir Folge haben sollen. Die
wachsende Einsicht in diesen Ausammcnbang ist für die
Entwicklung des modernen Bahnhofsbaues mitbestim-
mend geworden. Wie im Jnnern der neuentstehenden
Bahnhöfe dre Raumdisposition, die so rmendlich kom-
plizierte Forderungen an den Arcbrtekten stellte, immer
praktischer rind übersichtlicher gelang, so suchte nran sie
auch nach außen zu imnrer klarerem und folgerichtigerem
Ausdrrick zu bringen. Sachlichkeit — Klarheit — Ruhe —
Größe: das ist eine organische Stufenleiter barimeister-
licher Tugenden; aber ob der Architekt die Leiter ivirklich
bis zur obersten oder auch nur zweitobersten Strife er-
klimmt, das hängt doch zuletzt von einer außerhalb der
Berechnrmg und rationellen Beeinflussung stehenden
Größe ab: von der Art rind Stärke seiner spezifisch künst-
lerischen Anlage. Mustern wir in der Erinnerung und
an Abbildungen eine Reihe der in den letzten zehn oder
sünfzehn Jahren entstandenen größeren Babnhöfe, so
wird sicb rins der Eindruck aufdrängen, daß sie wohl
sachlich rind klar sind nach Anlage und Erscheinung, daß
es aber nicht gelungen ist, der Erscheinung nun aricb noch
178
Königsstcaße.
gelten zll lassen, erhebt sich dics neue Architekturwahr-
zeichen. Es ist der Turm des neuen Stuttgarter Bahnhofs.
Wir seben aber gleicbfalls schon aus der Höhe und
Ferne, daß dieser Turm nicht nur, dank seiner isolierten
Stellring, sich dem ganzen Stadtbild berrschend und docb
nicbt erdrückend einsügt, sondern daß er auch auf dem
Bariorganisnrus, zu denr er gehört, ilicht als hnpertrc-
pbisches Glied lastet, daß er vielmebr dessen Cbarakter
und Fornrsprache nrir folgerichtig weitersübrt und ener-
gisch betont. Denn diese Forrnspracbe erscheint durchaus
bestimmt drrrch das kubische Element, das in denr nrit
flachem Dach abgeschlossenen Turrn ringebrochen zunr
Ausdruck komnrt. Kern scbrages Dach, das in der Sil-
houette mitspräche, kern Giebel, keine Bogenstellrmg;
nur eirr gewaltiges Fenster irr der Hauptfassade, die der
TurnH hinter ihr seitlich zurücktretend, überragch ist oberr
inr Halbkreis geschlossen, der aber drirch dre steirrernen
Stabe, die das Ferrster vertikal aufteilen, ebenfalls der
Vertikale gleichsanr unterworfen ist. — So ninrmt das
Arige dieserr nrachtigen nerien Bestandteil willig in das
altgewohnte Stadtbild auf; aber immerhin nrag der
kritiscbe Verstand fragerr, ob gerade ein Babnhof sachlich
das Recht beansprrichen dürfe, rn solcher Werse aus dem
architektoniscben Garrzen einer Stadt hervor- und her-
auszutreten.
Arich diese Frage werden wir bejaben nrüssen,
rind zwar in doppeltem Sinn. Aunachft: der Bahn-
hof einer nrodernen Großstadt ist an und sür sich
ein so wichtiges Organ für den Säftekreislauf des
heritigen Verkehrslebens, daß er schcn darunr ein
Recbt auf großzügige, auf monumentale Arisgestal-
tung bat. Die Sache liegt hier ganz anders, wie
etwa ber gar rrranchen Bankgebauden der letzten
JahrzebnteWie nur darrinr ihre Fassaden so prrink-
voll entfalteten, die Jnnerrrarinre so lrirririös durch-
bildeten, rveil „das Geld kerne Rolle spielte" urrd
weil die Leute das auch recht deutlicb seherr sollterr;
solche Baugesirrnring kann nuraußerlich schinrnrernde,
innen angefarilte Früchte tragen und wird durcb
das schlechte BeispieH das sie gibt, nrir zu ost
gescbmackverwüsterrd wirken, ivie ihre Werke ein
ganzes vornehmes altes Straßenbild zerstören
können. Sie helferr dann den Jrrglauben ivecken
rind nahren, Eirrfachheit könrre nicht nrcnrinrental
sein, Monrimentalitat sich nrir in üppiger Verwen-
durrg rirrd Haufung aller denkbarerr Schmucknrittel
und dekorativen Effekte bekrinden. — Denr ent-
gegen könnte urrd sollte gerade eine doch über-
wiegerrd praktischen Awecken dienende Arifgabe,
wie eben ein Bahrrhossbari, die Einsicht fördern,
daß sachliche Schlichtbeit und Klarheit sich sehr wohl
mit der formalen Würde rind Größe vertragt, cbrre
die es keine echte Monunrerrtalitat gibt.
Ja, gerade der Großbahnhofsbari kanrr cine
ivirklich befriedigende künstlerische Lösung nur aus
sachlich monrinrentalenr Sinne heraus finden. Aricb
hier treffen wir, wie so oft in Arcbitekturfragen, auf
ernen Parallelismus der synrboliscben Bederitring
und der praktischen Forderring. Wenn die Wich-
tigkeit des Bahnhofes für das moderne Leben
seine großzügrg-künstlerrsche Gestaltring gedanklich recht-
fertigt, so ist diese aucb sacblrcb notwendig, wenn
die Vielseitigkeit der Aivecke, die Vielgliedrigkeit
der Gesamtanlage, nicht ein ästhetiscb zerrissenes
und dadurch auch praktisch rinübersichtliches, also
unzweckmäßiges Ganzes zrir Folge haben sollen. Die
wachsende Einsicht in diesen Ausammcnbang ist für die
Entwicklung des modernen Bahnhofsbaues mitbestim-
mend geworden. Wie im Jnnern der neuentstehenden
Bahnhöfe dre Raumdisposition, die so rmendlich kom-
plizierte Forderungen an den Arcbrtekten stellte, immer
praktischer rind übersichtlicher gelang, so suchte nran sie
auch nach außen zu imnrer klarerem und folgerichtigerem
Ausdrrick zu bringen. Sachlichkeit — Klarheit — Ruhe —
Größe: das ist eine organische Stufenleiter barimeister-
licher Tugenden; aber ob der Architekt die Leiter ivirklich
bis zur obersten oder auch nur zweitobersten Strife er-
klimmt, das hängt doch zuletzt von einer außerhalb der
Berechnrmg und rationellen Beeinflussung stehenden
Größe ab: von der Art rind Stärke seiner spezifisch künst-
lerischen Anlage. Mustern wir in der Erinnerung und
an Abbildungen eine Reihe der in den letzten zehn oder
sünfzehn Jahren entstandenen größeren Babnhöfe, so
wird sicb rins der Eindruck aufdrängen, daß sie wohl
sachlich rind klar sind nach Anlage und Erscheinung, daß
es aber nicht gelungen ist, der Erscheinung nun aricb noch
178