solange er nur das Sachlicke
seiner Aufgabe nicht der Stil-
richtigkeit oder einer poetisch-
historischeic Stimmung unter-
ordnet.
*
Es ifi nun außerordentlich
lehrreich und anziehend, zu
beobachten, wie Bonatz in sei-
nem neuen Werk, dem Bahn-
hofbau, den klassizistischen —
wenn man will, auch den „fran-
zösischen" — Einschlag in seiner
Begabung und Anscharumg von
allenr Arißerlicherr der dekora-
tiven Fornrsprache risw. gelari-
tert und ganz arifs Organische,
Strrrktive beschrankt rind kon-
zentriert bat; ivie er, auch herite
die von Fischer geübte und ge-
lehrte Anknüpfung an die lokale
Bauweise ablehnend, inr kraf-
tigen Herausarbeiten kübischer
Wirkungen, im Sichauswirken-
lassen der großen Flachen, in
der Unabhängigkeit gegenüber
den zu Konvention und Rezept gewordenen Einzel-
formen der historischen Stile, in der vielleicht nrinder
scbonenden, darunr aber nicht nrinder verstandnisvollen
Rücksicht auf die Umgebring — wie er in alledenr das
Positivste, Bleibendste des Fischerschen Schulgutes selb-
standig weiterpflegt. — Mit fast asketischer Strenge ist
auf allen rind jeglichen applizierten Fassadenschnruck ver-
zichtet, nichts von Karyatiden und Telanronen, nichts von
Festons und Masken, aber auch nichts von dcm rein
architektonischen Aierat, der sonst zur Betonrmg des Strrik-
tiven dient, wie Gurtgesinrse, Lisenen, Umrahmung der
Fenster nrit Särtlen und Giebeln. Über denr mächtigen
Fenster der Eingangshalle ein streng stilisiertes Flügel-
rad, an den Fensterbrüstungen des zweiten Obergeschosses
ein schildartiges, zienrlich flach reliefiertes Rund, ein
bescheidener ornamentaler Abschluß der Fenstergitter im
Erdgeschoß, das sind tatsächlich die einzigen, wirklichen
Schnruckmotive, die nran an den beiden Fassaden fest-
stellen kann. Desto nrächtiger und reiner wirken die weit-
gedehnten Flächen, die weise bcnressenen Proportionen,
die Massen in ihrer kubischen Gliederung, dem Vor- und
Aurücktreten der großen Bauteile, die klaren, das Auge
sicher an denr gewaltigen Baukörper aufund ab führenden
Unrrißlinien. Neben und nrit der Gliederung der Massen
bedeutet aber auch das Baunraterial und seine Behand-
lung ein starkes ästhetisches Monrent. Durchgehend ist
der schöne grarrblaue württenrbergische Muschelkalkstein,
der die Fassaden umkleidet, an den großen Hauptflächen
in kräftiger, aber doch nraßvoll gebaltener Rustika aus-
geführt. Diese gibt den Unrrissen, besonders des Turnrs,
ein eigenartiges Leben und betont an den Binnenflächen
durch die Fugen der Quadern die horizontale Tendenz.
Wir dürfen aber von horizontaler Tendenz nicht
sprechen, ohne sogleich hinzuzufügen, daß gerade darin
großenteils die resttos befriedigende, vorbildliche Lösung
der ästhetiscben Aufgabe bcsteht, wie durch starke vertikale
Gegenwirkungen die borizontale Lagerung allem Lasten-
den, Gedrückten enthoben wird. Die entscheidende Senk-
rechte des Turms, die für das optische Gefühl die ganze
Baumasse mit sich emporreißt, das Bogenfenster der
Eingangshalle, das infolge der Aufteilung in viele schmale
Vertikalstreifen noch höher wirkt, die (heute noch nicht
ganz bis zur Hälfte ausgeführte) Reihe der schlanken
Pfeiler an der Hauptfassade, die ariale Ausammen-
fassung der Fenster der drei unteren Geschosse durch das
nischenartige Aurückziehen der Fensterfläche hinter das
Relief der Rustikaguadern, das alles beseelt die breit-
ruhenden Massen mit dem Drang des Aufwärtsstrebens.
Augleich aber wird dieser Drang gebandigt und ver-
söhnt,indem er dcirchaus innerhalb der geschlossenen Niasse
bleibt und den wagerechten oberen Abschluß nirgends
durchbricht, die vertikalen Linien von diesem vielmehr
überall noch durch einen breiten horizontalen Streifen
gescbieden bleiben. Diesen Streifen bildet im wesent-
lichen das oberste Stockwerk, dessen Fenster viel niedriger
gehalten sind als die der unteren Geschosse (daß sie trotz-
vem groß genug sind, um die hinter ihnen liegenden
Iinmier reichlich mit Licht zu versehen, wird auch der
Laie mit seinem Augenmaß aus den Gesamtabmessungen
erraten und es beini Betreten eines der Räume in diesem
Stockwerk bestätigt finden können).
4- -i-
Werfen wir nun noch einen Blick auf die beiden
Fassaden, wobei ivir uns die Hauptfassade mit Hilfe
der Aufrisse als schon durchweg ausgeführt vorstellen
wollen. Das wird uns erschwert durch den noch stehenden
Bauzaun und ein sich schräg vorschiebendes dreistöckiges
I8l
seiner Aufgabe nicht der Stil-
richtigkeit oder einer poetisch-
historischeic Stimmung unter-
ordnet.
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Es ifi nun außerordentlich
lehrreich und anziehend, zu
beobachten, wie Bonatz in sei-
nem neuen Werk, dem Bahn-
hofbau, den klassizistischen —
wenn man will, auch den „fran-
zösischen" — Einschlag in seiner
Begabung und Anscharumg von
allenr Arißerlicherr der dekora-
tiven Fornrsprache risw. gelari-
tert und ganz arifs Organische,
Strrrktive beschrankt rind kon-
zentriert bat; ivie er, auch herite
die von Fischer geübte und ge-
lehrte Anknüpfung an die lokale
Bauweise ablehnend, inr kraf-
tigen Herausarbeiten kübischer
Wirkungen, im Sichauswirken-
lassen der großen Flachen, in
der Unabhängigkeit gegenüber
den zu Konvention und Rezept gewordenen Einzel-
formen der historischen Stile, in der vielleicht nrinder
scbonenden, darunr aber nicht nrinder verstandnisvollen
Rücksicht auf die Umgebring — wie er in alledenr das
Positivste, Bleibendste des Fischerschen Schulgutes selb-
standig weiterpflegt. — Mit fast asketischer Strenge ist
auf allen rind jeglichen applizierten Fassadenschnruck ver-
zichtet, nichts von Karyatiden und Telanronen, nichts von
Festons und Masken, aber auch nichts von dcm rein
architektonischen Aierat, der sonst zur Betonrmg des Strrik-
tiven dient, wie Gurtgesinrse, Lisenen, Umrahmung der
Fenster nrit Särtlen und Giebeln. Über denr mächtigen
Fenster der Eingangshalle ein streng stilisiertes Flügel-
rad, an den Fensterbrüstungen des zweiten Obergeschosses
ein schildartiges, zienrlich flach reliefiertes Rund, ein
bescheidener ornamentaler Abschluß der Fenstergitter im
Erdgeschoß, das sind tatsächlich die einzigen, wirklichen
Schnruckmotive, die nran an den beiden Fassaden fest-
stellen kann. Desto nrächtiger und reiner wirken die weit-
gedehnten Flächen, die weise bcnressenen Proportionen,
die Massen in ihrer kubischen Gliederung, dem Vor- und
Aurücktreten der großen Bauteile, die klaren, das Auge
sicher an denr gewaltigen Baukörper aufund ab führenden
Unrrißlinien. Neben und nrit der Gliederung der Massen
bedeutet aber auch das Baunraterial und seine Behand-
lung ein starkes ästhetisches Monrent. Durchgehend ist
der schöne grarrblaue württenrbergische Muschelkalkstein,
der die Fassaden umkleidet, an den großen Hauptflächen
in kräftiger, aber doch nraßvoll gebaltener Rustika aus-
geführt. Diese gibt den Unrrissen, besonders des Turnrs,
ein eigenartiges Leben und betont an den Binnenflächen
durch die Fugen der Quadern die horizontale Tendenz.
Wir dürfen aber von horizontaler Tendenz nicht
sprechen, ohne sogleich hinzuzufügen, daß gerade darin
großenteils die resttos befriedigende, vorbildliche Lösung
der ästhetiscben Aufgabe bcsteht, wie durch starke vertikale
Gegenwirkungen die borizontale Lagerung allem Lasten-
den, Gedrückten enthoben wird. Die entscheidende Senk-
rechte des Turms, die für das optische Gefühl die ganze
Baumasse mit sich emporreißt, das Bogenfenster der
Eingangshalle, das infolge der Aufteilung in viele schmale
Vertikalstreifen noch höher wirkt, die (heute noch nicht
ganz bis zur Hälfte ausgeführte) Reihe der schlanken
Pfeiler an der Hauptfassade, die ariale Ausammen-
fassung der Fenster der drei unteren Geschosse durch das
nischenartige Aurückziehen der Fensterfläche hinter das
Relief der Rustikaguadern, das alles beseelt die breit-
ruhenden Massen mit dem Drang des Aufwärtsstrebens.
Augleich aber wird dieser Drang gebandigt und ver-
söhnt,indem er dcirchaus innerhalb der geschlossenen Niasse
bleibt und den wagerechten oberen Abschluß nirgends
durchbricht, die vertikalen Linien von diesem vielmehr
überall noch durch einen breiten horizontalen Streifen
gescbieden bleiben. Diesen Streifen bildet im wesent-
lichen das oberste Stockwerk, dessen Fenster viel niedriger
gehalten sind als die der unteren Geschosse (daß sie trotz-
vem groß genug sind, um die hinter ihnen liegenden
Iinmier reichlich mit Licht zu versehen, wird auch der
Laie mit seinem Augenmaß aus den Gesamtabmessungen
erraten und es beini Betreten eines der Räume in diesem
Stockwerk bestätigt finden können).
4- -i-
Werfen wir nun noch einen Blick auf die beiden
Fassaden, wobei ivir uns die Hauptfassade mit Hilfe
der Aufrisse als schon durchweg ausgeführt vorstellen
wollen. Das wird uns erschwert durch den noch stehenden
Bauzaun und ein sich schräg vorschiebendes dreistöckiges
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