Aus E, G. Kolbenheyers: Die Kindheit des ParLzelsus.
ljwahrgenommen; und während das Ochsnerhaus das
lRädlein noch trug, sollte der jüngste Bombast entwöhnt
werden, nachdem cr sein menschliches Antlitz aus einem
Iustand entwickelt hatte, der eher detn Hutzelobst der
Großmutter glich als dem Ebenbild Gottes. Doch die
Mutter wußte für sich und den Kleinen noch etliche
Wochen der zärtlichen Hingabe abzuschmeicheln, obwohl
ihre Kräfte dem Liebesopfer kaum gewachsen waren.
Er trug einen Namen, über den alle Ochsner, Weßner
und Schärer nicht wenig erstaunten, als sie ihn zum ersten
Male hörten.
Am schnellsten fanden sich noch die Els und der Rudi
Ochsner drein. Die Els, weil sie dem Manne vertraute,
und der Alte, weil er seit jener Nacht manchem miß-
traute, worüber die andern behäbig wurden. Die Groß-
mutter blieb besorgt. Sie fühlte, daß der sonderbare
Name den adeligen Stamm des Kindes betone. Er
klang wie eine Minderung des mütterlichen Blutes. Sie
fürchtete für den jüngsten Bombast, weil ein guter Eid-
genoß allem feindselig begegnet, was nach Rilterharnisch
klirrt. Also auch Hans Ochsner, der auf das zarte Knäb-
lein wies und meinte:
„Sehet zu, es möcht ihn sunst einer us den Windlen
blasen, so er ihn bei dem Namen ruft."
Darauf sagte der Vater:
„Es wird nit eins jeden Manns Gewicht auf der
Metzig gewogen."
Und der Hans:
„Sollichs ist zur Stund ein Glück vor den Metzger."
Aber der Hans redete rauher als er tat. Er stand zu-
weilen an dem Körblein und schaute eratmend auf den
tiefen Kinderschlaf nieder, wie man in die Ewigkeit der
Berge blickt, denn auf dem Schlaf der Kleinen ruht
gleichermaßen ein Schimmer der Ewigkeit.
Die Weßner schüttelten ihre fetten Köpfe und die
Schärer nicht minder, sie zuckten die Achseln und zwinker-
ten einander heimlich zu. Nur der Klaus Weßner, dem
die Angelegenheit naheging, weil er das Büblein aus
der Taufe heben sollte, ließ satteln und ritt spornstreichs
hinüber nach Einsiedeln. Er konnte sich nicht von dem
schwäbischen Arzte, der unter die Ochsner hineingeschneit
war, zum Fatzmann machen lassen und wollte wenigstens
der Würdigkeit des Heiligen versichert sein, nach dem das
Patkind heißen sollte. Daß ihn der Propst und Pfleger,
Herr Diebold, und, wenn er darauf bestand, auch der
Fürstabt, Herr Konrad, wohlgeneigt empfangen würden,
dessen war er sicher. Mit dem Kloster stand es trotz aller
himmlischen Gnaden nicht glanzend, und Klaus mußte
zu Aeiten der Engelweihe das Marmelschloß seiner Geld-
kiste aufspringen lossen, sonst wäre das einträgliche Fest
manchmal übel eingeleitet gewesen.
Herr Diebold empfing ihn mit freundlicher Hast,
denn er bedurfte gerade kein Geld. Aber der erhitzte
Klaus Weßner wurde dringlich und zeigte durchaus die
unbefangene Art des klügeren Wirtes. Er war nicht
damit abgetan, als der Propst versicherte, einen heiligen
Theophrast gäbe es in keiner Litanei; Klaus wünschte,
daß irgend etwas Schriftliches eingesehen werde. Schwarz
auf weiß, das war g rter Grund. Herr Diebold gab nach
und fuhr mit dem Finger über etliche Pergamentblätter.
Klaus sah scharf darauf, daß der Finger keine Aeile über-
sprang, er wollte seiner Sache vor Hohenheim gewiß
werden, und selber lesen konnte er nicht.
Die Allerheiligenlitanei behielt recht; in der allein-
seligmachenden Kirche lebte kein Theophrast, weder
unter den Heiligen noch unter den Ketzern.
Aber Klaus blieb ungestillt. Er fragte, was der ver-
dächtige Name eigentlich bedeute, denn auf Schwyzer
Boden war er unerhört. Herr Diebold fand sich aufs
peinlichste bedrängt.
„Wer viel fraget, geht also viel irre, Klaus Weßner."
„Allein darin hanget des ohnschuldgen Kindli See-
lenheil, daß ihm ein getreuer Fürbitter werd. Dann
soll ihm zum jungesten Tag nit jedlicher Fürbitter von
der Hand weisen und.fragen: nach welichen heißest du,
daß er dich für Gott kunnt us dem Drecke ziehn, darin
din arm Seel steckt."
„Jtem, lieber Weßner, wir habend bewiesen, daß es
kein heiligen Theophrastum nit gibt. — Der selig Mark-
graf zu Brandenburg ward also auch Achill geheißen
und sin Sohn wird Cicero genennt. Hat gleichermaßen
niemalen ein heiliger Achilles noch Cicero gelebt. Gebet
Üch zefrieden. Es ist des Vaters Recht, daß er sin Kind
benamset. — Dieweil aber ein heiliger Theodorus, Theo-
dosius, Theodot, Theodulus, Theonas, Theokar und
Theonestus für Gott bestehet, wird der Theophrastus
auch kein gehürnter Drach oder Leviathan gewest sin .. .
von deme der heilig Benno sagt: Lcce äruco mugnu8
et ruku8, xropter 8uuguiuem ölurtvrruu!"
Das Latein des heiligen Benno tat endlich sein
Gutes. Es erstickte die Iweifel und führte den Klaus
in die Schranken der Ehrfurcht zurück, die dem Laien
nun einmal gebühren, und wäre er gleich der vortreff-
lichste Hauswirt.
„Hochwürden Herr Prior vermeinet als demnach
mit nichten . . .?"
„Iiehe in Frieden, mein Lieber, so das Knäbli vom
Herzen ist wohlgeschickt und erfreulich, möcht ihm des
Luzifer Namen nichts anhaben."
Herr Diebold atmete auf, als er des Fragers ledig
war. Doch an das Seufzerlein der Erleichterung schloß
sich ein gewichtigeres des Unfriedens.
Von seinem Guckfenster sah er jenseits des kräftig
jungen Grüns der Au zwischen dem Walddunkel der
Höhen die steilen Myten ragen, noch hell beschneit, aber
das lenzbewegte Gewölk flog drüber hin.
Aus der Oberpfalz vom Reichenbacher Kloster war
im Herbst der Ordensbruder Nikolaus de Donis ein-
gekehrt und weiter nach Basel zu dem gelehrten Drucker
Amerbach und zu Sebastian Brand gereist. Er kam
über Jngolstadt, wo er geistbewegte, helle Stunden mit
Hieronymus von Croaria, Sirtus Tucher und dem jüngst-
berufenen Celtes genossen hatte. Jn göttlicher Trunken-
heit glühten die Augen des Bruders, als er von jenen
Stunden sprach. Und nach ihm fiel die Mooröde der
Abtei über Herrn Diebold und er lag lange in harten
Aweifeln.
Was er in seiner Jugend schwer erstickt hatte, war
wieder aufgerührt, stand in Flammen. Und diese Flam-
men zernagten das leidige Wetterdach seiner verzichten-
den Heiterkeit. Mußte dieser feiste Bauer an dem ersten
gebenedeiten Frühlingstag in seine Aelle dringen, um
ljwahrgenommen; und während das Ochsnerhaus das
lRädlein noch trug, sollte der jüngste Bombast entwöhnt
werden, nachdem cr sein menschliches Antlitz aus einem
Iustand entwickelt hatte, der eher detn Hutzelobst der
Großmutter glich als dem Ebenbild Gottes. Doch die
Mutter wußte für sich und den Kleinen noch etliche
Wochen der zärtlichen Hingabe abzuschmeicheln, obwohl
ihre Kräfte dem Liebesopfer kaum gewachsen waren.
Er trug einen Namen, über den alle Ochsner, Weßner
und Schärer nicht wenig erstaunten, als sie ihn zum ersten
Male hörten.
Am schnellsten fanden sich noch die Els und der Rudi
Ochsner drein. Die Els, weil sie dem Manne vertraute,
und der Alte, weil er seit jener Nacht manchem miß-
traute, worüber die andern behäbig wurden. Die Groß-
mutter blieb besorgt. Sie fühlte, daß der sonderbare
Name den adeligen Stamm des Kindes betone. Er
klang wie eine Minderung des mütterlichen Blutes. Sie
fürchtete für den jüngsten Bombast, weil ein guter Eid-
genoß allem feindselig begegnet, was nach Rilterharnisch
klirrt. Also auch Hans Ochsner, der auf das zarte Knäb-
lein wies und meinte:
„Sehet zu, es möcht ihn sunst einer us den Windlen
blasen, so er ihn bei dem Namen ruft."
Darauf sagte der Vater:
„Es wird nit eins jeden Manns Gewicht auf der
Metzig gewogen."
Und der Hans:
„Sollichs ist zur Stund ein Glück vor den Metzger."
Aber der Hans redete rauher als er tat. Er stand zu-
weilen an dem Körblein und schaute eratmend auf den
tiefen Kinderschlaf nieder, wie man in die Ewigkeit der
Berge blickt, denn auf dem Schlaf der Kleinen ruht
gleichermaßen ein Schimmer der Ewigkeit.
Die Weßner schüttelten ihre fetten Köpfe und die
Schärer nicht minder, sie zuckten die Achseln und zwinker-
ten einander heimlich zu. Nur der Klaus Weßner, dem
die Angelegenheit naheging, weil er das Büblein aus
der Taufe heben sollte, ließ satteln und ritt spornstreichs
hinüber nach Einsiedeln. Er konnte sich nicht von dem
schwäbischen Arzte, der unter die Ochsner hineingeschneit
war, zum Fatzmann machen lassen und wollte wenigstens
der Würdigkeit des Heiligen versichert sein, nach dem das
Patkind heißen sollte. Daß ihn der Propst und Pfleger,
Herr Diebold, und, wenn er darauf bestand, auch der
Fürstabt, Herr Konrad, wohlgeneigt empfangen würden,
dessen war er sicher. Mit dem Kloster stand es trotz aller
himmlischen Gnaden nicht glanzend, und Klaus mußte
zu Aeiten der Engelweihe das Marmelschloß seiner Geld-
kiste aufspringen lossen, sonst wäre das einträgliche Fest
manchmal übel eingeleitet gewesen.
Herr Diebold empfing ihn mit freundlicher Hast,
denn er bedurfte gerade kein Geld. Aber der erhitzte
Klaus Weßner wurde dringlich und zeigte durchaus die
unbefangene Art des klügeren Wirtes. Er war nicht
damit abgetan, als der Propst versicherte, einen heiligen
Theophrast gäbe es in keiner Litanei; Klaus wünschte,
daß irgend etwas Schriftliches eingesehen werde. Schwarz
auf weiß, das war g rter Grund. Herr Diebold gab nach
und fuhr mit dem Finger über etliche Pergamentblätter.
Klaus sah scharf darauf, daß der Finger keine Aeile über-
sprang, er wollte seiner Sache vor Hohenheim gewiß
werden, und selber lesen konnte er nicht.
Die Allerheiligenlitanei behielt recht; in der allein-
seligmachenden Kirche lebte kein Theophrast, weder
unter den Heiligen noch unter den Ketzern.
Aber Klaus blieb ungestillt. Er fragte, was der ver-
dächtige Name eigentlich bedeute, denn auf Schwyzer
Boden war er unerhört. Herr Diebold fand sich aufs
peinlichste bedrängt.
„Wer viel fraget, geht also viel irre, Klaus Weßner."
„Allein darin hanget des ohnschuldgen Kindli See-
lenheil, daß ihm ein getreuer Fürbitter werd. Dann
soll ihm zum jungesten Tag nit jedlicher Fürbitter von
der Hand weisen und.fragen: nach welichen heißest du,
daß er dich für Gott kunnt us dem Drecke ziehn, darin
din arm Seel steckt."
„Jtem, lieber Weßner, wir habend bewiesen, daß es
kein heiligen Theophrastum nit gibt. — Der selig Mark-
graf zu Brandenburg ward also auch Achill geheißen
und sin Sohn wird Cicero genennt. Hat gleichermaßen
niemalen ein heiliger Achilles noch Cicero gelebt. Gebet
Üch zefrieden. Es ist des Vaters Recht, daß er sin Kind
benamset. — Dieweil aber ein heiliger Theodorus, Theo-
dosius, Theodot, Theodulus, Theonas, Theokar und
Theonestus für Gott bestehet, wird der Theophrastus
auch kein gehürnter Drach oder Leviathan gewest sin .. .
von deme der heilig Benno sagt: Lcce äruco mugnu8
et ruku8, xropter 8uuguiuem ölurtvrruu!"
Das Latein des heiligen Benno tat endlich sein
Gutes. Es erstickte die Iweifel und führte den Klaus
in die Schranken der Ehrfurcht zurück, die dem Laien
nun einmal gebühren, und wäre er gleich der vortreff-
lichste Hauswirt.
„Hochwürden Herr Prior vermeinet als demnach
mit nichten . . .?"
„Iiehe in Frieden, mein Lieber, so das Knäbli vom
Herzen ist wohlgeschickt und erfreulich, möcht ihm des
Luzifer Namen nichts anhaben."
Herr Diebold atmete auf, als er des Fragers ledig
war. Doch an das Seufzerlein der Erleichterung schloß
sich ein gewichtigeres des Unfriedens.
Von seinem Guckfenster sah er jenseits des kräftig
jungen Grüns der Au zwischen dem Walddunkel der
Höhen die steilen Myten ragen, noch hell beschneit, aber
das lenzbewegte Gewölk flog drüber hin.
Aus der Oberpfalz vom Reichenbacher Kloster war
im Herbst der Ordensbruder Nikolaus de Donis ein-
gekehrt und weiter nach Basel zu dem gelehrten Drucker
Amerbach und zu Sebastian Brand gereist. Er kam
über Jngolstadt, wo er geistbewegte, helle Stunden mit
Hieronymus von Croaria, Sirtus Tucher und dem jüngst-
berufenen Celtes genossen hatte. Jn göttlicher Trunken-
heit glühten die Augen des Bruders, als er von jenen
Stunden sprach. Und nach ihm fiel die Mooröde der
Abtei über Herrn Diebold und er lag lange in harten
Aweifeln.
Was er in seiner Jugend schwer erstickt hatte, war
wieder aufgerührt, stand in Flammen. Und diese Flam-
men zernagten das leidige Wetterdach seiner verzichten-
den Heiterkeit. Mußte dieser feiste Bauer an dem ersten
gebenedeiten Frühlingstag in seine Aelle dringen, um