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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 2.1909

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Nr. 5 (Sept. u. Okt)
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https://doi.org/10.11588/diglit.24879#0087

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75

Die Anstalt, neuerdings in ihrer Aufgabe
als Stadtgeschichtliches Museum klarer ge-
schieden von den anderen Museen der Stadt,
wird ihre reichen Schatze hoffentlich bald
in weniger knapp bemessenen Râumen zur
Aufstellung bringen und dann — auch für die
vorgeschichtlich-rômische Zeit — klar vor
Augen führen kônnen, welche Fiille von
Stoff der umsichtige Eifer und die rastlose
Begeisterung Otto Cornills sowie seiner
Nachfolger und seiner Genossen diesem
Museum zugefiihrt hat. Einem der besten
und erfolgreichsten Mitarbeiter Cornills,
dem durch treffliche, z. T. epochemachende
Arbeiten auf vielen Gebieten der Kunst-
geschichte bekannten Maler und Kunstge-
lehrten, Professor Otto Donner-von Richter
ist das vorliegende erste Heft zu seinem
80. Geburtstag (io. Mai 1908) in reichlichst
verdienter Dankbarkeit gewidmet.

Von den 15 Arbeiten der Festschrift
gehôren 3 in das Gebiet des Altertums.
Zunâchst handelt Georg Wolff, wie immer
trefflich und neue Wege weisend, 'über
den Zusammenhang rômischer und früh-
mittelalterlicher Kultur im Mainlande’ (S.
i —15), indem er an dem Beispiel Gross-
krotzenburgs den 'weitgehendenZusammen-
hang moderner Stadt- und Dorfplâne so-
wie heutiger Wege und Ackergrenzen mit
antiken Anlagen’ (S. 5) dartut und diesem
Hinweis den auf entsprechende Zusammen-
hänge hinsichtlich der Bodenbesitzverhâlt-
nisse, namentlich der fiskalischen und kirch-
Iichen, sowie hinsichtlich der kulturge-
schichtlichen Entwickelung zur Seite stellt.
Die Analogie des kleinen Dorfes ergibt für
Frankfurt nach des Verfassers sicher rich-
tiger Auffassung, dass eine 'Kontinuitât des
Anbaues’, bei der die germanischen Fürsten
der Vôlkerwanderungszeit als die Besitz-
nachfolger des rômischen Fiskus und als
ihre Besitznachfolger wiederum die mero-
vingisch-karolingischen Herrscher erschei-
nen — eine Succession, deren âussere Folge
auch der heutige Stadtplan noch darin
zeigt, dass 'die âltesten Teile Frankfurts
auf und neben dem Domhügel noch Lage
und Gestalt des rômischen Kastells mit
seinem Lagerdorf durchschimmern lassen
(S. 15). Es sind Fingerzeige der allerwert-
vollsten Art, die in diesen Ausführungen
Prof. Wolffs für die gesamte provinzialar-
chaologische Forschung enthalten sind,
Fingerzeige, wie sie meines Wissens bisher
nur Bernhard Stark in seinem Buche über
'Stadteleben und Altertum in Südfrankreich’
zu geben versucht hatte ; es wird ihnen
dadurch Rechnung zu tragen sein, dass dem
Iehrreichen Plan von Grosskrotzenburg, den
Prof. Wolff auf S. 3 gegeben hat, môglichst
zahlreiche ähnlich bearbeitete Plâne anderer
Römerstädte zur Seite gestellt werden und
dadurch eine feste Typologie dieser An-
siedlungen und ihrer Folgewirkungen ge-
wonnen wird; zur Methode der kartogra-

phischen Darstellung ist es von Interesse
etwa den Stadtplan von Bordeaux zu ver-
gleichen, den E. Espérandieu vor kurzem
seinem Werke über die Rômischen Reliefs
in Gallien beigegeben hat. Hoffentlich gibt
Prof. Wolffs vortrefflicher Aufsatz Anregung
zu einer monographischen Behandlung der
ganzen Frage, bei der auch — was m. E.
dringend erwünscht ist— einheitliche Grund-
sâtze für die Art der kartographischen Be-
zeichnung, auch der Besitzverhâltnisse, auf-
zustellen wâren.

In dem zweiten Aufsatz der Festschrift
behandelt Alexander Riese 'Die Giganten-
saulen, insbesondere die Reiter- und Gi-
ganten-Gruppen und ihre Literatur seit der
Entdeckung der Heddernheimer Sâule
1884/5’. D er Wert der Arbeit beruht nicht
nur auf der übersichtlichen Darstellung des
Hin und Widers der Meinungen über die
Entstehung und Bedeutung der nun in nahe-
zu 100 Exemplaren vertretenen Gruppe,
sondern auch auf einer positiven Feststel-
Iung von entscheidender Wichtigkeit: in
den Inschriften, die bei einzelnen Reiter-
und Gigantengruppen gefunden sind, be-
deutet columna die Gigantensâule selbst,
signum et ara aber beziehen sich auf ein
daneben bestehendes Kultbild und den zu-
gehôrigen Altar; mit ara insbesondere kann
auf keinen Fall das Postament der Sâule
gemeint sein (S. 32). Es ist ein grosser
Fortschritt, dass dies Ergebnis folgerich-
tiger Betrachtung einmal klipp und klar
ausgesprochen und gegen Anfechtungen von
vornherein methodisch gesichert wird. We-
niger unbedingt vermag ich dem beizu-
pflichten, was der verehrte Verfasser über
die Bedeutung. und die Entstehung der
Gruppe vortragt. Wir begegnen in der
mythographischen Überlieferung einer Apo-
rie, die sich etwa durch die Frage: 'Text-
variante oder Mythenvariation’ bezeichnen
lässt; âhnlich stehen wir nach meiner An-
sicht gegenüber den Gruppen, die die.'Gi-
gantensäulen’ bekrônen, vor der Frage, ob
man angesichts der sichtlichen Verschie-
denheit mancher Exemplare nicht nur in
Einzelheiten, sondern auch im Grundmotiv
(Verhâltnis des Reiters zu der Figur unter
ihm) wirklich eine einheitliche Deutung
und die Herleitung aller einschlâgigen Denk-
mâler aus einer gemeinsamen Quelle an-
zunehmen berechtigt ist. Prof. Riese selbst
fordert sehr mit Recht ein genaueres Stu-
dium der gallischen Exemplare (S. 32) ;
ich möchte, weitergehend, für nôfig hal-
ten, dass die sâmtlichen Exemplare der
Gruppe zunächst nach archâologischen Ge-
sichtspunkten — besonders Fundumstânden
und Darstellungsmotiven — eingehend clas-
sifiziert werden, wobei die z. T. nur auf
die gemeinsame Aufstellung auf der Sâule
zurückzuführende Vorstellung von einer Ein-
heitlichkeit der gesamten Denkmälerreihe
über das Vorhandensein sehr weitgehender
 
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