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Beck, Paul A. [Hrsg.]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 26.1908

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kleinen Dorfe Bremen, heutzutage Oberamts
Saulgau, verübten. Berauscht, unter wildem Ge-
schrei drang am Abend des 6. Oktbr. 1786 eine
räuberische Horde dahin, verteilte sich sogleich in
alle Häuser und eine förmliche Plünderung be-
gann, Gewaltsam wnrden alle Behältnisse aufge-
rissen, die Landleute mit gespanntem Hahn zur
Auslieferung ihres Geldes aufgefordert, alle Win-
kel, alle Betten durchsucht, alle Gerätschaften zer-
schlagcn, und in der Voraussetzung, daß hie und
da Geld verborgen sein möchte, nicht nur die
Stubenböden aufgehoben, sondern sogar die Säug-
linge mit barbarischer Wut aus ihren Wiegen
gerissen und hinweggeschleudert, um zu sehen, ob
nicht dort Schätzs verwahrt seien. Manche Familic
verlor hiebei den größten Teil ihrer Habe. Aber
noch fürchterlicher, als die Plünderung, war für
die guten sriedlichen Einwohner die teuflische Art,
mit welcher das andere Geschlecht mißhandelt
wurde. Jm ganzen Dorfe war kein Mädchen,
kein Weib, welches diese Auswürflinge nicht gewalt-
sam und wiederholt geschändet hätten. Sie setzten
eine Art von Wollust darin, daß oft 8—10 und
nvch mehrere nach einander an den gleichen Ge-
genständen ihre tierische Leidenschaft ausließen.
Weder unreife Jugend, noch Greisenalter und
ekelhafte Häßlichkeit schreckte sie zurück, und
nichl bloß Gatten und Bater, sondern, was das
Gräßliche noch vollendet, selbst Kinder mußten
Zeugen dieser schändlichen Auftritte sein. Mit
Mut stellte Franziska Löfflerin von Bremen
dcn Angriffen von 6 jener Wüstlinge sich ent-
gegen. Jhr Gaite unterstützte sie. Aber während
des Kampfes kamen noch 20 andere Franzosen
herbei, verwundeten den Mann mit Hieben und
Schlägen, schleuderten das Kind, das er auf
dem Arme trng, hinweg, verwundeten auch
dieses. Die anderen aber rissen die Gattin >/,
Stunde weit durch Dornen und Gehäge und
übten ohne Maß und Ziel, alles, was der
roheste Mutwille ihnen einhauchte. .Halbtot sank
endlich die Unglückliche nieder. Eine gefährliche
Krankheit ergriss sie; man zweifelte an ihrer Ge-
nesung; doch rettete sie noch die Kunst der Arzte.
Andere Weiber uud Mädchen wnrden an Bäume
gebunden u»d von ganzcn Horden genotzüchtigt.
Äuch in den umliegenden Orten sah man Auf-
tritte ähnlicher Art. Nichts war überhaupt den
Ungeheuern heilig, weder Eigentum, noch Sitten,
noch Religion. Sie begnügtcn sich nicht damit,
die Kirchen in mehreren Törfern der Grafschaft
nur zu berauben, sondern sie setzten noch einen
besonderen Stolz darein, die schrecklichsten Got-
teslästerungen ausznschänmen, die Altäre zu zer-
stören oder mit ihren Exkrementen zn besudeln,
die Bilder der Heiligen umzustllrzen, die geweihten
Hostien mit Füßen zu treten, nnd sie — „sogar
den Hunden vorzuwerfen!" Den armen Bewoh-
nern des Pfarrdorfes von Braunenweiler
preßte der General Courbe (?Lecourbe?) L0
Louisdor ab, und versprach dasllr aufs Feier-
lichste, daß die Gemeinde für immer von der
Plünderung verschont bleiben sollte. Man
glaubte und zahlte, und ward doch — gepllln-
dert! Die Mißhandlungen, welche der Bcstand-
wirt anf dem bei Dürmentingen in einem
weitläufigen, noch von den Truchsessen von

Waldburg angelegten Tiergarten bezw. Park
gelegenen Jagdschlößchen (znr) Schütte, Jos.
Rob. Rugl zu erdulden hatte, sind herz-
schneidend. Am 29. Sept. 1796 rllckte das fran-
zösische Hauptheer in den Gegenden am Feder-
see ein, ohne daß man die Ankunft desselben
ahnte und am Nachmittag dieses Tages streiften
schon mit wildem Geschrei 7 Grenadiece durch den
Wald, spürten das Wirtshaus auf, und sorderten,
Mord,Brandund Totschlag drohend, die Eröfsnung
der verschlossenen Türe. Man ließ sie em und
bewirtete sie reichlich mit Wein und Speise.
Allein kaum hatten sie sich gütlich getan, als
der stärkite unter ihnen auf ein gegebenes Zei-
chen aufsprang, ihren Gastgeber, den Wirt er-
griff, die anderen die Bajonette ihm auf die
Brust setzten, und alle mit fürchtcrlichem Rufe:
Gcld oder das Leben sorderten Betäubt von
Schrccken, durch Stöße gebläut, und in Gefahr,
wenn nicht getötet, doch verkrüppelt zu werden,
gab ihnen Rugl all seine Barschaft hin. „Nicht
qcnug, Hund!" erscholl es ans dem Mund der
Rasenden. Sie ergriffen ihn aufs Neue, warfen
ihn mit voller Gewalt zu Boden, sprengten alle
Behältnisse auf, hieben sie in Stücke, nahmen
hinweg, was ihnen behagte und taumelten mit
Wein und Raub zum Sinken beladen, hinweg.
Allein jetzt erblickten sie das fürstliche Jagd-
schlößchen selbst und ihre Raubgicr ward aufs
neue angefacht. Sie forderten Brandschatzung
für dasselbe, drückten den guten Rugl auf seine
Ecklärung, daß er ihnen ja all sein Geld schon
gegeben habe, an eine Tanne, schlugen die Ge-
wehre auf ihn an nnd donnerten ihm entgegen:
„Das Geld her! Die Türen auf! Oder Schloß
und alle Gebäude gehen in Flammen auf!"
Schon suchten einige Stroh zusammen, die
Drohungen wahr zu machen, als der brave
Wirt ihnen sich entriß und nach Dürmentingen
mehr flog als giug, um Geld und eine Schutz-
wache zu holen und durch diese oder jenes das
Schloß seines guten Fürsten zu retten. Während
seiner Abwesenheit hatten noch einige Reiter mit
jenen Mordbrennern sich vereinigt, die Wirtin
mißhandeit, mit Axten die Kellertüre aufgesprengt,
und durch drei Flintenschüsse ihren entfernten
Kameraden Botschaft gegeben, daß sie Beute
entdeckt hätten. So kamen in minder als einer
Biertelstunde über 200 Mann zusammen. Aller
Wein ward nun teils getrunken, teils verschleu-
dert, aller Borrat an Brot, Eiern, Butter auf-
gezehrt und endlich der Naub durch Einschla-
gung der Fässer und Zertrümmerung der Fla-
scheu und Krüge gekrönt. Kein Händeringen,
kein Flehen der Wirtin und Tochter wirkte auf
die Wüteriche. Erbittert, daß sie nichts mehr
sanden, stürmten jene, welche zuletzt kamen, das
Schloß, erbrachen die Türrn; ihre Erbitterung
aber ward zur Wut, als sie auch hier nichts
entdeckten, was in ihre Kehlen oder Schnappsäcke
paßte. Schon hatten sie von Rache erhitzt, bren-
nendes Stroh angelegt, als Rugl endlich mit
der Schutzwache eintraf und mit Hilfe derselben die
Flamme löschte und so das Schloß seines Fürsten
rettete. Allein er selbst hatte die Fcüchte eines
vieljährigen redlichen Fleißes verloren. So sehr
; war er ausgeraubt, daß er, nm seine Schutz-
 
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