Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Beck, Paul A. [Hrsg.]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 26.1908

DOI Artikel:
Beck, Paul A.: Schwäbische Biographien, [9]: der Schachkünstler Johann Allgaier Schussenried (1763-1823)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20209#0196

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
180

ein halbes Jahrhundert lang die einzige
von vielen Tausenden benützte Anleitung
zur Pflege des königlichen Spiels, den
einzigen Schlüssel, um wirklich in seine
Geheimnisse zu dringen. Posthmne Aus-
gaben erschienen dann nach seinem Ab-
leben noch mehrere, nämlich eine 5. bei
C. Haas in Wien und Prag im Jahre
1823; eine 6. ebenda, herausgegeben von
C. de Santo Vito, Prag, 1834; nnd noch
eine 7., ebenfalls von St. Vito ebenda-
selbst im Jahre 1841. Daß der Ver-
fasser, ungeachtet einer so großen Ber-
breitung seines heuzutage längst vergriffenen
Werkes, in Dürftigkeit leben und sterben
mußte, zeichnet zugleich unsere damaligen
literarischen Zustände. Vier Auflagen
eines Buches reichen sonst hin, dem Ver-
fasser wenigstens eine leidliche Lage zu
schaffen; das Honorar scheint jedensalls
kein hohes gewesen zn sein.

Sein Buch erhielt sich als die vor-
nehmste Quelle der Belehrung hinsichtlich
aller Gesetze, Regeln und Feinheiten des
Schachspiels in ungeschwächter Autorität,
bis die Berliner Schule eine neue Ent-
wicklung anregte, deren Früchte in dem
Handbuch von Bilguer und von der Lasa
nicht ohne dankbare Rückerinnerung an
Allgaier niedergelegt sind.

Was die Lebensschicksale des ehemaligen
Schussenrieder Klosterschülers betrifft, so
nahmen sie, soweit sie zu ermitteln waren,
einen düstern Verlauf. Jn die k. k. Armee
ist er nach Vermutung des Baron Reisner
als Fourier eingetreten. Gewiß ist es,
daß er nach I8jährigem Dienste (1816),
während er als Oberlieutenant-Rechnungs-
führer im Garnisons-Spital in Prag an-
gestellt war, auf sein Ansuchen pensioniert
wurde und fortan in Wien lebte. Trotz-
dem die „ältesten Leute" sich bekanntlich
„nicht erinnern können" — was übrigens
ganz natürlich ist, da den „ältesten Leuten"
notwendig die Kraft des Gedächtnisses
schwinden muß — lebten doch noch einige
alte Leute, welche sich der glänzenden
Spielweise Allgaier's als Gegner oder
Zuschauer sehr wohl erinnerten. Er spielte
früher im Hugelmann'schen Kaffeehause,
dann eutweder im Cafö Taroni (Schlögl)
oder in dem Cafe „znr Krone", beide letz-
teren auf dem Graben, jenes noch be-
stehend, dieses mit den schon seit einiger

Zeit demolierten Häusern des Stock-im-
Eisen-Platzes verschwunden.

Allgaier muß sich fast immer in ge-
drückten ökonomischen Verhältnissen und
in ewiger Geld- bezw. Schuldennot be-
funden haben. Der bekannte Ritter Karl
Heinr. v. Lang, der „Memoirenlang"
(f 1835 in Ansbach), selbst ein tüchtiger
Schachspieler von Jugend auf, welcher
den fast gleichalterigen Allgaier um das
Jahr 1820 zu Wien kennen gelernt hatte,
läßt sich darüber in seinen „Skizzen aus
m. Leben und Wirken, m. Reisen und
m. Zeit" (Braunschweig, Druck und Ver-
lag von Fried. Vieweg L Sohn, 1842, II
S. 303/304; abgedruckt in der „Deutschen
L-chachzeitung", redigiert von Hermann
Hirschbach, I, 1846, Leipzig bei Brauns —
einer Quelle, welche auffallenderweise den
Allgeyer-Nachforschern Fiske, Reisner und
auch Wurzbach entgangen ist — lau-
niger Weise folgendermaßen aus: „. . . .
Fast täglich besuchte ich den Wiener
Schachklub auf dem Graben, wo ich
bedeutende Münner im Kampf traf, die
Generale llg. Tour (den nachmaligen,
1848 so scheußlich hingemordeten k. k.
Kriegsminister), Wimmer rc. und als
obersten Schachmeister, den berühmten
Allgeyer (so schreibt Lang den Namen),
einen geborenen Schwäbisch-Vorderöster-
reicher und gewesenen Kriegsverpflegungs-
kommissär, dem es übrigens sehr schmal
zu gehen schien. Die Frucht seiner Bekannt-
schaft war sein Besuch am kommenden
Morgen, mit vielen vergoldeten Schmeiche-
leien über mein Spiel und meine Fähig-
keit, durch einen Lehrkursus von 6 Stunden
bei ihm, um die Kleinigkeit von 6 Dukaten,
am Ende des Kurses zu bezahlen, erst
ein rechter Stuhlmeister vom Schach zu
werden. Es blieb mir nichts übrig; ich
mußte mich dazu verstehen. Es wurde
auf der Stelle mit der ersten Stunde an-
gefangen uiH mit der Bitte um 2 Dukaten
Vorschuß geschlossen. Ein paar Tage
öarauf brachte er mir sein Schachbuch,
mit 6 fl zu bezahlen und verlangte dazu
die letzten 4 Dukaten. Da half kein Zögern
und Zaudern. „Vier Dukaten heute sind
mir so wichtig, als morgen 300 fl. Herr!
haben Sie denn kein Christenherz?" drängte
der Geldbenötigte. Damit endigten sich,
was aber das Schlimmste war, auch die
 
Annotationen