256
PETRI DE DUSBURG
An die Scholle gefesselt scheinen die Bauern in den ersten Zeiten der christlichen
Herrschaft nicht gewesen zu sein ; doch fand die Landesherrschaft schon früh für
zweckmässig, ihnen ein Abzugsgeld, gewöhnlich einen Vierdung, aufzuerlegen, das
von ihren unmittelbaren Unterthanen ihr selbst, von den mittelbaren den Gutsherrn
für die Freiheit des Abzuges erlegt werden musste1. Nur ausnahmsweise und weniger
zu Gunsten der Bauern selbst als derjenigen, welche sie auf ihre Güter zu setzen
wünschten, entsagte der Orden diesem Abzugsgelde, wodurch er sich z. B. den Bi-
schof von Ermeland hoch verpflichtete2. Dieses Zugrecht der Bauern erleichterte,
indem es die Ansiedlung zahlreicher Bauerfamilien möglich machte, den Anbau des
Landes in hohem Grade. Auf der andern Seite aberbrachte das Erbrecht, welches
den Bauern in den ihnen zugewiesenen Gütern im Ganzen nicht bestritten wurde3,
eine gewisse Stätigkeit in die bäuerlichen Verhältnisse. Starb eine Bauerfamilie ohne
rechte Erben aus, so fiel ihr Besitzthum an den Gutsherrn, es mochte dies nun die
Landesherrschaft oder ein Lehnsträger derselben sein; doch machten die erstem es
sich zum Gesetz und verpflichteten dazu auch die letzteren, in diesem Falle für die
nicht erbfähigen Hinterlassenen zu sorgen4 5 * *.
Urkundliche Verschreibungen über ihre Güter erhielten nur diejenigen Preussen,
welche durch Anhänglichkeit an den Orden sich zugleich andre Prärogativen erwar-
ben. Dergleichen Prärogativen waren aber vor allem Befreiung von bäuerlicher Arbeit,
Erlass des Decems, oder Verwandlung desselben in das durch die kulmische Hand-
feste eingeführte Scheffelmaass, Erweiterung des Besitzes und der gutsherrlichen
Rechte, endlich Bevorzugung im Erb- und Veräusserungsrechte. Bäuerliche Arbeit
konnte von denjenigen Preussen, welche vor der Unterwerfung des Landes selbst
Gutsherren und während derselben fügsam gewesen waren, billiger Weise nicht ge-
fordert werden, und so scheinen diejenigen Urkunden, in welchen von Erlass dersel-
ben ausdrücklich die Rede ist, in der Regel darauf hinzudeuten, dass der Empfänger
derselben vorher in Gutsunterthänigkeit oder wenigstens in den Reihen der hartnäcki-
geren Gegner des Ordens gestanden habe. Erlass oder Reduction des Decems war
für die Landesherrschaft in so fern immer eine bedenkliche Sache, als der Decem die
Hauptquelle ihrer Einnahmen bildete. Sie konnte also namentlich den völligen Erlass
nur unter besonders dringenden und .einladenden Umständen eintreten lassen. Um
Landgebiet zur Anweisung an treue Preussen war der Orden besonders nach der
Vollendung des Kampfes in Preussen nicht verlegen, und es musste ihm erwünscht
sein , wenn er es mit zuverlässigen Unterthanen besetzen konnte, da er hiedurch die
Zahl der zum regelmässigen Kriegsdienst verpflichteten und befähigten vermehrte. Bei
der Verleihung der Jurisdiction über andere kam zweierlei in Betracht, die Gefälle
und die Beschränkung persönlicher Willkür. Die Gefälle namentlich der höheren Ge-
richtsbarkeit waren nicht unbeträchtlich, und der Orden hatte also auch hier ein finan-
zielles Interesse, sie in seiner Hand zu behalten. Ueberdies aber war zu fürchten,
wenn die Gerichtsbarkeit über gewisse Familien eben bekehrten Preussen ganz über-
tragen wurde, dass ein nicht geringer Rest altheidnischer Willkür in die Ausübung
derselben übergehen möchte8. Alle, auch die edelsten und anhänglichsten der Preus-
1) Versehr, für Santyrmes etc. und für Marus etc. von 1267, für Pygant etc. von 1277.
Elb. Komth. p. 124, 97, 89.
2) Nach der schon erwähnten Urk. von 1282, vgl. die mehrerwähnte Urk. Johanns von
Wegeleben : »dass unsere Leute frei zu ihnen mögen ziehen, die mit ihnen in den vorbe-
sprochenen Gütern zu wohnen zuRathe werden, und gleicherweise wieder zu uns zu ziehen,
wenn sie frei sollen gelassen werden.«
3) (Familiae) absque berede morientes in der Urk. bei Voigt 3, 91, und ähnliches oft.
4) Versehr. Mangolds für Mandio von 1 280 Elb. Comth. p. 91: item de hereditate, que
fortassis contigerit sine herede aliquando inveniri, faciant sicut fratres nostri super hujus-
modi eventum secundum deum facere consueverunt. Was hier secundum deum heisst,
heisst anderwärts dei justicia observata: Versehr, für Kantigerde und für Muntingen von
1284, Fol. X, p. 78, 81. In der Versehr, für Pygant von 1277 ist ausdrücklich von Versor-
gung der Hausfrau die Rede, und so ist ohne Zweifel auch die von Voigt 3, 436 Anm. 1 ange-
führte Stelle zu deuten, die er anders zu erklären sucht.
5) Dieser letztere Gesichtspunkt ergiebt sich aus Stellen, wie folgende : Similiter damus
in presenti edicto C. ac suis heredibus plenam auctoritatem in bonis suis judicandi majora
judicia et minora, tarnen nostri capituli advocato presente. Versehr, für Cabilo von 1290
PETRI DE DUSBURG
An die Scholle gefesselt scheinen die Bauern in den ersten Zeiten der christlichen
Herrschaft nicht gewesen zu sein ; doch fand die Landesherrschaft schon früh für
zweckmässig, ihnen ein Abzugsgeld, gewöhnlich einen Vierdung, aufzuerlegen, das
von ihren unmittelbaren Unterthanen ihr selbst, von den mittelbaren den Gutsherrn
für die Freiheit des Abzuges erlegt werden musste1. Nur ausnahmsweise und weniger
zu Gunsten der Bauern selbst als derjenigen, welche sie auf ihre Güter zu setzen
wünschten, entsagte der Orden diesem Abzugsgelde, wodurch er sich z. B. den Bi-
schof von Ermeland hoch verpflichtete2. Dieses Zugrecht der Bauern erleichterte,
indem es die Ansiedlung zahlreicher Bauerfamilien möglich machte, den Anbau des
Landes in hohem Grade. Auf der andern Seite aberbrachte das Erbrecht, welches
den Bauern in den ihnen zugewiesenen Gütern im Ganzen nicht bestritten wurde3,
eine gewisse Stätigkeit in die bäuerlichen Verhältnisse. Starb eine Bauerfamilie ohne
rechte Erben aus, so fiel ihr Besitzthum an den Gutsherrn, es mochte dies nun die
Landesherrschaft oder ein Lehnsträger derselben sein; doch machten die erstem es
sich zum Gesetz und verpflichteten dazu auch die letzteren, in diesem Falle für die
nicht erbfähigen Hinterlassenen zu sorgen4 5 * *.
Urkundliche Verschreibungen über ihre Güter erhielten nur diejenigen Preussen,
welche durch Anhänglichkeit an den Orden sich zugleich andre Prärogativen erwar-
ben. Dergleichen Prärogativen waren aber vor allem Befreiung von bäuerlicher Arbeit,
Erlass des Decems, oder Verwandlung desselben in das durch die kulmische Hand-
feste eingeführte Scheffelmaass, Erweiterung des Besitzes und der gutsherrlichen
Rechte, endlich Bevorzugung im Erb- und Veräusserungsrechte. Bäuerliche Arbeit
konnte von denjenigen Preussen, welche vor der Unterwerfung des Landes selbst
Gutsherren und während derselben fügsam gewesen waren, billiger Weise nicht ge-
fordert werden, und so scheinen diejenigen Urkunden, in welchen von Erlass dersel-
ben ausdrücklich die Rede ist, in der Regel darauf hinzudeuten, dass der Empfänger
derselben vorher in Gutsunterthänigkeit oder wenigstens in den Reihen der hartnäcki-
geren Gegner des Ordens gestanden habe. Erlass oder Reduction des Decems war
für die Landesherrschaft in so fern immer eine bedenkliche Sache, als der Decem die
Hauptquelle ihrer Einnahmen bildete. Sie konnte also namentlich den völligen Erlass
nur unter besonders dringenden und .einladenden Umständen eintreten lassen. Um
Landgebiet zur Anweisung an treue Preussen war der Orden besonders nach der
Vollendung des Kampfes in Preussen nicht verlegen, und es musste ihm erwünscht
sein , wenn er es mit zuverlässigen Unterthanen besetzen konnte, da er hiedurch die
Zahl der zum regelmässigen Kriegsdienst verpflichteten und befähigten vermehrte. Bei
der Verleihung der Jurisdiction über andere kam zweierlei in Betracht, die Gefälle
und die Beschränkung persönlicher Willkür. Die Gefälle namentlich der höheren Ge-
richtsbarkeit waren nicht unbeträchtlich, und der Orden hatte also auch hier ein finan-
zielles Interesse, sie in seiner Hand zu behalten. Ueberdies aber war zu fürchten,
wenn die Gerichtsbarkeit über gewisse Familien eben bekehrten Preussen ganz über-
tragen wurde, dass ein nicht geringer Rest altheidnischer Willkür in die Ausübung
derselben übergehen möchte8. Alle, auch die edelsten und anhänglichsten der Preus-
1) Versehr, für Santyrmes etc. und für Marus etc. von 1267, für Pygant etc. von 1277.
Elb. Komth. p. 124, 97, 89.
2) Nach der schon erwähnten Urk. von 1282, vgl. die mehrerwähnte Urk. Johanns von
Wegeleben : »dass unsere Leute frei zu ihnen mögen ziehen, die mit ihnen in den vorbe-
sprochenen Gütern zu wohnen zuRathe werden, und gleicherweise wieder zu uns zu ziehen,
wenn sie frei sollen gelassen werden.«
3) (Familiae) absque berede morientes in der Urk. bei Voigt 3, 91, und ähnliches oft.
4) Versehr. Mangolds für Mandio von 1 280 Elb. Comth. p. 91: item de hereditate, que
fortassis contigerit sine herede aliquando inveniri, faciant sicut fratres nostri super hujus-
modi eventum secundum deum facere consueverunt. Was hier secundum deum heisst,
heisst anderwärts dei justicia observata: Versehr, für Kantigerde und für Muntingen von
1284, Fol. X, p. 78, 81. In der Versehr, für Pygant von 1277 ist ausdrücklich von Versor-
gung der Hausfrau die Rede, und so ist ohne Zweifel auch die von Voigt 3, 436 Anm. 1 ange-
führte Stelle zu deuten, die er anders zu erklären sucht.
5) Dieser letztere Gesichtspunkt ergiebt sich aus Stellen, wie folgende : Similiter damus
in presenti edicto C. ac suis heredibus plenam auctoritatem in bonis suis judicandi majora
judicia et minora, tarnen nostri capituli advocato presente. Versehr, für Cabilo von 1290