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PETRI DE DUSBURG
in den Verschreibungen aus den letzten Decennien des Jahrhunderts bemerkt1. Um
aber die Belastung durch die Kriegsverpflichtung überall recht zu würdigen, darf man
nicht übersehn, dass eine sehr grosse Zahl der Verschreibungen aller drei Klassen
nicht für eine einzelne Person, sondern für mehrere Verwandte zugleich ausgestellt
ist, welche so wie ihre Erben sämmtlich zum Kriegsdienste pflichtig waren. Wie die
Zahl der Besitzer konnte auch die Zahl der Bewaffneten, die der Orden auf Grund sol-
cher Verschreibungen fordern durfte, sich verändern. Die Dienstpflicht stand hier also
in keinem festen Verhältniss zu dem verliehenen Grund und Boden ; allein dieses Prin-
cip, wie es bereits in der kulmischen Handfeste ausgesprochen war, machte sich auch
in den ländlichen Verschreibungen allmählig geltend, und scheint die Verleihung von
Landgütern auf kulmisches Recht auch an Preussen , neben andern Rücksichten em-
pfohlen zu haben. Unter den Verschreibungen der ersten Klasse finden wir nur eine,
unter denen der zweiten Klasse nur wenige, in welchen ausdrücklich eine bestimmte
Zahl von Diensten ausbedungen wird2; dagegen wird in den Verschreibungen auf kul-
misches Recht die Zahl der zu leistenden Dienste in den meisten Fällen ausdrücklich
bezeichnet. In manchen derselben steigt die Zahl der Belehnten bis drei, vier oder
fünf, und doch wird ausdrücklich nur ein Streitross und ein Bewaffneter, oder zwei
Streitrosse und zwei Bewaffnete gefordert3. Den Dienst mit einem Streitrosse und mit
leichten preussischen Waffen, die auch hier immer gemeint sind, nannte man Platen-
dienst4.
Dass irgend ein Gut in Preussen ohne alle Belastung in der Hand eines Eingebor-
nen geblieben sei, könnte man nicht sagen, wenn auch die Landesherrschaft in Zeiten
derxNoth die Ausdrücke in ihren Verschreibungen wählen, ja den Schein wirklich
lassen musste, als sei es der Fall. In mehreren der Withingverschreibungen nämlich
wird neben neu verliehenen Gütern der ererbten Besitzungen5 des Withings in einer
Weise gedacht, dass weder die Formeln der Verleihung noch die der Dienstbelastung
ausdrücklich auf die letzteren bezogen werden. Aber ebenso wenig werden diese
Formeln auf die neu verliehenen Güter eingeschränkt, und es ist wohl kaum zu be-
zweifeln, dass diese Zweideutigkeit eben beabsichtigt sei. Man brachte so auch die am
günstigsten gestellten Preussen in ein dem kulmischen ähnliches Lehnsverhältniss6.
1) Versehr, für Symunt etc. und für Kudrawe etc. von 1292, für Albert von 1296; für
Stephan von 1 290, für Gederikes von 1296, für Triene von 1 298 u. s. w.
2) Unum servicium in armis Pruthenicalibus, Versehr, für Sambango von 1287. — Ra-
cione dicte collacionis cum duobus viris totidemque equis et una brunia, clipeis et lanceis
secundum morem patrie sint parati in der Versehr, für Letyen von 1292. Vgl. die ermel.
Versehr, für Curthi von 1282 und für Gaudinis von 1284.
3) Duobus hominibus armatis et totidem equis solutis, Versehr, für Poytim etc. von
1 282 ; equus et eques, clipeum et thoracem sive bruniam habens, Versehr, für Wargino von
1282; duobus equis solutis et totidem equis armatis secundum terre consuetudinem, Ver-
sehr. für Doybe von 1284, für Swinto von 1 287 ; uno spadone et armis levibus, Versehr, für
Kietz von 1 289; duobus spadonibus et armis levibus secundum Pruthenorum consuetudi-
nem, Versehr, für Nauier etc. von 1289; uno spadone et viro armato, Versehr, für Cabilo
von 1 290 ; uno spadone et levibus armis, Versehr, für Jordan etc. von 1298 und für Algande
von 1 300.
4) S. die von Voigt 3, 448 Anm. 3 angeführte Stelle, und vgl. die kulmische Handf.
p. 458 und Cod. dipl. Pruss. I, n. 66.
5) Diese sind als solche überhaupt nur kenntlich in den Versehr, für Ibuthe von 1255,
für Berisko, für Ramiko etc., für Tyrune, für Waydoten etc., für Regune, (für Girdalle).
6) So wird Ibuthe 1 255 zu Kriegsdiensten verpflichtet, sicut ceteri nostri feodales. In
der Versehr, für Romike und Gilbii s von 1261 wird die Verpflichtung zum Kriegsdienst auch
auf die hereditas gelegt. Voigt bemüht sich 3, 321 und 442 herauszubringen, dass das ange-
stammte Erbe als Allode, nicht wie die hinzukommende Schenkung als Lehn anzusehen sei,
und findet darin etwas dem Withingstande, wie er ihn sich denkt, eigenthümliches. Allein
es ist Gewicht darauf zu legen, dass angestammte und dazu verliehene Besitzungen doch
nur in wenigen der Withingsverschreibungen unterschieden werden ; dass, wo es geschieht,
überall die beregte Zweideutigkeit herrscht; dass zuverlässig kein Withing der Dienstver-
pflichtung gegen die Landesherrschaft (sie mochte nun wie auch immer begründet werden)
sich entziehen konnte; dass endlich besondere Eigenschaften der angestammten Besitzungen
weder in der Theorie noch in der Praxis jemals statuirt sind. Ueberdies macht Voigt in der
Hauptsache einen unrichtigen Schluss, indem er aus dem Erlass des Decems folgert: »sie
sassen somit auf diesen freien Erbgütern aller Verpflichtungen und Leistungen entbunden,
wie ihre Väter der heidnischen Zeit sie besessen hatten.«
PETRI DE DUSBURG
in den Verschreibungen aus den letzten Decennien des Jahrhunderts bemerkt1. Um
aber die Belastung durch die Kriegsverpflichtung überall recht zu würdigen, darf man
nicht übersehn, dass eine sehr grosse Zahl der Verschreibungen aller drei Klassen
nicht für eine einzelne Person, sondern für mehrere Verwandte zugleich ausgestellt
ist, welche so wie ihre Erben sämmtlich zum Kriegsdienste pflichtig waren. Wie die
Zahl der Besitzer konnte auch die Zahl der Bewaffneten, die der Orden auf Grund sol-
cher Verschreibungen fordern durfte, sich verändern. Die Dienstpflicht stand hier also
in keinem festen Verhältniss zu dem verliehenen Grund und Boden ; allein dieses Prin-
cip, wie es bereits in der kulmischen Handfeste ausgesprochen war, machte sich auch
in den ländlichen Verschreibungen allmählig geltend, und scheint die Verleihung von
Landgütern auf kulmisches Recht auch an Preussen , neben andern Rücksichten em-
pfohlen zu haben. Unter den Verschreibungen der ersten Klasse finden wir nur eine,
unter denen der zweiten Klasse nur wenige, in welchen ausdrücklich eine bestimmte
Zahl von Diensten ausbedungen wird2; dagegen wird in den Verschreibungen auf kul-
misches Recht die Zahl der zu leistenden Dienste in den meisten Fällen ausdrücklich
bezeichnet. In manchen derselben steigt die Zahl der Belehnten bis drei, vier oder
fünf, und doch wird ausdrücklich nur ein Streitross und ein Bewaffneter, oder zwei
Streitrosse und zwei Bewaffnete gefordert3. Den Dienst mit einem Streitrosse und mit
leichten preussischen Waffen, die auch hier immer gemeint sind, nannte man Platen-
dienst4.
Dass irgend ein Gut in Preussen ohne alle Belastung in der Hand eines Eingebor-
nen geblieben sei, könnte man nicht sagen, wenn auch die Landesherrschaft in Zeiten
derxNoth die Ausdrücke in ihren Verschreibungen wählen, ja den Schein wirklich
lassen musste, als sei es der Fall. In mehreren der Withingverschreibungen nämlich
wird neben neu verliehenen Gütern der ererbten Besitzungen5 des Withings in einer
Weise gedacht, dass weder die Formeln der Verleihung noch die der Dienstbelastung
ausdrücklich auf die letzteren bezogen werden. Aber ebenso wenig werden diese
Formeln auf die neu verliehenen Güter eingeschränkt, und es ist wohl kaum zu be-
zweifeln, dass diese Zweideutigkeit eben beabsichtigt sei. Man brachte so auch die am
günstigsten gestellten Preussen in ein dem kulmischen ähnliches Lehnsverhältniss6.
1) Versehr, für Symunt etc. und für Kudrawe etc. von 1292, für Albert von 1296; für
Stephan von 1 290, für Gederikes von 1296, für Triene von 1 298 u. s. w.
2) Unum servicium in armis Pruthenicalibus, Versehr, für Sambango von 1287. — Ra-
cione dicte collacionis cum duobus viris totidemque equis et una brunia, clipeis et lanceis
secundum morem patrie sint parati in der Versehr, für Letyen von 1292. Vgl. die ermel.
Versehr, für Curthi von 1282 und für Gaudinis von 1284.
3) Duobus hominibus armatis et totidem equis solutis, Versehr, für Poytim etc. von
1 282 ; equus et eques, clipeum et thoracem sive bruniam habens, Versehr, für Wargino von
1282; duobus equis solutis et totidem equis armatis secundum terre consuetudinem, Ver-
sehr. für Doybe von 1284, für Swinto von 1 287 ; uno spadone et armis levibus, Versehr, für
Kietz von 1 289; duobus spadonibus et armis levibus secundum Pruthenorum consuetudi-
nem, Versehr, für Nauier etc. von 1289; uno spadone et viro armato, Versehr, für Cabilo
von 1 290 ; uno spadone et levibus armis, Versehr, für Jordan etc. von 1298 und für Algande
von 1 300.
4) S. die von Voigt 3, 448 Anm. 3 angeführte Stelle, und vgl. die kulmische Handf.
p. 458 und Cod. dipl. Pruss. I, n. 66.
5) Diese sind als solche überhaupt nur kenntlich in den Versehr, für Ibuthe von 1255,
für Berisko, für Ramiko etc., für Tyrune, für Waydoten etc., für Regune, (für Girdalle).
6) So wird Ibuthe 1 255 zu Kriegsdiensten verpflichtet, sicut ceteri nostri feodales. In
der Versehr, für Romike und Gilbii s von 1261 wird die Verpflichtung zum Kriegsdienst auch
auf die hereditas gelegt. Voigt bemüht sich 3, 321 und 442 herauszubringen, dass das ange-
stammte Erbe als Allode, nicht wie die hinzukommende Schenkung als Lehn anzusehen sei,
und findet darin etwas dem Withingstande, wie er ihn sich denkt, eigenthümliches. Allein
es ist Gewicht darauf zu legen, dass angestammte und dazu verliehene Besitzungen doch
nur in wenigen der Withingsverschreibungen unterschieden werden ; dass, wo es geschieht,
überall die beregte Zweideutigkeit herrscht; dass zuverlässig kein Withing der Dienstver-
pflichtung gegen die Landesherrschaft (sie mochte nun wie auch immer begründet werden)
sich entziehen konnte; dass endlich besondere Eigenschaften der angestammten Besitzungen
weder in der Theorie noch in der Praxis jemals statuirt sind. Ueberdies macht Voigt in der
Hauptsache einen unrichtigen Schluss, indem er aus dem Erlass des Decems folgert: »sie
sassen somit auf diesen freien Erbgütern aller Verpflichtungen und Leistungen entbunden,
wie ihre Väter der heidnischen Zeit sie besessen hatten.«