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Hirsch, Theodor [Editor]; Töppen, Max [Editor]; Strehlke, Ernst Gottfried Wilhelm [Editor]
Scriptores rerum Prussicarum: die Geschichtsquellen der preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft (1. Band) — Leipzig: Verlag von S. Hirzel, 1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.54721#0285

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CRONICA TERRE PRÜSSIE. BEILAGE 8.

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Merkwürdig ist in dieser Beziehung eine spätere Urkunde, in der doch nur früher
festgestelltes näher ausgeführt wird. Ein gewisser Luprecht erhielt nämlich im Jahre
1328 eine Besitzung bei Wargen mit der Zusicherung, dass er und seine Erben dafür
zu keinem besonderen Dienste verpflichtet sein sollten, ausserdem noch ein
paar Haken Ackers, und doch heisst es am Schluss der Verschreibung, Luprecht und
seine Erben hätten für diese Verleihung die gewöhnlichen Kriegsdienste und die übri-
gen Pflichten der Lehnsfolge zu erfüllen. Schwerlich wird sich jemand entschliessen,
jene Besitzung bei Wargen ein dienstfreies Allod zu nennen1.
Das Erbrecht in Preussen wurde nur im Allgemeinen als ein ununterbrochenes
und ewiges bezeichnet2, die Entscheidung über die Rechte von Töchtern, Cognaten
und Agnaten der Zukunft anheimgestellt. Später freilich wurde es gewöhnlich, das
ununterbrochene Erbrecht so zu deuten, dass nach demselben nur Söhne, nicht
Töchter, auch nicht Cognaten und Agnaten, selbst Brüder nicht erbberechtigt seien,
dass also das Gut, wenn kein Sohn vorhanden sei, an die Landesherrschaft falle3. Im
dreizehnten Jahrhundert aber stand diese Deutung keineswegs fest, und wenn in ein-
zelnen Verschreibungen desselben ausdrücklich das Erbrecht beider Geschlechter oder
der Seitenverwandten erwähnt wird, so ist dies kein sicheres Zeichen, dass es ander-
wärts nicht Statt gehabt habe. Gedune und Troppein erhielten (1261 und 1262) ihre
Verschreibungen für sich und ihre Erben von beiderlei Geschlecht4; mehreren
Wittlingen gestanden der Landmeister Mainhart von Querfurt und der samländische
Bischof Siegfried von Regenstein im Jahre 1296 das Recht zu, dass ihre Güter, wenn
sie und ihre Nachkommen keine Leibeserben hinterliessen, an ihre männlichen Sei-
tenverwandten übergehen sollten5; in den Verschreibungen für Sambango von 1 287
und für Bute von 1303 werden sogar männliche und weibliche Seitenver-
wandte für erbberechtigt erklärt6. Dass in diesen letzteren Verschreibungen das
Recht der geraden weiblichen Linie auf das Erbe vorauszusetzen sei, wird niemand
bezweifeln ; so ist es aber auch wahrscheinlich, dass in jener Withingerurkunde von
1296 der Ausdruck Erben die männliche und die weibliche Linie umschliesse7. End-
lich ist auch das noch hervorzuheben, dass nach altpreussischem Herkommen sehr
gewöhnlich mehrere Brüder, ja Verwandte von ferneren Graden auf einem Gute zu-
sammen wirthschafteten, wie denn eine grosse Zahl der uns erhaltenen Verschreibun-
gen nicht auf eine, sondern auf mehrere, drei, vier, fünf Personen lauten. Hier scheint
1) Versehr, für Luprecht von 1 328 bei Kreuzfeld S. 48: et sciendum, quod neque jam
dictus Luprecht neque quisquam suorum heredum de prefata collacione ad al i quod spe-
ciale servicium videantur coherceri. Man vgl. hiemit folgende Worte aus der Versehr,
für Troppein von 1262 : quibus ut dictum est (es ist von dem gewöhnlichen Kriegsdienst die
Rede) exhibitis, nihil ab eis ex parte domus nostre alterius servicii requiratur. Auch die
Withinge begreift der Ausdruck feodales, wie Voigt 4, 597 zugiebt.
2) Die gewöhnlichen Ausdrücke sind : Has — familias — W. heredesque sui jure here-
ditario in perpetuum — possidebunt (Wargule) ; oder — familias S. et heredes sui jure he-
reditario perpetuo possidebunt (Schardimo) ; oder — Sudowitis, scilicet Scumant et tribus
filiis ejus — ac ipsorum veris heredibus villam — tradimus jure perpetuo'possidendam.
3) Die von Voigt 3, 429 Anin. 2 angeführte Einleitung der Urk. von 1296, in welcher
diese Erklärung gegeben wird, ist offenbar späterer Zusatz. Dass dieser Erklärung im Gan-
zen auch die Praxis der späteren Zeiten entsprach, zeigt das von Kreuzfeld S. 16, 17 ange-
führte Schreiben des Hochmeisters Ulrich von Jungingen. Für die Auffassung der ursprüng-
lichen Absicht ist aber mehr Nachdruck darauf zu legen, dass ein ermeländischer Bischof
sich diese Erklärung des Hochmeisters Ulrich erbeten hatte, da er nicht wusste, wie es der
Orden mit den Verschreibungen auf Erbrecht hielte. Ja selbst in der Praxis der späteren
Zeit scheint man doch keinesweges so entschieden gewesen zu sein, da Hartknoch für seine
Zeit das Gegentheil versichert. A. und N. Preussen S. 564. Beides wäre unbegreiflich, wenn
die Deutung des Erbrechtes so einfach und klar wäre, wie Kreuzfeld a. a. 0. und nach ihm
Voigt 3, 435 Anm. 2 glauben.
4) Hec omnia sibi suisque heredibus utriusque sexus sunt collata.
5) Urk. Siegfried’s und Mainhard’s von 1296 bei Kreuzfeld S. 39, 40, bei Voigt Eidech-
sengesellsch. S. 226.
6) Si predictus Bute vel quicunque successor ejus sine herede morietur, hic, qui pro-
pinquior affinitate fuerit utriusque sexus, prefata bona hereditarie possidebit.
7) Besonders wie man sie mit der bei Kreuzfeld unmittelbar darauffolgenden (die sonst
unbegreiflich wäre) im Zusammenhänge auffasst.
 
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