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Hirsch, Theodor [Hrsg.]; Töppen, Max [Hrsg.]; Strehlke, Ernst Gottfried Wilhelm [Hrsg.]
Scriptores rerum Prussicarum: die Geschichtsquellen der preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft (1. Band) — Leipzig: Verlag von S. Hirzel, 1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.54721#0310

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NICOLAUS VON JEROSCHIN

allgemeiner werdenden Bedürfnisse nach Erkenntniss der wirklichen Welt ent-
gegen kamen.
Bereits der unmittelbare Nachfolger Werners von Orseln, der auch selbst
in deutscher Dichtkunst thätige und als Förderer einer anderen dichterischen
Uebertragung unten zu erwähnende Hochmeister Luther, Herzog von Braun-
schweig (1331. 17. Februar f 1335 18. April), trug dem Deutschordenspriester
Nicolaus von Jeroschin, welcher schon unter seiner Regierung hochmei-
sterlicher Caplan gewesen sein mag, auf, eine Uebersetzung von Peter’s von
Dusburg Chronik in deutschen Reimen zu verfassen (N. v. J. V. 182 ff“.). Nach-
dem Jeroschin schon mehr als achtzig Seiten davon geschrieben hatte, vertilgte
ihm, wie er sagt, das arge Thier, das Joseph’s Rock zerriss, die Arbeit, worin
man wohl mit Recht eine Anklage gegen neidische Mitbrüder des Ordens sieht.
Hochmeister Dietrich von Altenburg (1335. 3. Mai— 1341.6. Octbr.), der gleich-
falls einige metrische Uebersetzungen theologischer Werke veranlasste, wieder-
holte die Aufforderung seines Vorgängers, und gab so die Veranlassung zu der
Entstehung der vorliegenden von Jeroschin der Patronin des Ordens, der Jung-
frau Maria, geweihten (vgl. Vers 329 f. 3683 f. u. 1502) Reimchronik.
Ob eine Uebersetzung eines noch vorhandenen, in dieser Sammlung selbst
herausgegebenen Werkes , welche noch dazu bei ihrem sehr grossen Umfange
einen bedeutenden Raum beansprucht, ganz hier aufzunehmen gewesen sei,
dürfte manchem zweifelhaft erscheinen. Die verhältnissmässig nicht zahlrei-
chen grösseren Zusätze Jeroschin’s würden an sich einen solchen Abdruck aller-
dings kaum rechtfertigen; davon abhalten könnte sogar, dass wohl auch der
Zwang der gereimten Rede den Uebersetzer zu einzelnen unverhältnissmässigen
Ausführungen über die von dem Originale gebotene Grundlage hinaus, zur Hin-
zufügung von Ausfüllwörtern u. dgl., welche mitunter den sachlichen Inhalt
alleriren, also zu einer Entfernung von strenger historischer Treue veranlassten.
Aber, wie in der Vorrede zu Dusburg (o. S. 9 f.) bemerkt wurde, Nicolaus von
Jeroschin lebte noch in der Anschauung derselben Verhältnisse als Peter von
Dusburg fort und, besonders für die späteren, seiner Beobachtung (vgl. V. 271)
näher liegenden Zeiten, sind seine im Einzelnen kaum ausscheidbaren kleineren
Zuthaten und Aenderungen auch für historische Zwecke der Berücksichtigung
nicht unwerth. Es trat noch eine andere Erwägung hinzu. Das Werk des Jero-
schin, welches seiner Zeit seinen Zweck ganz erfüllte, indem es sogar das Ori-
ginal lange ganz in den Hintergrund drängte, und welches somit eine bedeutende
Stelle in der Ueberlieferung der Kunde preussischer Geschichte einnimmt,
ist so oft in unserer provinciellen historischen Literatur angeführt, in ver-
schiedenem Sinne beurtheilt und benutzt worden, dass einheimische Freunde
unserer Landesgeschichte eine Lücke in dieser Sammlung sehen würden, wenn
dieselbe ihnen nicht den vielberufenen Autor ganz und zu einheitlicher Beur-
theilung entgegenbrächte. Zudem lässt sich seine poetische Begabung, so weit
sie freien Spielraum gewinnt, als eine durchaus nicht gering zu schätzende er-
kennen. Sein Vortrag bringt in die düster ascetischen Züge seines Vorgängers
doch einige Lebenswärme hinein : sogar Scherz und Spott gewinnen unter seiner
Hand Boden ; Sprichwörter werden angeführt aus volksmässiger Rede , der er
auch zum Theil seinen wunderbaren Schatz von bezeichnenden Worten ver-
dankt , während er die Schriftsprache auch durch Worte bereichert, die er aus
dem Lateinischen herübernimmt; wo ihn der Stoff lebhafter ergreift, tritt auch
neben die Uebersetzung von Dusburg’s >ego< sein eigenes >ich<, und wird sein
 
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