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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 8.1917-1918

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Drittes Heft
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Schreyer, Lothar: Das Bühnenkunstwerk
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Behrens, Franz Richard: Gedichte
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Knoblauch, Adolf: Gereut, [2]: Erzählung
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https://doi.org/10.11588/diglit.37114#0046

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Das Bühnenkunstwerk wird gespielt.
Die Bühnenkunst schafft den Techniker des Spiels.
Die Bühnenkunst schafft den Schauspieler des Spiels.
Die Bühnenkunst schafft den Musiker des Spiels.
Das Bühnenkunstwerk wird im Menschenhaus gespielt.

Die innere Gestalt des Kunstwerkes ist das weltmächtige
Erlebnis. Das Erlebnis ist nur faßbar in der Vorstellung einer
Gestalt. Wir fassen das Erlebnis nicht, das Erlebnis faßt uns.
Die Gestalt des Erlebnisses stellt nichts vor. Das Erlebnis ist
nichts der natürlichen Wirklichkeit. Nichts wird vor das Er-
lebnis gestellt. Das Nichts kann gestaltet werden. Das gestal-
tete Erlebnis steht vor uns. Wir sind vor die Gestalt gestellt.
Die innere Gestalt wird von der äußeren Gestalt ausge-
löst. Die innere Gestalt ist im Kunstwerk und in uns.
Die Kunstmittel wirken die Kunstmacht. Die Kunstmacht
wirkt die Weltmacht. Die Weltmacht ist der Zustand, der den
Menschen zur Welt macht. Der wollende, tätige Mensch ist
naturmächtig, der sehnende, erlebende Mensch ist weltmächtig.
Der Erlebende kann nicht handeln und nicht wollen. Der
Mensch ist nicht Mensch. Er fühlt nicht und denkt nicht. Er
ist verständnislos und unverständig. Er ist auch unverständlich.
Er hat nicht das Wollen, verstanden zu werden. Aber er hat die
Sehnsucht, zu verstehen, was nicht verstanden werden kann. Er
ist gefühllos. Das weltmächtige Erlebnis ist kein Gefühl. Das
Erlebnis ist Erkenntnis durch Offenbarung. Dem Entmenschten
wird offenbar, was der Mensch mit Gefühl und Verstand nicht
fassen kann. Da er nur im Erlebnis erkennt, erkennt er das Er-
kannte im Leben nicht mehr.
Das Menschenhaus ist unser Haus des Erlebens.
Im Menschenhaus wird uns die Kunde der Erkenntnis.
In der Offenbarung des Kunstwerkes sind wir offenbar
Die Offenbarung ist unser Reich.
Der Mensch steht auf zur Menschheit.
Der Sturm der Auferstehung ist unsere Tat,
Nur der Stürmende steht im Sturm.

Gedichte
Franz Richard Behrens
Sechstaktmotor
Für Rudolf Blümner
Blühen muß meine Maschine
Grüne Frösche
Verspannungsbefestigungslasche
Hellgrünheben
Neunzehnhundertneunundsiebenzig
Wenn ich meine Bomben werfe
Grüne Hunde
Antrieb vom Geschwindigkeitsmesser
Rote Dächer
Fünfundzwanzig und dreißig Kilogrammquadratmeter
Bin ich schneller als er
Der stille Herr
Zelluloid
Dunkle Bäume
Elftausend Kilogramm
Aber wohin werfen
Mondsüchtige
Cellon
Weiße Wölkchen
Dreimal Hundertzwanzig Quadratmeter
Jetzt gilts Freund
Der Nachtwandler

Propeller mit geschweifter Eintrittskante
Platzende Schrappnells
Ka x Ka ypsilon und A durch W
Er ist stark
Der Drehwurm fährt Karusell
Aus einem Stück gebogenes Scharnier
Daunen steigen
Eins Komma eins von Hundert
Fünfzig Meter steht er über mir
Ganz große Kanone
Vorrichtung zur Verankerung der Verwindungsklappen bei Wind :
Halten sich zu meiner Rechten
Null Komma dreizehn Millimeter
Fünfzig Meter, liegt er auf mich
Küken Rollengehäuse für Seilzug
Sie mehren sich
Dreizehn Komma vier Metersekunden
Was sind fünfzig Meter
Oberfranz franzt Strich
Haftenteil für Gürtelschnalle zum Festschnallen
Schon sind sie auf beiden Seiten
Eins Komma zwei zwei drei Kilogrammkubikmeter
Dauerfranz verfranzt
Bajonettförmige Befestigung von Tragdeckenholmen
Die mit Laub bedeckten Erdhütten
Fünfzehn Grad Celsius
Ich sehe sein Grinsen
Affenfahrt
Autokanister
Protzen Munitionswagen Gespanne
Ka ypsilon mal S mal Vquadrat
Er beugt über Bord
Ich will noch heute zum Südpol
Schwarzblechklempner
Ihr habt recht euch zu retten
Nullkommanullfünf neun-sechsdrei
Ich höre nichts mehr
Ha und Be
Tropfende Rostschutzlack
Fünf Atemzüge sitze ich ihm im Rücken
Kaltes Messer am Halse
Mäuschen und Nägel
Kugellager
Herz über Herz
Kreuztraversen
Splitter spritzen fünfundzwanzig Meter gurgelnd
Meine Maschine küßt mir die Hand
<HHIHHHM<HH<<HIII II Ull

Cereui
Erzählung
Adolf Knoblauch
Fortsetzung
Myrddhins Tod
Ein Zufluchtheischender kam aus den Schenken der großen
Stadt zu den Mündigen. Ein herrlicher Dichter! Das gewaltige
Haupt, Stirne, Augen, Stimme, gesiegelt vom Genie, der schmale
kleine Leib verzehrt in schmerzenreicher Kraft. Gebresthaft,
todumwittert verbrachte Myrddhin die letzten Lebenstage in
der Umarmung von Erde und Wald.
Im Walde saß der Ehrwürdige barhäuptig, sonnflimmem-
den Wirrhaars, großäugig! Auf Moos zu Füßen starker Kiefern
wartete er scheu und rückte andächtig dem Sonnenstrahl nacb,
der die Erde glühte und unsichtbar vorging wie ein schneller
Uhrzeiger. Jeden Mündigen, jeder Frau, jedes Kind, jedes
Mädchen, jeden Jüngling grüßte er traulich bei Namen und
liebte ihr munteres Wort. Das war kaum die Zärtlichkeit des
Großvaters, es War die Liebkosung Gottes, der seine schöne

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