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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 8.1917-1918

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Neuntes Heft
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Dresler, Kinner von: Das Meer
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Friedlaender, Salomo: Das Prisma und Goethes Farbenlehre
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https://doi.org/10.11588/diglit.37114#0147

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Jörn wiH es ihr entreißen
Kind:
Er tut mir weh.
Trud:
Laß,
Jörn:
Und dich dazu —
Dich liebe ich —
Die Mutter soll ihr Kind haben.
Trud:
Ich bin das Meer.
Jörn:
Dich liebe ich Mörderin.
Komm, du.
Trud:
Wolkendach
Bersten und brechen
Tiefes Blut
roter Sturz.
Er stutzt
Wagst du es, komm,
da nimm.
Wirft das Kind über die Felsenkante ins Meer
Jörn:
Trud!
Trudlacht
Jörn würgt
Mord! (Jörn küßt)
Trud:
Das sind die Wellen
Bergauf, bergab
Nacht und Tag
Böiger Schlag!
Jörn:
Trud!
Trud:
Jörn!
Jörn:
Solche Liebe.
Trud:
Solches Leben.
Rasen
Trud:
Das Meer,
reißt sich von ihm los
Das Ende.
Jörn:
Jetzt bin ich erst.
Trud:
Jetzt bist du zum Tode, (umarmt heiß)
Jörn bang:
Nein.
Trud:
Komm.
Sie rollen umschlungen zur Felskante
Jörn:
Trud
Sie stürzen hinab.
D a s M e e r :
Menschen.
Drei einsame hohe Kreuze am stillen, weiten, sonnigen, end-
losen, blauen Meer,
Erster Fischer in der Sonne am Boden liegend:
Das war ein Sturm heute Nacht.
Zweiter Fischer:
Seit Menschengedenken wars nicht so toll.
Erster Fischer:
Von dem großen Dampfer soll nichts mehr zu sehen sein.
Kein Schornstein, kein Mast. Nichts. Alles verschluckt.

Zweiter Fischen
Ja, ja das Süderriff. Da sollt man einen Leuchtturm hin-
setzen.
Erster Fischer:
Jörn soll bei der Rettung eines Kindes ertrunken sein. Auch
die Meerhexe, die oben in den Felsen wohnt, ist fort.
Zweiter Fischer:
Die Trud. Auf einmal ist sie wieder da zu neuem Unglück,
(fröstelt.) Schade um Jöm, er war der mutigste, beste Fi-
scher auf der Insel. Schade.
Fischer nach einer Pause:
Heut ist aber ein schöner Tag. (Dehnt sich.)
Zweiter Fischer:
Kommst du heut Abend zu Witwe Tieß?
Erster Fischer:
Natürlich, da saufen wir eins und noch eins: Die kleine,
blonde Dem kommt auch hin, zum Tanzen! Das wird lustig.
Das wird Morgen bis wir nüchtern werden.
Zweiter Fischer (dehnt sich in der Sonne):
— — ist so schön, so schön.
Erster Fischer:
Wie blau das Meer,
Zweiter Fischer:
Das Meer? — Unsinn —
(reißt eine kleine Gänseblume aus dem Fuß des einen Kreuzes
und zupft die Blätter)
Liebt — liebt nicht — liebt — liebt nicht — liebt —
Ende.

Das Prisma und Goethes Farbentehre
Dr. S. Friedlaender
Im dritten Bande des Jahrbuches der Goethe-Gesellschaft
liest man einen sehr interessanten Aufsatz von Eduard Raehl-
mann über Goethes Farbenlehre, über das Werk also, welches
Goethe selbst als das Hauptwerk seines Lebens erklärt hat.
Wäre der Irrtum nicht einfacher, plausibler, populärer als
die Wahrheit, so hätte die Welt längst eingesehen, daß es nicht
bloß Licht, sondern wie Goethe es lehrt: einen ungeheuren, ur-
anfänglichen Gegensatz zwischen Licht und Finsternis gebe, und
daß die Farbe nicht wie Newton wähnte, und Goethe, ohne bis
zum heutigen Tage damit Recht zu bekommen, widerlegte, allein
aus dem Lichte, sondern aus Licht mit Finsternis zusammen her-
rühre. Eigentlich ist es im höchsten Grade lächerlich, daß man
etwas so Sinnen- und Sonnenklares nur deshalb nicht sehen und
einsehen will, weil man im Grunde die Finsternis für gar nichts
hält. Eben daher machte sich der Engländer Lewes über die Ab-
surdität Goethes lustig, daß er aus „Nichts", vermischt mit Et-
was, aus Finsternis und Licht, die Farbe erhalten wolle.— ana-
log einem Tonlehrer, der aus Ton und Stille den . . . Ton er-
zeugen möchte. Aermster Lewes! Er spottet seiner selbst und
weiß nicht, wie oder wäre jemals ein Ton ertönt, ohne am wF
derstehenden Nichttönenden zu resonieren? Und spielt die
Pause nicht in der Musik eine so wichtige Rolle wie der Ton?
Ed. Raehlmann spricht Goethen ein herrliches Verdienst zu:
die Begründung der augenphysiologischen Farbentheorie. Die
physikalische Farbentheorie dagegen sei Newtons Domäne, und
Goethes Anspruch darauf sei falsch. Nach Raehlmann also sieht
das Auge als solches die Farben ganz in Goethescher Weise;
hingegen physikalisch objektiv gilt nach wie vor Newtons Theo-
rie. Aber das wäre schon rein logisch ein sehr gezwungener An-
satz. Goethe sah die gesamte Farbenwelt von einem einzigen
Gesetze beherrscht, und die physiologischen Funktionen des Ge-
sichts waren ihm maßgebend für die physikalischen Vorgänge,
Ein solcher Ansatz zur Allgemeingültigkeit ist nicht ohne trif-
tigen Grund aufzugeben. Vor allem aber sollte man bevor man
Gesetze aufstellt oder einschränkt, die Phänomene mit dem
treuen Auge Goethes sehen lernen.
 
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