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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 8.1917-1918

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Siebentes Heft
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Liebmann, Kurt: Tierspiel
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Dresler, Kinner von: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.37114#0112

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Ich krümme mich. Zerlalle mich. Schreie bluten aus meinem
Halse.
Zerkratze schillernde Kupierbelege. Zerschlage glotzende
Sandsteinstimen.
Hebe mich!
Hebe mich auf, auf in deine brennenden Spiralen.
Wir zischen. Lohen in sternenden Himmel!
Beblutet schwankt der Turm, entkrampft.
Heraufspritzen Pfiffe.
Häuser trappeln im Kreis.
Wir fressen uns mit siedenden Lippen.
Schlängeln, ein Feuer, auf kochend-flüssiger Turmspitze.
Wachsen! Wachsen! *
Kippen, eine glühende Erde, über Ziegel, Kupfer, schweigende
Heilige.
Zischen das Kirchendach entlang.
Fallen.
Gluten. Brennen. Leuchten.
Leuchten!
Trappeln von Füßen. Wiehern von Kehlen. Blutende Masse.
Kot. Gedärm. Gestank. Wimmern. Flucht!
Gekrümmt, muskelglatt, duckt der Himmel, eine gefleckte
Hyäne, über die zitternd— auseinanderberstenden Stadt.
Tropfende Stimmen rollen um fallendes Rathaus.
Mauern schachteln sich ineinander.
Menschen bespringen sich nackt.
Schlagen mit Fäusten in zerknitterte Stirnen.
Filzen sich zu zuckenden Pyramiden.
Knurren poltert über die Köpfe.
Atem brodelt. Zunge blakt.
In den funkelnden Leibersturz, in das Ueberschäumen de§
zuckenden Fleisches springt der Hyänenhimmel.
Reißt, schlägt, beißt, leckt, grunzt, trinkt Blut, Blut!
Lange! Lange! Oh!
Schweigen rennt durch wackelnde Gassen.
Knurren. Bröckeln. Röcheln.
Mondtiere huschen über das Pilaster.
Schmatzen in Leichen
Schleichen kichernd, weiß von Gedärm zu Gedärm.

Gedichte
Kinner v. Dresler
Nacht
Schlanke Pagenbeine
Spitze Nattemdolche
Traumesschweigen
Seufzen und silbernes Lachen
Liebst du

Und neue Blüten stehen überall
Brunnen rauschen rieselnd
Nachtigall zieht flötend
Und das schlanke Marmormädchen vergißt die weißen Glieder
vor dem Mondeslicht zu verbergen

Und das schlanke Marmormädchen hat die weißen Glieder mit
Wolkenschatten zugedeckt.
Gesang der Soldaten
Die Heimat lassen wir zurück
Uns bleibt nichts mehr als ein Blick
Vorwärts.
Zu Hause stöhnt die Mutter um den Sohn
Der Schwester bricht das Herz der Hohn
Vorwärts.
Das Mädchen schreit nach unsrer Liebe
Siehst du es nicht wir sind müde
Vorwärts.
Die Lippen öffnen weit
doch nur ein Beben
Vorwärts.
Freund stürmst du nicht neben mir —
Gefallen. Es gibt nur eine Gier
Vorwärts.
So treiben wir durch fremde Welt
Vorwärts.
Du bist bei mir
Erinnerung empfängt tastend
Wo
Immerfort die Frage ,
Wo
Dunkel wirft zusammen
Kältenadelgeißel peitscht stechend
Nach Atem ringt der Winterwald
Glitzernder Glanz schleudert die Augen
Rücken sind gespanntes Bogenholz
Herzen ziehen nach erloschner Feuerstelle
Da seh ich Dich
Mich friert nicht mehr
*
Marschieren marschieren marschieren
Staub Staub Staub
Glühende Feuer drehen uns die Hälse trocken
Weißer Dunst schlägt den Atem
Augen kratzen spitzen Sand
Füße brennen teigschwer
Durst röchelt in siedenden Dampf
Da seh ich dich
Mich dürstet nicht
Ätzender Tropfen glüht mich zurück
wieder
Marschieren marschieren marschieren
Staub Staub Staub
*
Trommelfeuer heute
Trommelfeuer gestern
immer immer immer
Kreißend heult die Erde
Tromben steigen schleudernd
Wehe Knalle wüsten werfen
Untergang in rollendem Rasen
Einer murmelt Gewohnheit
Ich starre auf bebende Erde und küsse eine kleine Blume
Da seh ich dich —
*
Grauvolles Dunkel grinst grifflos
Krumme Körper auf krummen Pferden
Grabkiste mauert stumm
Leises Schnauben
Rückgewichne Nacht drängt durch neue die entgegenstürzt
Tiefe
Ruhe. Ein Schuß
Tot.
Kamerad!
Mondlicht fällt zitternd

Blühender Flieder rauscht betäubend
Es sinkt die Nacht
Spiel
Ein Frauenlachen kieselt kalt
Schmetterndes Hinschlagen
Rotes Herzblut netzt weiße Blume
Brunnen rauschen nicht
Nachtigall fliegt

Blüten fallen
Ein morscher Zweig ragt kalt starr dornig
Frauenträne fällt Schüchtern
 
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