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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 8.1917-1918

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Siebentes Heft
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Heynicke, Kurt: Gedichte
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Mürr, Günther: Gedichte
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Striepe, Kurt: Maya!
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Der sichtbare Mensch: eine Antiwellsiade
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https://doi.org/10.11588/diglit.37114#0115

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Ich erblühe selber dir entgegen.
Tief in uns das große Schweigen.
Erde schweigt vor deiner Seele.
Blutnacht
Es singen viele Lichter Glanz im Saale.
Auf allen Tischen hüpfen die Musiken.
Mein Blut hockt dumpf vor meiner Seele.
Aufbrausend schwillt Begehren in den Saal:
Die satte Qual der einen Stunde mir ins Herz,
die Qual des Morgens,
wenn die Nacht entfällt
und weiche Kissen welke Worte stammeln.
Der Hohn der Nacht
der totgepeitschten Seele auf dem Nacken!
Gedicht
Wir wollen uns einander offenbaren
von allen Dingen uns entkleiden,
wir wollen nackend in die hohe Stunde fahren.
Ein junger Vogel nachtigallt im Irgendwo
süß schlingen uns die hellen Flöten ein
Musiken sind wir, ganz erhoben
hauptoben wandelt Schein und Sonne.
So laß uns wiegen, wiegend tragen
aus straßenlautdurchpflügten Tagen schreiten!
Herholen Fernstes aus der Feme!
Maiblütenweiße, Sterne, Sommernächte!
Laß unsern Willen Schöpfer sein!
Mach Sonne auf. Tritt ein!
Gedicht
Du
und ich
wir bergen einen Stern in gleichen Händen.
Wir haben eine Andacht auf den Lippen
ein Gipfel leuchtet überm Menschenwald.
Wir sind ein Händefassen.
Wir baden in der tiefen Einsamkeit.
Rings rauscht die Welt.
Aus den entstiegenen Gedanken kehrt das All,
das Vaterunser unsres ersten Anfangs.

Gedichte
Günther Mürr
Inselchen Du
im grauen Angstmeer.
Flut, Ebbe:
immer ist in Wehen gezogen
mühsam schwimmend das Herz.
Nacht weht und Tag in schnelle Wolken auf,
in müde, tiefe Schleierwolken auf.
Dich zu verhängen, Du, o Du?
Schwimmhände können sich nicht falten.
Hilft Wind, hemmt Wind zu Dir
überall ist nur Weit.
Aus streckt sich Hand nach dünnstem Strahl.
Fest krampfen.
Sich ziehen lassen,
Bis Stern durchbricht
Glanz uns faßt und rafft
Erdab

Insel Du, stille,
zünd an Marienleuchtturmlicht.
Lämpchen flimmert sternhaft fern.
All nur Fassen, Dehnen, Greifen.
Willst Dich nicht nehmen lassen.
Kannst Dich nicht langen lassen.
Rötlich, Huschen.
Flackerschatten.
Hand wird offen, ruhig, wartet.
Zärtlich wird Leuchten
Flackern wird Seidenschein, Marienschnee
Licht, komm, die Schatten mir von den Händen streifen
Komm die Lippen küssen.

Maya!
Ich kann nicht schreiben. Maya —! Jetzt nicht. Ich bin
tot. Krieg frißt meine sehende Seele. Stück um Stück.
Dürfte mein Atem einmal nur die Spitzen Ihrer Hände
küssen. Im Glanz würden meine Augen ertrinken.
Güte — Frauengüte — — mein Herz schreit fiebernde
Träume danach.
Niemand tut Güte mir. Nie —
Ich hasse das Leben, um das man weint.
Qh — meine wehen Hände —
Ich gab alle Kraft. Gebt mir etwas wieder. Daß ich mich
wenigstens zerschlagen kann. Gib mir etwas von Deiner Güte
— Du, ja, Du-!
Gib mir etwas von Deiner großen bunten Seele —
Etwas — oh Maya!
Oh — meine toten Augen

Kurt Striepe


Der sichtbare Mensch

Efae Antiwellsiade
Mynona
„Na, mein Dicker," seufzte die kleine Meduse, „nachge-
dacht? Was gefunden?"
Mit tränenschwerer Miene bejahte der Grünseidene: „Aller-
dings! Erheblich! Sozusagen, die negative Tarnkappe."
„Die?"
„Negative Tarnkappe."
„Aber da bin ich Sie doch nämlich sehre neugierig. Und
was verstehn Sie denn darunter?"
„Eine einfache Geschichte. Jenes gute Mannerl freute sich
über seine lumpige Entdeckung. Er hatte nämlich ein Mit-
tel gefunden, den Menschen unsichtbar zu machen."
Die Dame mit den braunen Haubenbändern und der zu-'
weilen trompetenden Nase erhob sich lotrecht: „Gottvoll! Er
meint den famosen Wells. Was könnte ich für Bräutigams
haben, wenn ich unsichtbar wäre! Du mein!"
„Aber Himmeldonnerwetter, Sie einfältige Gans! Wir
s i n d ja so gut wie unsichtbar, und dieser scheußliche Tro-
glodyt, ich meine den Wells, zerbricht sich seinen Rhinozeros-
schädel darüber, uns total durchsichtig zu machen."
„Ich begreife garnicht", sagte v. Stranski und begann auf
den Händen zu gehen und mit den Beinen einen mitgebrachten
Schoßmops zu jonglieren, „was das Vieh wieder vorhat? Er
will uns sichtbar machen, hat er versprochen."
Frau Xandra lehnte sich zärtlich an ihren Gatten, der aus-
sah wie ein mißratener Kartoffelpuffer: „Du bist doch schon so

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