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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 8.1917-1918

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Zwölftes Heft
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Mürr, Günther: Gedichte
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Striepe, Kurt: Maya
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https://doi.org/10.11588/diglit.37114#0186

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Meine bittere Reue weint.
Dein Herzschlag trägt,
zittert meiner letzten Angst.
Du tröstliche Verheißung liebenden Erbarmens.
Abendlied
Dein Abglanz noch hüllt mich in Schimmer.
Hoffnungssaft steigt in meine sündendorre Blume.
Erbarmen wölbt die Schale noch über mir.
Du bleibst mir, Lichtkelch.
Furchtsam trink ich den milden Marienschein.
Versenkung
Nebelstille hüllt den Leib.
Schlaiatmen.
Ich schlägt große Augen aul,
lautlos,
steigt in tielen Schacht zu sich.
Flimmert Funke.
Ich steigt.
Funkelt Leuchten.
Ich steigt.
Leuchtet letzten Lichtes Abglanz.
Am Grund.
Da schwingt Kreis ab,
kreisend Kreis um Kreis,
Da quillt Quell aus,
mündend in eignen Schoß.
Da schmilzt Strahl in Lichtewig.
Unendlich klingt da hinter engem Ja und Nein.
Das Kreuz.
Duwärts
Süße Ruhe du meiner Stirn.
All meine harten Dämme lösen sich im Duft.
Du Ich.
Neue Fülle quillt auf, quillt durch.
Duwärts ergieß ich mich
frühlingaufgetaut
münd ich in deinen warmen Mund.
*
Dein Anhauch, süße Weihrauchkerze.
Verlangen krampft mich.
Du löst die Starre.
Befreites Dehnen.
Die Augen gehn zu.
Tief atme ich dich.
*
Fern dir.
Tag dumpft Ich in Dunst.
Fern dir.
Schlaf räuchert Gift in den Atem.
Müde Seele, falte, falte die Hände,
ausgereckt nach der Verheißung.
Raff aus dem sandigen Grund dich.
Liebedurchtränkten Glauben vom Tröster erfleh.
Gesicht
Du rührst mich an,
süße Himmelshand.
Zittern zittert mich.
Auge geht auf dir,
mein blindgebornes,
aufgeschlossen sich — Dich zu sehn.

Maya
Es gibt doch etwas über den Tod. Die Sehnsucht danach.
Der Tod ist Erfüllung. Jede Erfüllung — Wünsche sterben.
Ich bin verwundert, dies nun erst zu begreifen. Ich komme
nach Hause. Auf dem Tisch lauert ein Brief. Bestimmt — er
lauert! Dies Lauern ist etwas grauenhaftes. Es steckt nachts
in dickem rotem Teppich, hinter dem Ofen, grient aus Glas-
schränken. Plötzlich springt es uns an, daß wir erwachen. Ich
fürchte mich und — reiße den Umschlag auf.
Mit all unserem Tun verneinen wir. Ich will nichts mehr
tun. Vielleicht hört der Hunger am Leben dann auch auf. Oh
— nicht mehr lebensdürstig sein — das wäre Höchstes, Maya!
Das glauben Sie mir nicht, Maya. Jemand .schreit mir ins
Ohr — „sie lacht". Lachen nicht, aber lächeln. Maya — oh,
Ihr Lächeln!
— Daß ich irrsinnig werde, daran glaube ich. Ich bin sehr
zufrieden. Niemand ahnt, wie glücklich ich werde. Ich bin
nicht eitel mit mir, sicher nicht! Aber bestimmt ist das Richtige
nie das Rechte für mich. Der Irren Welt ist größer und bunter.
Ich kann König werden und Tänzer, Heiliger und Narr. So —
oh so wird mein Leben ereignisarm hinwelken. Bis ich mich
eines Tages selbst zerschlage. Ich will die Möglichkeit haben,
etwas aus mir zu machen.
Nun, lachen Sie — Maya?
Ich fühle das. Und kann mir nicht helfen.
Manchmal bin ich sehr zerfallen. Gehe in mein Zimmer.
Packe einen Vers. Mund kost ihn. Und plötzlich sind Sie in
meinem Zimmer und Ihr Lachen.
Dann wird die Nacht sehr bunt.
Ich könnte dann — nein ich darf nicht sagen, was ich will.
Sie müßten mir fluchen. Der Fluch würde Sie häßlich machen.
Darum schweige ich.
Ihre Mutter — Maya — sagte, ich solle diese Briefe nicht
schreiben. Glauben Sie, daß man die erste Nacht bei einem
Weibe liegen kann, das man allein liebt, ohne es zu berühren?
Wenn das möglich ist, will ich nicht mehr schreiben. Aber,
wie die Liebe zu jener Nacht gehört, jso gehören diese Briefe
zur Qual meines Herzens. Ich werde krank. Ich werde sehr
krank. Aber ich muß das. Meine Qualen darf mir niemand
nehmen.
Auch Sie nicht — Maya!
Müdigkeit übertönt mich. Das könnte noch einmal anders
werden — wenn Jemand Ihnen etwas Häßliches täte. Nun
dies unmöglich ist, so werde ich sterben.
Stunden haben Angst vorm Tod.
Stunden haben sehr bewußtes Leben,
lächeln trunken, trüben Traum.
Ich habe mich meinen Stunden ergeben.
Stunden sind nicht einmal Raum.
Sind ein buntgestickter Teppich.
Prunkes Gold und sattes Purpur lockt.
Gold aus Tempeln,
Purpur, der auf Kuppeln hockt,
heiliger Stätten,
die im Wehen
kosender Winde stehen.
Lichten Teppich liebten Ihre süßen Füße.
Ihre Füße waren meiner Seele Spielgefährten.
— Manchmal knirscht ein Schrilles Messer über meine
Seele.
Lichte Stunden ringen meinen Tod.
— „Die Frau steigt zum Manne herab in die Ehe."? — So
wäre ich wieder am Anfang meines Werdens und dachte, beim
Ausgang zu sein!? Erinnern Sie die Nächte, Maya, daß ich von
geistiger Ehe sprach?
Maya — meine Träume sollten wahr — mich ängstet! Oh,
ich darf daran nie glauben. Ich möchte den Glauben an mich
verlieren.

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