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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 8.1917-1918

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Zwölftes Heft
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Fachmännchen
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Behrens, Franz Richard: Gedichte
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Ring, Thomas: Gedicht
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https://doi.org/10.11588/diglit.37114#0196

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nicht wünschen. Herr Thoma ist besonders über folgenden Satz
Behnes empört: „Nicht-können ist unter Umständen weit wert-
voller afs ein Können — dann nämlich wenn hinter dem Nicht-
können ein höherer reiner Wille steht, der sich, das zu tun ver-
sagt, was hinter jedem Können als Wille wirkt. Ein Nicht-Wol-
len ist unter Umständen wertvoller als ein Können. Wer höhe-
res will, kann das Uebliche nicht, weil er es nicht verantworten
kann." Herr Thoma antwortet, nicht ohne Goethe erwähnt zu
haben, der von jedem Fabrikanten ausgebeutet wird: „Können
ist etwas so unangnehm Positives, daß, wer darüber auch nur
schreibt, sogleich auf sein eigenes Maß von Können und Wissen
geprüft werden kann, während jeder, der sich über das Wollen
verbreitet, in das Paradies der Kritiker, in die Welt des Unkon-
trollierbaren gerät." Bilcken wir in die Hölle der Könner, die
etwas so unangenehm Positives sind. Herr Ludwig Thoma
dichtet positiv:
Es mag net finsta wer'n,
Es bleibt so hell,
Es rucken Mond und Stern
Net von da Stell.
Sie hamm wia Liachta brennt,
So still und klar,
Als waar dös Firmament
A Hochaltar
Es wird niemand bestreiten, daß das Nicht-Dichten-Wollen
dieses unangenehmen positiven Herren wertvoller wäre, als
das Nicht-Dichten-Können. Herr Thoma selbst bestreitet nicht,
daß das Können geprüft werden kann. Aber er will auch et-
was, nämlich Dichten. Als Dichter ärgert ihn, daß auch nur ein
Kritiker ihn von da Stell rucken will: „Der Kritiker leitet durch
die Zeitungskanäle seine Meinung auf die Gefilde der Kunst;
als breiige schleimige Masse wälzen sie sich durch und was
dann wächst — das wissen wir." Die landwirtschaftlichen
Vorstellungen des Herr Thoma scheinen mir unangenehm nega-
tiv zu sein. Dung hat noch keinem Wachstum geschadet. Aber
wenn er auf die Gefilde der Kunst geworfen wird, muß sich die
Kunst lieber in den Erdboden verkriechen. Im März sind eben
Natur und Kunst etwas zurückhaltend. Nur der Herr Ludwig
Thoma kann sich nicht lassen. Er muß dichten, er kann nicht
Anders.
Auch ein Expressionist
Das Neue Deutschland, eine konservative Zeitschrift, feiert
Max Liebermann, ein Mitglied der Königlichen Akademie der
Künste, weil er siebzig Jahre alt geworden ist. Danach soll die-
ser Professor Liebermann einen völlig neuen Stil immer deut-
licher ausgebildet haben, mit geradezu plastischer Wirkung:
„Es ist nicht zu bezweifeln, daß Liebermann zu diesem Stil un-
ter van Goghs Einfluß gelangt ist." Seine Landschaften „er-
innern an van Gogh." Das war seine mittlere Periode. Aber
diesejS konservative Neue Deutschland ist liberal: „Freilich sind
sie dennoch reinster Impressionismus und leiten deshalb nur
bedingt zu den — sagen wir zunächst — expressionistischen
Bildern der Spätzeit über." Der Expressionismus wird dadurch
geradezu klassisch. Warum haben die Impressionisten sich so
sehr gewehrt, wenn sie in der Spätzeit doch zu dem verrück-
ten Expressionismus übergehen. Für das Neue Deutschland
hat Liebermann sogar Farbe: „Betont wird wieder die Farbe;
gewiß wird sie durchweht von Luft und Licht, aber das sprengt
sie nicht, sondern erhöht sie nur." Das stimmt nicht ganz. Die
Erhöhung erreicht Herr Liebermann nicht durch Luft und Licht,
die übrigens als Malmittel ihre Schattenseiten haben, die Er-
höhung wird ganz einfach durch reichliches Ausdrücken von
Farbentuben erreicht, wodurch eine geradezu plastische Wir-
kung entsteht. Sollte aber jemand auf die Idee kommen, die
Kruste fortzunehmen, so wird er nicht einmal ein impressioni-
stisches Bild darunter finden. Lieber Mann des Neuen Deutsch-
lands: Ausdrücken ist nicht Ausdruck. In diesem Sinne: Durch
Im zum Ex.
Herwarth Waiden

Gedichte
Franz Richard Behrens
Mecklenburg
Meinem Vater
Erde Braun
Braune Erde
Erde Gelb
Gelbe Erde
Erde Sonne
Erde Satt
Erde Saft
Erde Blut
Erde Brand
Erde Brut
Erde Triller
Grün Bleichen Schleier Strahlengefangen
Bachblaue Flachsweiber Kornschachumlacht
Wälder Gotthell
Knorren
Herren
Blumen Wiegen Eichenwurzeln
Lerchen Adlerblut
Steine Brechen Nordwärts Aus
Menschen Schwere Schwimmer
Golden Feuer Abend Sanfter
Blonde Mädchen Singen Silbern Stolz
Gott Küsse Tiefe Erde
Und Ich
Die schnellste Kugel
Fahne weht
Nacht fällt blind
Blut kelcht Kirsche Mund goldheller Abendinsel
Kugel lacht Glutlachen heil.
Zähe Feste )
Elefanten Treten Glas Grau
Rasen Rosen Roten Ringrand
Seelen Stehlen Blei Sud Brennen
Im Tief Sterben Sternblau Sucherherz
Aus Neuneckigen Flüssen Wachsen Wälder
Nächte Tauchen Starren Zucker Krampf
Katzen Springen Funkentrunken
Hammer Herren Schwielen Leichen Lachen


Gedicht

Thomas Ring
Siedglühe Schlünde knattern Mord
Stahl surrt zerpeitschend Mauern
zerdonnernd Helme
aufschleudernd Grund
Aus welken Stirnen blutet Qual
stürzt Augen gier in Feuerdämme
krallt Faust das Bajonett
Zerfetzen würgt
und Aengste tasten brause Leere
und Liebe müdet weich Ersterben
und Starren krampft
verzückt zu wirrem Knäuel getreten
* *
*
Sehnen sprengt Nacht
die Augen klammern dich
Träume zerstürzen
Leid tönt Liebe
durchflutet Welt
sonnübertaumler Garten

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