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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 8.1917-1918

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Siebentes Heft
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Liebmann, Kurt: Tierspiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.37114#0110

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Autos, Gebete, Flüche; dünsten Wolkenballen. Kreise*.
Kreisen . , .
Spinnen knistern über die Tapete.
Totenköpfe bleichen durchs Fenster.
Dächer plätschern in breitem Strom vorbei.
Laternen wackeln herein.
Aus fettigen Wolkenbäuchen grinst sich eine knochige Hand.
Wächst . . . grinst . . . schraubt sich! . . . wächst!! . . .
Käfer krabbeln aus Ritzen.
Leichen stinken herein.
Um Flackerfeuer flitzen flimmernde, buntscheckige Teufelchen.
Grinsen eitert heran . . .
Krachen!
Bersten!
Tuten!
Irgendwo schreit wer.
Irgendwo meckert was.
Irgendwo lauert was!!
Wir schnellen auf!!
Umklatscht von weißen Schweißhemden; umklettert von zap-
pelnden Schreien.
Eine Beklemmung zischt, eine Fontäne, aus unserem Blut.
Lichtvögel huschen ins Haar.
Du schlürfst mit schaukelnden Schenkeln durch das Zimmer.
Atem siedet weiß.
Du schlürfst, schleichst, schlürfst, schleichst, schlürft.
Kreist katzenweich.
Duckst.
Verfängst dich in das Zittern deines Blutes.
Blühst Atemblumen.
Funkelst Augensonnen.
Kreischst. — Krümmst Dich.
Kreist mit leisen, weitausgreifenden, tastenden Sohlen um daa
Schweigen des Tisches.
Arme entblättern sich zart.
Ich flattre mit gekrümmten Knien in deinem Geruch.
Hände tasten, zerren, lechzen.
Wir brennen, zwei kochende Sonnen, in leuchtenden Biegungen.
Wir funkeln, zwei blutende Feuerwerksmähnen, zischende
Spiralen durch schwankendes Zimmer . . .
Mondtiere knurren auf knarrenden Dielen . . .
Ich will dich haschen, Eichhörnchen!
Meine Zähne schäumen in deinem sonnigen Nacken.
Nabel wühlen in krautigem Fell!
Wir brodeln. Brodeln!
Fleischlachen, lichtheiß schwimmen auf blaublauem Grund;
darin spiegelnd die Dreiecke, quälend, unserer Augenpaare . .
Meinen Händen, schlängelnd, entzügeln Blutfackeln.
Totenköpfe platzen grün aus deinem Bauchrand.
Du plätscherst Lachen . . . Springst!!
Schwebst auf dem Fenstersims.
Spielst mit fetten, tropfenden Schädelwänden.
In deinem Haar klagen Augen. Verkrampfen sich Finger;
betend, fluchend.
Glotzen Kröten. Ringeln Würmer, in deinem Haar, das, ein
Komet, weht durch bebende Himmel . . .
Du schnellst in johlende, mit tausend Münden schnappende
Tiefe!
Tatzt dich an scharf hervorspringendem Gesimse hinab, kühnst!
Wippst auf einen brüllenden Balkon.
Spuckst Schädel in strömende, rauschende Passanten.
Fletschst. Tänzelst ...
Fensterscheiben klirren. Hände flattern. Beine stampfen.
Hälse wachsen. Pupillen tanzen. Kiefer schnappen.
Wiir schleichen, Raubtiere, hinter ummenschten Gitterstäben:
Königlich! Schwebend! Emporgerissen!
Haß brodelt in unseren Flanken.
Erregung trieft aus unseren Zähnen.
Wir beben Fiebern. Zucken.
Fallen in einem Satze auf wackelnde, gurgelnde, malende,
strudelnde Köpfe!

Schnellen hoch auf aus zischendem Menschenfluß!
Tauchen unter. Kriechen, winden uns durch tausend erstarrte
Kieselbeine.
Wälzen uns durch tastende Zehen: Tang, Alpen.
Krümmen uns um die pflanzenhaft bebenden Schenkel eines
brüllenden Schutzmanns.
Schreie zischen, grüne Blasen. Menschen klatschen an wackeln-
de Häuser.
Wir schnellen durch die Räder eines keuchenden Autos.
Klettern über klingelnde Straßenbahnen.
Hinter uns rauschendes, johlendes, pfeifendes, rollendes Zy-
lindermeer.
Wir leuchten Schmetterlinge, zitternd, auf der Röte elektrischer
Tulpen.
Klammern uns in das Haar wiegender Bäume.
Meer wächst! Heult aufgepeitscht!
Wir fliegen durch dunkle Alleen.
Sind wieder umrauscht von Signalen, Stimmen, Licht.
Meine Hände bluten, zwei flackernde Fackeln.
Aus deiner klaffenden Bauchschlucht springen meckernde
Totenschädel. —
Ich will dich haschen, zerwühlen!
Meine Fackelhände sollen deine Augenseen auszischen!. . . .
Du! Oh! Ah! . .
Du spritzst über blitzende Schienen.
Hängst im Licht lachender Läden
Tanzst, blühst vor dem Schweigen des klimmenden Domes.
. . . Ich wirble heran!.
Du schweigst überm Portal, schillernd, Insekt, in Blütenkelchcn
leuchtender Fenster.
Schwebst! ...
Windest Dich. Steigst! Fließt!
Auf! Auf!
Brennst über , moosige Ziegel.
.Hockst rittlings auf dem Dachstuhl.
Bläkst. Schneidest Fratzen. Klatschst auf Schenkel. Wühlst
in Brüsten.
Schädel poltern über wimmernde Steine.
Auf Treppen brandet tosender Menschenstrom. Leckt mit
blakenden Zungen die Knöchel des betenden Christus.
Strudelt in gurgelnden Trichtern.
Du schwebst wippend über den Dachfrist.
Leuchtest Kresse an dumpf-dunkler Mauer.
Frißt dich in wackelnden Turm.
Klimmst! Steigst! Steigst! Spinnst dich von Zinne zu Zinne.
Grün zischen Menschenwellen.
Zähne spritzen Licht. Zungen brennen aus glucksenden Hälsen.
Die Kirche schwankt, schwankt!
Du leuchtest. Leuchtest!
Klimmst! Klimmst!
In schweren Windungen kratze ich mich an Mauerritzen entlang.
Tatze über schweigende Sandsteinschnörkel.
Keuche. Züngle dir nach! nach!
Du pendelst im rauschend-summenden Glockenstuhl.
Donner fallen aus Oeffnungen.
Fledermäuse pfeifen auf.
Wolken gluten vorbei.
In langen Wellen wogt Geheul kochenden Menschenmeers über
quietschende Treppen.
Ich hüpfe auf einen gespannten Glockenbauch.
Du züngelst, in blakendem Flammenlaken, höher! höher!
Funken zerbeißen meine Haut.
Ich tatze. Tatze!
Du! Oh!
Höher! Höher! Ueber Zinnen, Klippen, Hälse, Nasen. Auf!
Auf er!
Drehst dich sprühend, Sterne gebärend, glühende Feuersäule
auf schwebender, schwankender Turmspitze . . .
Spitze!!
Drehst dich rasend.
Flammen regnen auf weißliche Spiegel sich wölbender Glatzen.

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